Wie Geld entsteht

Seit Beginn der expansiven geldpolitischen Sondermaßnahmen des Eurosystems sind die Zentralbankguthaben der Geschäftsbanken im Euro-Währungsgebiet stark gestiegen: Innerhalb von knapp zehn Jahren haben sich diese Guthaben mehr als versiebenfacht. Zugleich wuchs die breiter gefasste Geldmenge M3 nur moderat, die Verbindlichkeiten von inländischen Banken und Zentralbanken gegenüber inländischen Nichtbanken wie den privaten Haushalten und Unternehmen umfasst. Im Monatsbericht April untersuchen Bundesbank-Ökonomen dieses Phänomen und erklären, wie Buchgeld entsteht und wie das erweiterte Ankaufprogramm für Vermögenswerte (Expanded Asset Purchase Programme, APP) des Eurosystems auf die Geldmengenentwicklung wirkt. Zudem nehmen sie Stellung zu Vorschlägen, wonach Kreditinstitute ihre Sichteinlagen zu 100 Prozent mit Zentralbankgeld abdecken sollten.

Buchgeld entsteht nur durch Transaktionen zwischen Banken und Nichtbanken

Buchgeld ist der volumenmäßig größte Teil der Geldmenge und wird durch Geschäfte zwischen Banken und Kunden aus dem Inland geschaffen. Ein Beispiel dafür sind Sichteinlagen: Sie entstehen, wenn eine Bank mit einem Kunden Geschäfte abwickelt, also zum Beispiel einen Kredit gewährt oder einen Vermögenswert ankauft, und sie ihm im Gegenzug den entsprechenden Betrag auf seinem Bankkonto gutschreibt. Banken können also allein mittels eines Buchungsvorgangs Buchgeld schaffen: "Das widerlegt einen weitverbreiteten Irrtum, wonach die Bank im Augenblick der Kreditvergabe nur als Intermediär auftritt, also Kredite lediglich mit Mitteln vergeben kann, die sie zuvor als Einlage von anderen Kunden erhalten hat", schreiben die Bundesbank-Ökonomen. Ebenso sind vorhandene überschüssige Zentralbankguthaben keine notwendige Voraussetzung für die Kreditvergabe (und die Geldschöpfung) einer Bank.

Unendlich sind die Geldschöpfungsmöglichkeiten der Geschäftsbanken allerdings nicht. Sie werden begrenzt durch das Zusammenspiel des Bankensystems mit den Nichtbanken und der Zentralbank, durch Regulierungsvorschriften und nicht zuletzt durch das Gewinnmaximierungskalkül der Banken selbst, heißt es im Monatsbericht. So muss eine Bank die geschaffenen Kredite trotz ihrer Fähigkeit zur Geldschöpfung finanzieren, da sie beim Abfluss der durch die Kreditvergabe geschaffenen Sichteinlagen an andere Banken Zentralbankguthaben für die bargeldlose Verrechnung benötigt. Dies sind Guthaben, die nur die Zentralbank schaffen kann. Über die Struktur ihrer Refinanzierung entscheidet eine Bank anhand der relativen Kosten sowie der Zinsänderungs- und Liquiditätsrisiken. Um zusätzliche Kredite zu vergeben, kann die Bank günstigere Kreditkonditionen anbieten. Bei unveränderten Refinanzierungskosten sinkt dadurch aber der Ertrag aus der Kreditvergabe und die Vergabe zusätzlicher Kredite wird, für sich genommen, weniger attraktiv.

Komplexe Interaktionen

Die Geldschöpfungsmöglichkeiten des Bankensystems werden zudem durch das Verhalten von Unternehmen und Haushalten begrenzt, insbesondere durch ihre Kreditnachfrage sowie ihre Anlageentscheidungen. Die Zentralbank wiederum beeinflusst die Geldmengen- und Kreditentwicklung indirekt über die Höhe der Leitzinsen, die über verschiedene Wege auf die Finanzierungs- und Portfolioentscheidungen der Banken und Nichtbanken wirkt. Insgesamt ist die Entwicklung der Geldmenge "das Ergebnis komplexer Interaktionen zwischen Banken, Nichtbanken und Zentralbank", heißt es im Monatsbericht. Die Entwicklung der Zentralbankguthaben folge bei einer konventionellen, durch Veränderungen der geldpolitischen Leitzinsen umgesetzten Geldpolitik der Nachfrage der Banken.

Die Bundesbank-Ökonomen beschreiben auch, wie sich geldpolitische Ankaufprogramme grundsätzlich auf die Zentralbankguthaben und die Geldmenge auswirken. Während solche Programme die Zentralbankguthaben zwangsläufig erhöhen, gilt dies nicht im gleichen Verhältnis für die breit gefasste Geldmenge. Einen direkten positiven Effekt auf die Geldmenge haben die Wertpapierkäufe nur, wenn die letztendlichen Verkäufer inländische Nichtbanken sind: "In diesem Fall führt die Transaktion zu einer Zunahme des Bestandes der von der Zentralbank gehaltenen Staatsanleihen und zu einem Anstieg der vom Verkäufer gehaltenen Sichteinlagen", heißt es im Monatsbericht. Allerdings können die letztendlichen Verkäufer der Papiere auch Geschäftsbanken sein oder aus dem Ausland kommen. Daneben gibt es auch indirekte Wirkungen auf die Geldmenge, vor allem durch die Transmission des Ankaufprogramms in Vermögenspreise und -renditen oder die Kreditvergabe. Deswegen besteht zwischen dem Anstieg der Zentralbankguthaben und der breiter gefassten Geldmenge kein mechanischer Zusammenhang.

Vorteile einer vollständigen Deckung von Einlagen durch Zentralbankgeld fragwürdig

Stellung nehmen die Autoren auch zu Vorschlägen, wonach Kreditinstitute ihre Sichteinlagen zu 100 Prozent mit Zentralbankgeld abdecken sollten. Ziel dieser Vorschläge ist es, die Geldschöpfung der Banken zu begrenzen und so die Stabilität des Bankensektors zu verbessern. Es sei jedoch nicht zwingend erkennbar, dass diese Beschränkung tatsächlich zu einem insgesamt stabileren Finanzsystem führen würde, als dies auch mit einer zielführenden Regulierung möglich wäre. Zugleich bestehe aber ein Risiko, dass ein solcher Systemübergang wichtige volkswirtschaftliche Funktionen des Bankensystems in Mitleidenschaft ziehen würde, die für eine stabile realwirtschaftliche Entwicklung notwendig seien. "Angesichts potenzieller volkswirtschaftlicher Kosten stellt sich die Frage, ob die Vorteile die Nachteile aufwiegen können", heißt es im Monatsbericht.