Weidmann: Kein Beleg für erhöhte Verteilungsungleichheit durch geldpolitische Sondermaßnahmen

Bundesbankpräsident Jens Weidmann ist auf Kritik eingegangen, dass geldpolitische Sondermaßnahmen die Kluft zwischen Arm und Reich vergrößerten. Diese These könne durch die Forschung nicht erhärtet werden, sagte der Bundesbankpräsident bei einer Rede anlässlich des 26. Sparkassentags in Hamburg. So tendiere die Forschung zwar zu der Sichtweise, dass geldpolitische Sondermaßnahmen die Vermögensungleichheit kurzfristig über höhere Vermögenspreise verstärkt hätten. „Mittel- bis langfristig ist der Einfluss jedoch weniger klar“, so Weidmann vor rund 1 500 Zuschauerinnen und Zuschauern. 

Das Eurosystem hat seit dem Jahr 2007 eine Reihe von Sondermaßnahmen ergriffen. Diese umfassen auch Programme, in deren Rahmen das Eurosystem seit 2009 bestimmte Wertpapiere ankauft. Kritiker warnen davor, dass diese Kaufprogramme der Notenbanken vor allem Haushalten mit größerem Vermögen zugutekämen, weil diese typischerweise Aktien und Häuser besitzen. Deren Kurse und Preise – so die Befürchtungen – könnten durch die Sondermaßnahmen nach oben getrieben worden sein. 

Vermögensungleichheit nicht größer geworden

Laut dem Bundesbankpräsidenten passe zu den Forschungsergebnissen zu diesem Thema auch die aktuelle Studie der Bundesbank zur Entwicklung der Vermögen privater Haushalte in Deutschland. So sei bei der Betrachtung der Ungleichheit der Vermögensverteilung zwischen 2014 und 2017 kein eindeutiger Trend zu beobachten. „Hätte jedoch die außergewöhnlich expansive Ausrichtung der Geldpolitik die Kluft zwischen den Wohlhabenden und weniger Wohlhabenden in Deutschland stark vergrößert, wäre dies im Gesamtbild vermutlich sichtbar geworden“, sagte Weidmann. 

Außerdem dürften seiner Meinung nach die geldpolitischen Sondermaßnahmen – ähnlich wie die herkömmliche Zinspolitik – die ungleiche Verteilung der Einkommen sogar eher reduziert haben. „Denn ohne die geldpolitischen Maßnahmen wäre das gesamtwirtschaftliche Wachstum wohl schwächer ausgefallen, der Beschäftigungsaufbau schleppender vorangekommen und die Arbeitslosigkeit zögerlicher gesunken“, so Weidmann. 

In den vergangenen Jahren habe die gute Wirtschaftsentwicklung zu einem breiten Vermögensanstieg in Deutschland beigetragen. Speziell für den Anstieg eher kleinerer Vermögen dürften größere Sparanstrengungen und höhere Einkommen wichtig gewesen sein. So sei der Anteil der Haushalte, die aufgrund fehlender finanzieller Mittel nicht sparen konnten, um 4 Prozentpunkte zurückgegangen. „Gerade dafür dürfte die gute Entwicklung am Arbeitsmarkt von Bedeutung gewesen sein.

Die lange Phase niedriger Zinsen hat die Sparneigung jedenfalls nicht erlahmen lassen“, sagte Weidmann. Die Niedrigzinsphase sei jedoch mit Risiken und Nebenwirkungen verbunden, die Einfluss auf die Finanzstabilität nehmen könnten. So könnten insbesondere Finanzmarktteilnehmer dazu neigen, auf der Suche nach Rendite höhere Risiken einzugehen. „Im Laufe der Zeit könnten sich auf diese Weise Risiken für die Finanzstabilität aufbauen“, so Weidmann. Laut dem Bundesbankpräsidenten stehen zudem derzeit gerade kleinere und mittelgroße Banken hohen Zinsänderungsrisiken gegenüber. Viele Bankkunden hätten die niedrigen Zinsen genutzt, um die Zinsbindung ihrer Darlehen zu verlängern – insbesondere bei Krediten für Wohnimmobilien. Auf Bankseite gehe damit die Schere in der Zinsbindung zwischen kurzfristig fälligen Einlagen und langfristigen Krediten weiter auseinander. „Im Fall eines abrupten Zinsanstiegs würden sich die Kosten für die Refinanzierung unmittelbar erhöhen, die Zinseinnahmen stiegen aber nur allmählich“, sagte Weidmann. 

Handelskriege kennen nur Verlierer 

Bei seiner  Rede warnte der Bundesbankpräsident auch vor einer weiteren Eskalation des Handelsstreits zwischen den Vereinigten Staaten und China. Nach einer Modellrechnung der Bundesbank könnten allein die schon beschlossenen Handelsschranken die Wirtschaftsleistung der beiden Kontrahenten mittelfristig um jeweils 0,5 Prozent dämpfen und den Welthandel um 1 Prozent verringern, so Weidmann. Den Rechnungen zufolge könne auch Deutschland in Mitleidenschaft gezogen werden, wenngleich in geringem Umfang. Niemand solle sich Hoffnungen hingeben, dass die Wirtschaft von dem Streit durch Handelsumlenkung insgesamt profitieren könne. „Handelskriege kennen nur Verlierer“, sagte Weidmann. 

Angesichts der Drohung der Vereinigten Staaten, Autoimporte mit zusätzlichen Zöllen zu belasten, betonte Weidmann die Wichtigkeit eines starken Europas. Zusätzliche Zölle würden die deutschen Hersteller hart treffen, die im Jahr 2018 Kfz und Kfz-Teile im Wert von 27 Milliarden Euro in die USA exportierten. Bei Verhandlungen mit Handelspartnern gehe es nicht nur darum, dass die Europäer ihre eigenen Interessen sicherten. Schließlich seien bilaterale Vereinbarungen kein Ersatz für das regelbasierte multilaterale Handelssystem. „Daher muss die Welthandelsordnung bewahrt und weiterentwickelt werden“, so Weidmann.