Jens Weidmann bei seiner Rede beim Europäischen Bankenkongress 2019 ©José Poblete

Weidmann sieht Erfolg der Forward Guidance

Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat beim diesjährigen Europäischen Bankenkongress in Frankfurt betont, dass sich die Kommunikation des EZB-Rats zu dessen Erwartungen über eine erste Leitzinsanhebung als effektiv erwiesen habe. Die sogenannte Forward Guidance könne ähnlich wie Käufe von Wertpapieren dazu beitragen, die Langfristzinsen zu senken und so die Wirtschaft zu stimulieren, wenn die konventionelle Geldpolitik in ihrem Handlungsspielraum eingeschränkt sei, sagte Weidmann. Als Forward Guidance bezeichnen Expertinnen und Experten ein geldpolitisches Instrument, mit dem Notenbanken klarstellen, wie sie auf ökonomische Entwicklungen reagieren werden. Das Eurosystem verwendete Forward Guidance erstmals im Juli 2013. 

Den Vorschlag, Notenbanken sollten von ihrem üblichen Verhalten abweichen und ein Überschießen der Inflation über das Ziel hinaus anstreben, sieht der Bundesbankpräsident hingegen skeptisch. Eine solche Politik würde bedeuten, die Zinsen länger als in der Reaktionsfunktion angelegt niedrig zu halten. Dies könnte unter anderem die Risiken und Nebenwirkungen einer sehr expansiven Geldpolitik verschärfen. So könne eine sehr expansive Geldpolitik Investoren dazu bewegen, „auf der Suche nach Rendite übermäßige Risiken einzugehen, was später zu finanziellen Ungleichgewichten führen könnte“, warnte Weidmann. Darüber hinaus verwies er auf die Ertragskraft der Banken: Die niedrigen Zinsen würden Banken belasten, die ihre Erträge vor allem aus dem traditionellen Einlagen- und Kreditgeschäft erzielten. Es sei nicht Aufgabe der Zentralbank, die Ertragskraft der Institute sicherzustellen. Eine expansive Geldpolitik ist aus Sicht des Bundesbankpräsidenten weiterhin gerechtfertigt. Der Preisdruck im Euroraum sei nach wie vor gedämpft, sagte er.

Der Bundesbankpräsident wies auch darauf hin, dass sich die geldpolitische Strategie immer so entwickeln sollte, dass sie am besten dem Mandat der Zentralbank diene. „Ich stimme Christine Lagarde hier vollkommen zu“, so der Bundesbankpräsident. Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB) hatte bei ihrer Rede eine Überprüfung der geldpolitischen Strategie des Eurosystems in Aussicht gestellt. Der Bundesbankpräsident fügte hinzu, dass aus seiner Sicht eine solche Überprüfung auch die Frage erörtern müsse, „wie man künftig mit langfristigen Risiken für die Preisstabilität umgeht, die sich aus finanziellen Ungleichgewichten ergeben“.

Lagarde fordert öffentliche Investitionen

Christine Lagarde bei ihrer Rede beim Europäischen Bankenkongress 2019 ©Martin Lamberts / ECB
Christine Lagarde appellierte bei dem Kongress zudem an die Regierungen der Euro-Länder, die Binnennachfrage zu stärken. Geopolitische Unsicherheiten und handelspolitische Spannungen hätten sich negativ auf den weltweiten Handel ausgewirkt. Insbesondere der Zollkonflikt zwischen den USA und den China sorge derzeit für einen massiven Dämpfer für die Weltkonjunktur. Dies würde auch die Wirtschaft in der Eurozone beeinflussen. Die weltweit zweitgrößte Wirtschaftszone müsse deshalb offen sein und Vertrauen in sich selbst haben, forderte Lagarde. Europas gesamtes Potenzial müsse genutzt werden, um eine stärkere Binnennachfrage und langfristiges Wachstum zu schaffen. Der Haushaltspolitik der Länder in der Eurozone komme dabei eine Schlüsselrolle zu. „Die öffentlichen Investitionen im Euro-Raum liegen weiterhin unter ihrem Vorkrisen-Niveau“, kritisierte sie. Investitionen seien ein besonders wichtiger Teil der
Antwort auf die Herausforderungen von heute, da sie sowohl die Nachfrage von heute als auch das Angebot von morgen seien. Der Bedarf an Investitionen ist der Präsidentin zufolge in den einzelnen Ländern unterschiedlich, aber es gebe gute Argumente für Investitionen in eine gemeinsame Zukunft, die produktiver, digitaler und grüner sein werde. Die Geldpolitik könne ihr Ziel schneller und mit weniger Nebeneffekten erreichen, wenn gleichzeitig politische Maßnahmen das Wachstum unterstützten, so Lagarde.