Weidmann: Derzeitig angestrebtes Inflationsziel ist angemessen

Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat die angestrebte mittelfristige Teuerungsrate im Euroraum verteidigt. "Ich bin überzeugt, dass das Inflationsziel von unter, aber nahe 2 Prozent im Euroraum angemessen bleibt", sagte Weidmann bei einer gemeinsamen Konferenz von Bundesbank und Banque de France in Paris. Bei der Veranstaltung diskutierten Ökonominnen und Ökonomen unter anderem die Frage, ob Notenbanken ihr Inflationsziel anheben sollten. Weidmann warnte in seiner Rede vor den Folgen, die eine solche Anhebung für die gesamtwirtschaftliche Stabilität haben könnte. Er zeigte sich darüber hinaus überzeugt, dass der Euroraum sich im Hinblick auf die Inflationsentwicklung auf dem richtigen Weg befinde.

Stabiles Gleichgewicht in Gefahr

Die Befürworter eines höheren Inflationsziels argumentieren, dass damit der Handlungsspielraum für die Geldpolitik in Krisenzeiten erweitert würde, indem der Sicherheitsabstand zur Zinsuntergrenze erhöht werde. Weidmann erläuterte in seiner Rede, warum dieser Effekt geringer ausfallen könne, als von den Befürwortern erhofft. Bei einem höheren Inflationsziel reagierten auch die Unternehmen vorausschauender und erhöhten entsprechend ihre Preise. Dadurch sinke jedoch die relative Bedeutung der Produktionsgrenzkosten und damit auch der gesamtwirtschaftlichen Produktionslücke. Letztlich führe dies dazu, dass die kurzfristige Phillips-Kurve flacher werde und die Inflationsrate damit weniger stark auf Veränderungen der aktuellen Wirtschaftsleistung reagiere, so Weidmann. Für eine gegebene Änderung der Inflationsrate müsse die Zentralbank ihre Zinsen dann umso stärker verändern. "Sie verliert damit einen Teil des zusätzlichen Handlungsspielraums, der durch das höhere Inflationsziel gewonnen wurde", erklärte der Bundesbankpräsident.

Weidmann warnte außerdem davor, dass ein höheres Inflationsziel zu einer sogenannten Entankerung der Inflationserwartungen führen könnte. Was damit gemeint ist, erklärt die Bundesbank in ihrem jüngsten Monatsbericht. Die Inflationserwartungen spielen eine große Rolle für die tatsächliche Inflationsentwicklung. Sind die Erwartungen nicht fest verankert – entsprechend der von Zentralbanken angestrebten Teuerung – erschwert dies die Stabilisierung der Inflationsrate.

Kein Aufruf zum Rosinenpicken

Weidmann ging in seiner Rede außerdem auf aktuelle Entwicklungen in der Geldpolitik ein. Er verwies dabei auf die jüngsten Projektionen des Eurosystems für den Euroraum. Diese gingen davon aus, dass die Kerninflationsrate, die die Preise für Energie und Nahrungsmittel nicht berücksichtigt, von 1,1 Prozent in diesem Jahr auf 1,9 Prozent im Jahr 2020 steigen werde. Die Gesamtinflationsrate werde zwischen 2018 und 2020 bei 1,7 Prozent liegen. "Aber auch diese Zahl wäre im Groben mit unserer Definition von mittelfristiger Preisstabilität vereinbar", sagte Weidmann.

Ein weiteres Indiz dafür, dass sich die Inflation auf einem nachhaltigen Pfad hin zur Zielvorstellung des EZB-Rats bewege, ist laut Weidmann der Vergleich des Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) mit Inflationsmaßen, die selbst genutztes Wohneigentum im Warenkorb berücksichtigten. Er wies darauf hin, dass im HVPI, der die Grundlage für die Messung der Inflationsrate in Euroraum darstellt, die Kosten für selbst genutztes Wohneigentum – anders als im Verbraucherpreisindex in den USA– nicht enthalten seien. Studien hätten gezeigt, dass Maße, die neben den Mietpreisen auch selbst genutztes Wohneigentum mit einbezögen, für den Euroraum eine etwas höhere Inflationsrate auswiesen als die offizielle Rate der vergangenen Jahre. Dies sei natürlich kein Aufruf zum Rosinenpicken bei der Wahl der Inflationsmaße, stellte Weidmann klar. "Das wäre ein todsicherer Weg, um die Glaubwürdigkeit zu gefährden", warnte der Bundesbankpräsident.

Den Stein ins Rollen bringen

Weidmann zeigte sich zuversichtlich, dass der Euroraum sich im Hinblick auf die Inflationsentwicklung auf dem richtigen Weg befinde. Der EZB-Rat hatte am vergangenen Donnerstag signalisiert, die Nettokäufe von Staatsanleihen und anderen Wertpapieren zum Ende des Jahres beenden zu wollen. "Die Nettokäufe zu beenden ist voraussichtlich nur der erste Schritt auf einem mehrjährigen Weg einer graduellen geldpolitischen Normalisierung. Und genau deshalb war es so wichtig, den Stein ins Rollen zu bringen", sagte Weidmann.

Bei der Konferenz in Paris sprach auch der französische Notenbankpräsident François Villeroy de Galhau und ging dabei auf die fiskalischen Probleme einzelner Euro-Länder ein. Die Bruttostaatsverschuldung in der Eurozone sei seit 2007 von 65 Prozent auf 85 Prozent der Wirtschaftsleitung gestiegen, so Villeroy de Galhau. "Wir können die Unsicherheit, die von anderen politischen Entscheidungsträgern geschaffen wurde, nicht vollständig mit geldpolitischen Mitteln kompensieren, noch können wir ihre Auswirkungen vollständig ausgleichen", sagte Villeroy de Galhau. Er bekannte sich dazu, dass der EZB-Rat auch weiterhin alles Notwendige tun werde, um sein Mandat der Preisstabilität zu erfüllen.