Weidmann: Kurzfristige Finanzhilfen können für Griechenland nur Zeit kaufen
Nach Auffassung von Bundesbankpräsident Jens Weidmann können kurzfristige Finanzhilfen für Griechenland nur Zeit kaufen. Um nachhaltig die Probleme des Landes zu lösen, seien solide Staatsfinanzen und eine wettbewerbsfähigere Wirtschaft notwendig, sagte er am Rande des Treffens der G20-Finanzminister und Notenbankgouverneure in Istanbul in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters. Weidmann betonte, dass es für Griechenland "vor allem glaubwürdiger eigener Anstrengungen bedarf, damit sich die Lage zum Besseren wendet und Griechenland wieder auf eigenen Beinen stehen kann"
. Solche Eigenanstrengungen könnten die europäischen Partner angesichts der bisher gezeigten Solidarität auch zu Recht einfordern, so Weidmann gegenüber Reuters.
Der Bundesbankpräsident machte dabei auch deutlich, dass die Geschäftsbanken des Landes sogenannte ELA-Kredite, die ihnen von der griechischen Notenbank bei Liquiditätsengpässen gewährt werden können, nicht zum Kauf von Staatspapieren verwenden sollten. Weidmann unterstrich, dass sich das Eurosystem "auf keinem Fall dem Verdacht aussetzen darf, unerlaubt monetäre Staatsfinanzierung zu betreiben"
. ELA (Emergency Liquidity Assistance) kann Banken auch dann noch gewährt werden, wenn sie nicht über Sicherheiten mit bestimmten Mindestqualitäten verfügen, die normalerweise für Refinanzierungsgeschäfte mit Eurosystem-Notenbanken erforderlich sind. ELA dürfen Banken jedoch nur erhalten, solange sie finanziell gesund sind.
Strenge Maßstäbe anlegen
Entsprechend sagte Weidmann nach dem G20-Treffen auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, bei der Gewährung dieser kurzfristigen ELA-Liquiditätshilfen seien strenge Maßstäbe anzulegen. So seien auch in Griechenland Banken und Staat eng verwoben, sodass die Solvenz der Banken letztlich mit davon abhänge, welchen wirtschafts- und fiskalpolitischen Kurs die griechische Regierung verfolgen werde.
Vor dem Hintergrund des Politikwechsels in Griechenland äußerte der Bundesbankpräsident auch die Einschätzung, dass der Kurs der neuen Regierung in Athen derzeit für eine gewisse Verunsicherung an den Finanzmärkten sorgt. Allerdings seien die Finanzstabilitätsrisiken für den Rest des Euro-Raums bei einem Wiederaufflammen der Krise in Griechenland geringer als noch vor einigen Jahren, sagte er in dem Reuters-Interview. Zudem dürften auch die indirekten Ansteckungseffekte geringer sein, da zukünftige Finanzierungsprobleme Griechenlands in erster Linie als selbstverschuldet wahrgenommen und nicht als Hinweis auf ähnliche Probleme in anderen Mitgliedsstaaten gewertet werden würden. "Allerdings sollten wir alle ein Interesse daran haben, dass Griechenland seine Verabredungen einhält und sich insofern die Frage nach den Finanzstabilitätsrisiken nicht stellt"
, betonte Weidmann.
Gefallene Ölpreise stärken Konsum
Bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Bundesfinanzminister ging Weidmann außerdem auf die konjunkturelle Lage in Deutschland ein. Er verwies darauf, dass die deutsche Wirtschaft 2014 mit 1,6 Prozent solide gewachsen sei und sich die Konjunkturindikatoren weiter günstig darstellten. "So hat sich insbesondere das Konsumklima zum Jahresende hin deutlich verbessert und ist nun auf dem höchsten Stand seit 13 Jahren; die Beschäftigung wächst und die Löhne steigen, vor allem auch in realer Rechnung"
, sagte Weidmann in der türkischen Metropole. Eine treibende Kraft für den kräftigen Zuwachs beim privaten Konsum seien die stark gefallenen Ölpreise. Mit Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung im laufenden Jahr zeigte sich Weidmann optimistisch: Prognosen wie jene der EU-Kommission, die für 2015 ein deutsches BIP-Wachstum von 1,5 Prozent vorhersagt, würden das Bild gut wiedergeben.
Zur Diskussion um den Wechselkurs des Euro betonte Weidmann in dem Reuters-Interview, er sehe keinen aufkommenden Abwertungswettlauf an den internationalen Devisenmärkten. Vielmehr spiegele die Wechselkursentwicklung "derzeit vor allem die Tatsache wider, dass gerade die großen Währungsräume an unterschiedlichen Punkten im Konjunkturzyklus sind."
Die Folge hiervon seien wiederum unterschiedliche geldpolitische Ausrichtungen. Im Abschluss-Kommuniqué der G20-Finanzminister und Notenbankgouverneure hieß es dazu in Istanbul, dass sich die Mitglieder weiter zur Kooperation verpflichten, um die Effekte eigener Maßnahmen auf andere Währungsräume in Grenzen zu halten. Die Mitglieder wollen sich zudem weiter an in der Vergangenheit geschlossene Vereinbarungen zur Währungspolitik halten und nicht zu protektionistischen Maßnahmen greifen.