Jens Weidmann ©Frank Rumpenhorst

Weidmann: Die Geldpolitik braucht wieder mehr Spielraum

Bundesbankpräsident Jens Weidmann sieht im Brexit und im internationalen Handelskonflikt die größten Risiken für die Konjunktur in Deutschland. In einer Rede in Mannheim appellierte er an die Politik, die Konflikte zu lösen. „Beide Gefahren […] sind politischer Natur, und beide müssen daher auch von der Politik entschärft werden“, sagte Weidmann. Zudem wies Weidmann darauf hin, beim Prozess der geldpolitischen Normalisierung nicht unnötig Zeit zu verlieren. „Denn die Geldpolitik braucht wieder mehr Spielraum, um in Zukunft auf einen unerwarteten konjunkturellen Einbruch reagieren zu können“, sagte er. Im Gegensatz zu den USA habe die Normalisierung der Geldpolitik im Euroraum gerade erst vorsichtig begonnen.

Gesamtwirtschaftliches Wachstum hält an

Die Schwächephase der deutschen Wirtschaft dürfte Weidmann zufolge länger andauern als bislang gedacht. „Entgegen unserer Prognose vom Dezember dürfte sich die Wachstumsdelle bis ins laufende Jahr erstrecken. Aus heutiger Sicht wird deshalb die deutsche Wirtschaft 2019 vermutlich deutlich unterhalb der Potenzialrate von 1½ Prozent wachsen“, sagte Weidmann. Noch im Dezember war die Bundesbank von 1,6 Prozent ausgegangen. Dennoch warnte Weidmann vor Schwarzmalerei. „Weder sehe ich einen plötzlichen Einbruch, noch kann ich eine längere Phase spürbar rückläufiger Wirtschaftsaktivität erkennen“, sagte er. Das Wachstum in Deutschland fuße auf einem starken Fundament aus günstigen Finanzierungsbedingungen, zunehmender Beschäftigung und steigenden Löhnen.

Wachstumskräfte stärken

Weidmann forderte zudem die Regierungen im Euroraum auf, die Wirtschaftsstrukturen wettbewerbsfähiger zu gestalten. „Für eine dauerhafte Anhebung des Wachstumspfads müssen die Weichen in der Wirtschafts-, Sozial- und Steuerpolitik richtig gestellt werden", sagte er. „Manche schielen ja auf die Zentralbanken, wenn es darum geht, für mehr Wachstum zu sorgen. Aber die Geldpolitik kann keine Strukturprobleme lösen“, so Weidmann. Geldpolitik könne lediglich die Konjunktur etwas anschieben oder abbremsen, wenn es für stabile Preise auf mittlere Sicht erforderlich ist.

Währungsunion reformieren

In seiner Rede nahm Weidmann auch Bezug auf den 20. Geburtstag des Euro am 1. Januar. Das Gründungsversprechen einer stabilen Währung sei mit einer Inflationsrate von 1,7 Prozent im Durchschnitt der vergangenen 20 Jahre eingelöst worden. Gleichzeitig forderte er Reformen der Währungsunion, um diese dauerhaft krisenfest zu machen. „Die Währungsunion braucht einen stimmigen Rahmen, was Zuständigkeiten und Haftung betrifft. Leitmotiv sollte die Einheit von Handeln und Haften sein.“ Als gutes Beispiel dafür, wie sich Solidarität und Solidität vereinen lassen, nannte Weidmann den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). Die von den Staats- und Regierungschefs der Euroländer im Dezember beschlossene Stärkung des ESM hielt Weidmann im Grundsatz für sinnvoll. Damit der ESM den neuen Ansprüchen auch gerecht werden könne, müsse er aber mit den nötigen Befugnissen ausgestattet werden. Als Beispiel nannte er die Überwachung der Staatshaushalte im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts.

Vollendung der Bankenunion

Eine gemeinsame Einlagensicherung könne zwar die Glaubwürdigkeit des Einlegerschutzes in Europa durchaus erhöhen. Damit Handeln und Haften in einer Hand liegen und Fehlanreize vermieden werden, müssten aber mehrere Voraussetzungen erfüllt sein. Als Beispiel nannte Weidmann, dass Banken hohe Bestände an heimischen Staatsanleihen hielten, die sie nicht oder kaum mit Eigenkapital unterlegen müssten. Damit ketteten sie sich quasi an die Solvenz des Staates. Um diesen Staaten-Banken-Nexus dauerhaft zu durchbrechen, sollte die Sonderbehandlung von Staatsanleihen in der Bankenregulierung beendet werden. „Es wäre ein Fehler, eine gemeinsame Einlagensicherung einzuführen, bevor nicht alle Voraussetzungen dafür erfüllt sind“, so Weidmann.