Weidmann: Protektionis­mus und Abschottung sind keine Lösung

Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat vor den negativen Folgen von Protektionismus gewarnt. "Handelsbeschränkende Maßnahmen provozieren nicht selten Gegenreaktionen und bergen die Gefahr, in Handelskonflikten zu münden, die am Ende nur Verlierer kennen", sagte er bei der Verleihung des Karl-Klasen-Journalistenpreises im Hamburg an den US-amerikanischen Journalisten Steven Erlanger von der New York Times. Mit dem Preis werden Journalistinnen und Journalisten ausgezeichnet, die sich mit ihrer Arbeit um die deutsch-amerikanischen Beziehungen verdient gemacht haben. Die Stiftung, die den Preis vergibt, wurde 1992 zum Gedenken des ehemaligen Präsidenten der Deutschen Bundesbank Karl Klasen errichtet.

Als Beispiel für protektionistische Maßnahmen nannte er die jüngst eingeführten Strafzölle der USA gegen Produzenten von Solarpanelen und Waschmaschinen. Der Strafzoll auf Solaranlagen und -anlagenteile führe etwa dazu, dass sich die inländische Produktion verteuere und damit auch die Nachfrage nach Solaranlagen zurückgehe. In der Folge würden beispielsweise weniger Monteure für Solaranlage benötigt, weshalb der amerikanische Solarenergieverband mit Arbeitsplatzverlusten rechne, so Weidmann.

Verlierer der Globalisierung

Offene Märkte sind zwar insgesamt von Vorteil, erhöhen nach Einschätzung Weidmanns aber nicht unbedingt den Wohlstand jedes Einzelnen. Zu den Verlierern der Globalisierung gehörten insbesondere weniger qualifizierte Arbeitnehmer in den Industrieländern. Es bestehe daher durchaus die Gefahr, dass die Akzeptanz der Globalisierung schwinde. "Wer gerade seinen Arbeitsplatz verloren hat, lässt sich nicht mit günstigen Smartphones trösten", so Weidmann.

Dennoch sind Protektionismus und Abschottung aus Sicht des Bundesbankpräsidenten nicht die richtigen Antworten. Die Lösung liege darin, die Menschen in die Lage zu versetzen, selbst von Globalisierung und technischem Fortschritt zu profitieren. Dazu könnten unter anderem bessere Schulen und Universitäten sowie flexible Arbeits- und Produktmärkte beitragen. "Ich bin überzeugt, dass offene Märkte und wachstumsfreundlichere Wirtschaftsstrukturen zu höherer Produktivität, mehr Beschäftigung und steigenden Einkommen führen", so Weidmann.

Leistungsbilanzüberschuss angemessen

Weidmann verteidigte in seiner Rede erneut den vielfach kritisierten Überschuss der deutschen Leistungsbilanz. Dieser sei nicht das Ergebnis einer merkantilistischen Politik, sondern liege in den vielfältigen Entscheidungen der in- und ausländischen Unternehmer begründet. Ein Teil des Überschusses von insgesamt acht Prozent des Bruttoinlandsproduktes lasse sich durch die demografische Entwicklung, den niedrigen Ölpreis sowie durch die lockere Geldpolitik erklären, so Weidmann. Darüber hinaus seien die hohen Ersparnisse deutscher Unternehmen auffallend. Diese spiegelten zum Teil eine verhaltene Investitionstätigkeit der deutschen Unternehmen wider, die sich erst im vergangenen Jahr wieder belebt habe.

"Ein Weg, um den Leistungsbilanzüberschuss zu verringern, besteht also darin, attraktive Investitionsbedingungen im Inland zu schaffen, zum Beispiel durch eine zügige und berechenbare Umsetzung der Energiewende oder den Ausbau der digitalen Infrastruktur", schlug Weidmann vor. Denkbar seien auch höhere öffentliche Infrastrukturausgaben. Hierbei müssten die Investitionsbedarfe allerdings präzise ermittelt und kostengünstig gedeckt werden.

Den Forderungen nach schuldenfinanzierten Staatsausgabenprogrammen erteilte der Bundesbankpräsident eine Absage. Diese würden in Zeiten ohnehin stark ausgelasteter Produktionskapazitäten die Nachfrage vorübergehend weiter anheizen.

Währungsunion muss Stabilitätsunion bleiben

Mit Blick auf die Debatte über die Zukunft der Europäischen Union bezeichnete Weidmann die Sehnsucht nach umfassender nationaler Souveränität als "ziemlich rückwärtsgewandt". Gleichwohl müsse dem im EU-Vertrag verankerten Subsidiaritätsprinzip mehr Geltung verschafft werden.

Die gemeinsame Währung genieße hohe Zustimmungsraten, wie Weidmann mit Verweis auf eine aktuelle Umfrage betonte. Die Konstruktion der Währungsunion sei jedoch weiterhin fragil. Die Fragilität sei aber nicht auf eine Fehlkonstruktion der Gemeinschaftswährung an sich zurückzuführen. "Vielmehr ist es das Zusammenspiel von einheitlicher Geldpolitik auf der einen und nationaler Souveränität in der Wirtschafts- und Finanzpolitik auf der anderen Seite, das die Währungsunion krisenanfällig macht."

Weidmann warnte davor, die Vertiefung der europäischen Integration auf eine bloße Ausweitung der Risikoteilung zu reduzieren. Dies mache Europa und die Währungsunion nicht stabiler. Er forderte, die Währungsunion müsse eine Stabilitätsunion bleiben. "Wenn sie das nicht bleibt, wird die Akzeptanz für die gemeinsame Währung schwinden", sagte der Bundesbankpräsident.