Weidmann wirbt für verständlichere Geldpolitik

Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat beim Neujahrsempfang der Deutschen Börse in Eschborn für eine verständlichere Geldpolitik geworben. Finanzmarktteilnehmer seien geldpolitisch gut informiert. Doch Untersuchungen deuteten darauf hin, dass geldpolitische Kommunikation die Erwartungen von Privatleuten und Unternehmen vergleichsweise weniger beeinflusse. Dabei komme es gerade auf deren Inflationserwartungen an, wenn Haushalte über ihre Käufe entschieden, Unternehmen die Preise für ihre Produkte setzten oder Arbeitgeber und Gewerkschaften die Löhne aushandelten.

„Verständliches, vorwärtsgerichtetes und realistisches“ geldpolitisches Ziel

Im Rahmen der Überprüfung der geldpolitischen Strategie sollte es auch um die Formulierung des Politikziels gehen. „Meines Erachtens sollten wir unser geldpolitisches Ziel so formulieren, dass es verständlich, vorwärtsgerichtet und realistisch ist“, sagte Weidmann. „Verständlich“ in dem Sinne, dass die Menschen die Zieldefinition begreifen und ihre Sinnhaftigkeit nachvollziehen könnten. „Vorwärtsgerichtet“ hieße, dass die Preisstabilität über eine mittlere Frist und im Blick nach vorn gewährleistet werden würde. Denn die Geldpolitik könne das aktuelle Preisgeschehen nur schwer beeinflussen. „Unsere Maßnahmen entfalten ihre volle Wirkung nur mit Verzögerungen“, so Weidmann. Ökonomische Anpassungsprozesse würden sich häufig über eine längere Zeit erstrecken. „Realistisch“ bedeute, dass die Formulierung des geldpolitischen Ziels bei den Menschen keine Illusionen wecken solle. „Wir sollten dem Eindruck und dem Anspruch entgegenwirken, dass wir die Inflation auf die Nachkommastelle genau feinsteuern könnten. Denn das können wir nicht“, betonte der Bundesbankpräsident. Ein realistisch und vorwärtsgerichtet formuliertes Ziel erlaube der Geldpolitik zu warten, wenn es gute Gründe dafür gebe, und nicht hektisch auf jede Änderung im Datenkranz zu reagieren.

Weidmann sprach sich zudem gegen eine kräftige Anhebung der angestrebten Inflationsrate aus und stellte drei Gründe heraus. Erstens könne der Zugewinn an Handlungsfähigkeit für die Notenbanker kleiner sein als erhofft, da die Unternehmen ihrer Preisbildung anpassen würden. Zweitens könnte die Gefahr steigen, dass sich die Inflationserwartungen entankern. Die Menschen könnten an der Glaubwürdigkeit der Zentralbank zweifeln und denken, dass die angestrebte Inflationsrate vielleicht noch weiter angehoben werden würde. Und drittens sei eine höhere Inflation auch mit Kosten für die Menschen verbunden. Sie verschleiere die Signale, die von Preisen ausgingen und verzerre damit etwa die Entscheidungen über Investitionen oder Konsum. „Inflation trifft die Schwächsten in der Gesellschaft besonders hart. Denn sie können sich weniger gut gegen Inflation absichern“, so Weidmann. 

Inflationsrate neu messen

Weidmann zufolge müsse zudem überprüft werden, ob die Inflation bislang richtig gemessen werde. Das geldpolitische Ziel stelle bisher auf den Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) für den Euroraum ab. „Prinzipiell erfüllt er die Anforderungen an ein Maß für Geldwertstabilität im Euroraum am besten“, sagte Weidmann. Der HVPI enthalte zum Beispiel Mieten, das selbstgenutzte Wohneigentum fehle aber bisher in seinem Warenkorb. Eine Berücksichtigung dieser Komponente sei eigentlich unstrittig. Die Gründe für das Fehlen seien eher methodischer Natur. „Für mich wäre aber der eine oder andere Abstrich bei der Methodik hinnehmbar, wenn wir dafür der Lebenswirklichkeit der Menschen näherkämen“, so Weidmann. „Dann können wir unserem Auftrag besser gerecht werden, Preisstabilität im Euroraum zu sichern.“

Klare Reihenfolge beim Einsatz geldpolitischer Instrumente

Um die Preisstabilität im Euroraum zu sichern, bräuchten die Notenbanker die richtigen Instrumente. In der Vergangenheit habe sich gezeigt, dass die traditionelle Zinspolitik an ihre Grenzen stoßen kann. Für solche besonderen Umstände bräuchte die Geldpolitik also andere Werkzeuge. Entscheidend sei deren Wirksamkeit im Hinblick auf die Wahrung von Preisstabilität. Dieses Ziel müssten die Instrumente aber auch mit möglichst geringen Nebenwirkungen erreichen. Deshalb sollte eine klare Reihenfolge eingehalten werden. Mit Blick auf die sogenannte Forward Guidance sagte der Bundesbankpräsident: „Wenn unsere Leitzinsen bereits niedrig sind, sollten wir zunächst etwa eine solche Kommunikation erwägen, bevor wir zu schärferen Mitteln greifen.“ Umfangreiche Käufe von Staatsanleihen sieht der Bundesbankpräsident im Euroraum weiterhin kritisch. „Meines Erachtens sollten sie ein Instrument für den Notfall sein.“