Weidmann: Digitaler Wandel wirkt bislang wohl kaum auf Teuerung
Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat bei der Jahrestagung des Vereins für Socialpolitik in Freiburg mögliche Auswirkungen der Digitalisierung auf die Geldpolitik erörtert. So berge die Digitalisierung das Potenzial, Produktivität, Beschäftigung und Inflation zu beeinflussen, sagte Weidmann. Als eine Folge davon könnte der zinspolitische Handlungsspielraum perspektivisch schrumpfen. „Wenn der digitale Wandel die Inflationsrate über längere Zeit dämpfen sollte, würden die Nominalzinsen sinken“
, so Weidmann. Dadurch verkleinere sich der Abstand zur Zinsuntergrenze. „In der Folge steigt für sich genommen die Wahrscheinlichkeit, dass die Geldpolitik zu Sondermaßnahmen greifen muss, um handlungsfähig zu bleiben.“
Nach einem Übergangsprozess seien allerdings langfristig die Preissenkungspotenziale ausgeschöpft, und der dämpfende Einfluss auf die Inflationsrate wäre verschwunden. Darüber hinaus könne es durch die Digitalisierung auch zu gegenläufigen Effekten kommen. „Wenn Produktivitäts- und Potenzialwachstum im Zuge der Digitalisierung steigen, erhöht sich der natürliche Zins“
, sagte Weidmann. „Entsprechend würden wiederum die Nominalzinsen nach oben gehen und damit den Spielraum der konventionellen Geldpolitik vergrößern.“
Innovation und Wettbewerb
Als mögliche Ursachen für schwächere Teuerungsraten infolge der Digitalisierung nannte Weidmann eine höhere Produktivität durch technischen Fortschritt, die zu niedrigeren Produktionskosten führe. „Herrscht auf dem Markt genügend Wettbewerb, sollten mit den Kosten auch die Preise sinken“
, sagte er. Darüber hinaus führe die größere Preistransparenz durch Onlinehändler und Vergleichsportale zu stärkerem Wettbewerb, was Druck auf Margen und Preise ausübe.
Neben möglichen dämpfenden Effekten des digitalen Wandels auf die Preisentwicklung ging Weidmann auch auf mögliche gegenläufige Wirkungen ein. Dahinter könnten dominante "Superstar"-Firmen stehen, etwa Onlineanbieter informationsbasierter Güter. Ihre Angebote verursachten meist hohe einmalige Kosten, aber kaum weitere Kosten je Nutzer, so Weidmann. Zunehmende Skalenerträge entstünden auch bei sozialen Medien oder Plattformen, die Anbieter und Nachfrager zusammenbringen. „Im Laufe der Zeit setzen sich daher oft einzelne Unternehmen durch“
, sagte Weidmann. „Mit ihrer gewonnenen Marktmacht können sie dann erhöhte Preise und Margen einstreichen.“
Inflation und ihre Messung
Bislang blieb der inflationsdämpfende Effekt der Digitalisierung wohl eher gering, wie Weidmann erläuterte. Einfluss nehme der digitale Wandel aber auch auf die Messung der Teuerung. So könnten Preise im Onlinehandel auf Knopfdruck oder vollautomatisch durch Algorithmen geändert werden. „Häufig wechselnde und stark schwankende Preise sind jedoch eine Herausforderung für die Statistiker“
, sagte Weidmann. Es genüge nicht mehr, einmal im Monat den Preis eines Produkts zu erheben. Dadurch werde die Inflationsmessung aufwendiger. Zugleich schaffe die Digitalisierung neue Möglichkeiten der Messung wie die automatisierte Preiserhebung im Internet.
Digitale Infrastruktur ausbauen
In seiner Rede ging der Bundesbankpräsident auch auf die Rahmenbedingungen für Unternehmen zur Nutzung des Potenzials der Digitalisierung ein. Viele digitale Technologien setzten beispielsweise den Zugang zu schnellem Internet voraus. Hier hinke Deutschland anderen Industriestaaten hinterher. „Speziell der Ausbau des Glasfasernetzes kommt hierzulande nur schleppend voran“
, sagte er. Während im OECD-Durchschnitt rund jeder vierte Breitbandanschluss auf Glasfaserleitungen für besonders schnelles Internet beruhe, seien es in Deutschland gerade 2 Prozent. „Umso wichtiger ist es, dass Deutschland seine digitale Infrastruktur nun konsequent ausbaut“
, sagte Weidmann.