Weidmann hält gemeinsame Einlagen­sicherung für verfrüht

Bundesbankpräsident Jens Weidmann und Markus Miele, Vorsitzender des Unternehmerverbandes für den Kreis Gütersloh ©Catharina Schorcht
Jens Weidmann und Markus Miele
Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat sich gegen die baldige Schaffung einer gemeinsamen Einlagensicherung im Euro-Raum ausgesprochen. Damit distanzierte er sich in einem wichtigen Aspekt vom sogenannten "Fünf-Präsidenten-Bericht" der EU-Kommission zur Zukunft der Währungsunion. In diesem von Jean-Claude Juncker vorgelegten Bericht hatten die Spitzen wichtiger europäischer Institutionen, darunter Donald Tusk, Jeroen Dijsselbloem, Mario Draghi und Martin Schulz, die Einigung auf eine gemeinsame Einlagensicherung bis zum Jahr 2017 gefordert.

Angesichts der gemeinsamen Bankenaufsicht wäre eine gemeinsame Einlagensicherung zumindest für die direkt von der Europäischen Zentralbank überwachten Institute zwar in gewisser Weise konsequent, sagte Weidmann bei einer Rede vor dem Unternehmerverband für den Kreis Gütersloh. "Allerdings hängt das Wohl und Wehe von Banken nicht nur von der Aufsicht ab, sondern es wird auch weiterhin maßgeblich von der nationalen Wirtschaftspolitik und nationalen Gesetzen beeinflusst", so Weidmann. "Eine grenzüberschreitende Risikoteilung auf dem Gebiet der Einlagensicherung erscheint mir deshalb verfrüht."

Als Beispiel für den nationalen Einfluss auf den Bankensektor nannte Weidmann nationale Insolvenzordnungen. So könnten großzügige Regeln zur Insolvenz von Unternehmen oder Privatpersonen die Wirtschaftlichkeit von Banken beeinträchtigen und Lasten vom Privatsektor oder der öffentlichen Hand in die Bankbilanzen verschieben. "Geraten Banken deswegen in Schieflage, müssten Einleger aus anderen europäischen Ländern dann faktisch die Zeche dafür zahlen", betonte Weidmann die Gefahren einer gemeinsamen Einlagensicherung. Weidmann hält auch die mitunter geforderte Schaffung einer gemeinsamen Arbeitslosenversicherung für verfrüht. Für Weidmann gilt dies, solange die Mitgliedstaaten die maßgeblichen Rahmenbedingungen für mehr Beschäftigung selbst bestimmen. Dazu zählten unter anderem die Umsetzung von Arbeitsmarktreformen oder Investitionen in die Bildung.

Dauerhafte Transfers in eine Richtung

Eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung oder andere fiskalische Ausgleichsinstrumente könnten zwar länderspezifische Schocks abfedern. Weidmann sieht jedoch die Gefahr, dass aus solchen Zahlungen dauerhafte Transfers in eine Richtung werden können. "Regelmäßige Transferzahlungen, ohne eine echte Fiskalunion zu errichten, wären so, als ob man bei einem schief hängenden Bild den Neigungswinkel erhöht", sagte Weidmann. Das Gleichgewicht zwischen Haftung und Kontrolle fiele so bildlich gesprochen noch weiter auseinander. Die Risiken würden mittels gemeinschaftlicher Haftung auf die Schultern aller Euro-Länder verteilt, während das Recht zur Kontrolle bei den nationalen Staaten verbleibe. Um das Bild gerade zu rücken, müssten effektive Kontroll- und Souveränitätsrechte auf die europäische Ebene übertragen werden. Aus Sicht des Bundesbankpräsidenten tun sich die Euro-Länder hiermit allerdings schwer. Weidmann kritisierte in diesem Zusammenhang, dass die Reformvorschläge der fünf Präsidenten zwar "eindeutig in Richtung Zentralisierung und Risikoteilung" wiesen, gemeinsame Kontrollrechte aber nicht thematisierten. Eine echte Fiskalunion oder gar politische Union setze aber die Abgabe von Souveränität voraus. Dazu müssten nicht nur die europäischen Verträge, sondern häufig auch die nationalen Verfassungen geändert werden.

Stärkung des Maastricht-Rahmens der richtige Weg

Solange der politische Wille zu diesen Maßnahmen fehle, ist laut Weidmann eine Stärkung des Maastricht-Rahmens der richtige Weg, um die Währungsunion wieder stabiler zu machen. "Gestärkt werden muss das Haftungsprinzip", sagte er. Dazu seien bereits eine Reihe von institutionellen Reformen umgesetzt worden. Als Beispiele nannte Weidmann die Schaffung der Bankenunion, die strengere Finanzmarktregulierung und die geänderten Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Mit Blick auf die Verschuldungsregeln kritisierte der Bundesbankpräsident jedoch, dass sie Interpretations- und Ermessensspielräume zuließen, die genutzt würden, um die Haushaltskonsolidierung immer weiter hinauszuzögern. Auch neige die EU-Kommission aufgrund ihrer Doppelrolle als politische Institution und Hüterin der Verträge dazu, Kompromisse zulasten der Haushaltsdisziplin einzugehen. "Ein gestärkter Maastricht-Rahmen würde im Übrigen auch die Notenbanken des Eurosystems entlasten", sagte Weidmann. Sie hätten in der Krise viel zu oft den Ausputzer spielen müssen.

Strengere Fiskalregeln allein genügen nicht

Eine strengere Auslegung der Fiskalregeln allein wird Weidmann zufolge aber nicht ausreichen, um solide Staatsfinanzen zu gewährleisten. "Auch die Disziplinierungsfunktion der Finanzmärkte muss gestärkt werden", sagte er. Es müsse denkbar sein, dass die Euro-Länder die Insolvenz eines Landes zulassen. "Der No-Bailout-Klausel fehlt es schlicht an Glaubwürdigkeit", sagte Weidmann. Der gegenseitige Haftungsausschluss könne nur dann glaubhaft funktionieren, wenn es ein geregeltes Verfahren für die Insolvenz eines Staates gebe, ohne dass die Finanzstabilität darunter leide. Dazu sei die Abschaffung der regulatorischen Vorzugsbehandlung von Staatsanleihen notwendig, sagte Weidmann. "Das griechische Drama hat eindrucksvoll gezeigt, dass Staatsanleihen nicht risikolos sind", so der Präsident. Auch müssten auf internationaler und europäischer Ebene Regelungen zur Aufstockung der Haftungsmasse von Banken beschlossen werden. Je mehr Eigenkapital und haftendes Fremdkapital Banken halten, desto besser könnten sie eine staatliche Schuldenrestrukturierung verkraften, sagte Weidmann.