Weidmann: Notenbanken dürfen nicht unter Druck geraten

Die Leitzinsen im Europäischen Währungsraum, die der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) festlegt, liegen derzeit bei null Prozent. Gleichzeitig überstieg die Inflationsrate im Februar mit zwei Prozent knapp die Zielmarke, die der EZB-Rat als vereinbar mit Preisstabilität sieht. "Wann steigen die Zinsen wieder?", war die erste Frage, die Michael Bröcker, Chefredakteur der Rheinischen Post, während eines Leserforums in Düsseldorf an Bundesbankpräsident Jens Weidmann richtete. Dieser antwortete, dass die aktuellen Inflationsraten im Euro-Raum in der Tat im Einklang mit der Definition von Preisstabilität stünden, aber auch von steigenden Energiepreisen getrieben seien. "Die Inflationsrate wird nicht so hoch bleiben. Der Anstieg der Energiepreise wird sich wieder rauswaschen".

Trotzdem warnte der Bundesbankpräsident davor, die lockere Geldpolitik länger als unbedingt nötig beizubehalten. Es dürfe nicht zu einer Situation kommen, in der das Eurosystem unter Druck gerate, die Zinsen länger niedrig zu halten, als notwendig – etwa um die Finanzierungslasten der Staaten zu senken oder um Turbulenzen an den Finanzmärkten zu verhindern. "Wir müssen die Niedrigzinsphase beenden, sobald dies mit Blick auf die Preisstabilität möglich ist", betonte er. Als besonders kritisches Element der lockeren Geldpolitik bezeichnete Weidmann abermals die Käufe von Staatsanleihen durch die Notenbanken des Eurosystems. Durch diese Käufe werde die Grenze zwischen Geld- und Fiskalpolitik immer weiter verwischt, so Weidmann. "Die Notenbanken des Eurosystems werden zum größten Gläubiger der Staaten", erklärte er.

Hohe Immobilienpreise keine Gefahr für Finanzstabilität

Neben der aktuellen Geldpolitik war die Finanzstabilität ein wichtiges Thema des Gesprächs. Ob der Euro-Raum stabiler sei als vor der Krise, lautete eine Frage, die Chefredakteur Bröcker dazu an Weidmann richtete. Die Banken seien deutlich besser aufgestellt und hielten mehr und besseres Eigenkapital vor, antwortete dieser. Auch bei der Regulierung der Finanzmärkte seien Fortschritte gemacht worden. Auf Nachfrage Bröckers sagte Weidmann auch, dass von den steigenden Immobilienpreisen insbesondere in deutschen Großstädten bislang keine Gefahren für die Finanzstabilität ausgingen. "Für den einzelnen Investor mögen die hohen Preise ein Problem sein, für das Bankensystem als Ganzes nicht", so der Bundesbankpräsident.

Mit Blick auf die gesamte wirtschaftliche Situation im Euro-Raum machte Weidmann darauf aufmerksam, dass nach wie vor viele wirtschaftliche Probleme bestünden. Aus seiner Sicht gehören dazu die strukturell hohe Arbeitslosigkeit, sehr geringe Wachstumsmöglichkeiten und besonders in Deutschland die demografische Entwicklung.

Leser stellen Fragen

Nach dem Gespräch mit dem Chefredakteur diskutierte der Bundesbankpräsident mit den knapp 200 Leserinnen und Lesern, die sich für die Veranstaltung "Rheinische Post im Gespräch mit Jens Weidmann" angemeldet hatten. Ein Thema der Diskussion waren digitale Zahlungsmittel wie die sogenannten Bitcoins. Weidmann verwies darauf, dass Bitcoins großen Wertschwankungen unterlägen, was für die Nutzerinnen und Nutzer Nachteile berge. "Ich sehe sie nicht als Konkurrenzwährung", so der Bundesbankpräsident. Hinter den Bitcoins stehe aber eine interessante Technologie, deren Nutzen für den Zahlungsverkehr von der Bundesbank geprüft werde.

Auf die Frage, ob das Bargeld bald abgeschafft werde, gab Weidmann Entwarnung. "Sie entscheiden, mit welchen Mitteln Sie zahlen", versicherte er. Weiterhin interessierten sich die Leserinnen und Leser für das Aufkommen von Falschgeld, die Digitalisierung des Finanzsektors, die Target2-Salden sowie das Rotationsprinzip im EZB-Rat und die Aufgaben der Bundesbank in Deutschland.