Weidmann sieht steigende Risiken der lockeren Geldpolitik

Jens Weidmann bei seiner Rede auf dem Frankfurter European Banking Congress ©picture alliance / dpa
Jens Weidmann bei seiner Rede auf dem Frankfurter European Banking Congress
Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat bei einem Bankenkongress in Frankfurt am Main auf die steigenden Risiken der extrem lockeren Geldpolitik im Europäischen Währungsgebiet aufmerksam gemacht. Diesbezüglich verwies er auf Übertreibungen an einigen Finanzmärkten und auf Probleme, die sich in einer lang anhaltenden Niedrigzinsphase für Lebensversicherer ergeben. Außerdem gab Weidmann zu bedenken: "Je länger wir die extrem lockere Gelpolitik beibehalten, umso weniger effektiv ist sie."
Die sehr niedrigen Zinsen könnten zudem die Bereitschaft der Euro-Länder erlahmen lassen, ihre Haushalte zu konsolidieren, sagte Weidmann vor rund 800 Gästen aus der Finanzwirtschaft. Deshalb "sollten wir auch nicht das Risiko ignorieren, dass sich die Fiskalpolitik an die sehr niedrigen Zinsen gewöhnt", so Weidmann.

Weidmann rät zu Geduld

Angesichts dieser Gefahren riet der Bundesbankpräsident in der Diskussion um eine weitere Lockerung der Geldpolitik durch den Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) zu Geduld, trotz der derzeitig niedrigen Inflationsraten im Euro-Raum. "Die bereits beschlossenen geldpolitischen Maßnahmen brauchen Zeit, um ihre volle Wirkung für die konjunkturelle Entwicklung zu entfalten", sagte Weidmann. Die Preisentwicklung sei zwar vom angestrebten Inflationsziel der EZB von knapp unter, aber nahe bei 2 % weit entfernt. Tatsächlich betrug die Jahresteuerung im Oktober im Euro-Raum 0,1 %.

Aus Sicht von Weidmann ist die geringe Inflation aber vor allem auf den Rückgang der Ölpreise zurückzuführen. Dieser senke insbesondere die Kosten für Energie. "Dieser Rückgang hat die Inflation um einen Prozentpunkt verringert", so Weidmann. Diese Entwicklung ist seiner Ansicht nach aber eher ein Treiber für die Konjunktur als ein Vorbote von Deflation. Die Kerninflation, bei der die Kosten für Energie und Nahrungsmittel nicht berücksichtigt werden, liege folglich deutlich höher, bei gut einem Prozent. Sie werde mittelfristig "allmählich in Richtung unserer Definition von Preisstabilität steigen", sagte Weidmann.

Kein düsteres Bild der Lage zeichnen

Bei seiner Rede thematisierte der Bundesbankpräsident auch die gegenwärtigen Wirtschaftsaussichten für den Euro-Raum. Trotz jüngster Abwärtsrisiken wegen einer Konjunkturflaute in wichtigen Schwellenländern und der steigenden Unsicherheit wegen der Migrationsbewegungen sieht Weidmann keinen Grund, "den konjunkturellen Ausblick schwach zu reden und ein düsteres Bild der Lage zu zeichnen".

Um das Wirtschaftswachstum aber weiter anzukurbeln, müssten Marktbarrieren abgebaut, die Digitalisierung vorangetrieben und insbesondere auf den Arbeitsmärkten Reformen durchgeführt werden. Zudem müssten Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt integriert werden. "Um Flüchtlinge zu integrieren, brauchen wir ein entschiedenes politisches Handeln", sagte Weidmann. Dazu gehörten etwa Sprachkurse und eine bessere Schul- und Berufsausbildung. Doch sollten die Erwartungen hierbei realistisch bleiben. "Die Flüchtlinge in die Arbeitsmärkte zu integrieren wird Zeit brauchen", sagte Weidmann. Immigration könne die demografische Herausforderung alternder Gesellschaften lindern, sie aber nicht vollends lösen.

"Integration ist der Schlüssel" sagte auch Paul de Grauwe, John Paulson Chair in European Political Economy an der London School of Economics and Political Science, bei einer anschließenden Podiumsdiskussion. Ifo-Chef Hans-Werner Sinn äußerte sich mit Blick auf die Erfolgschancen einer Integration der jetzt ankommenden Flüchtlinge skeptisch. Die Zuwanderung gut ausgebildeter Arbeitskräfte wäre notwendig, sage er. Ein großer Teil der ankommenden Flüchtlinge, beispielsweise aus Syrien, sei aber nicht gut ausgebildet. Der Anteil an Analphabeten sei hoch, so Sinn.