Jens Weidmann ©Frank Rumpenhorst

Weidmann: „Der geldpolitische Kurs ist zurzeit angemessen“

Bundesbankpräsident Jens Weidmann sieht derzeit keinen Anlass, von der letzten geldpolitischen Einschätzung abzurücken, und mahnt zur Vorsicht, Entscheidungen vorwegzunehmen, die jetzt nicht anstünden: „Der geldpolitische Kurs ist zurzeit angemessen“, sagte Weidmann in einem Interview mit der Börsen-Zeitung. Nach dem Einbruch im Frühjahr sei die Wirtschaft in den vergangenen Monaten schneller als erwartet gewachsen, und das Vertrauen in das Basisszenario der Prognose habe zugenommen. „Ein gewisses Wiederaufflackern des Infektionsgeschehens wäre durchaus im Einklang mit unserer Prognose.“ 

PEPP sollte nicht zur Dauereinrichtung werden

Weidmann äußerte sich auch zu Erwartungen an den Finanzmärkten bezüglich einer erneuten Aufstockung und Verlängerung des Notfallankaufprogramms PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme), das die Europäische Zentralbank (EZB) und die übrigen Notenbanken des Eurosystems im März in Folge der Corona-Pandemie beschlossen hatten. Das Programm hat ein angestrebtes Kaufvolumen von 1,350 Billionen Euro. „Ich würde zur Vorsicht mahnen, Entscheidungen vorwegzunehmen, die jetzt nicht anstehen und erst diskutiert werden müssen“, sagte Weidmann. Zudem betonte er, das PEPP dürfe nicht zur Dauereinrichtung werden: „Wir haben das PEPP als außergewöhnliches Kriseninstrument beschlossen. Das wurde klar kommuniziert, und dabei sollte der EZB-Rat verlässlich bleiben. […] Das heißt für mich, wenn die Krise vorüber ist, sollte das PEPP eingestellt werden.

Mit Blick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtmäßigkeit des bereits 2015 aufgelegten Staatsanleihekaufprogramms PSPP (Public Sector Purchase Programme) betonte Weidmann die Bedeutung der Merkmale und Garantien, mit denen das PSPP ausgestattet ist, und warnte: „Wenn man die Grenzen jetzt großflächig aufweichen würde, könnte sich ein juristisches Problem ergeben.“ Die Flexibilität beim PEPP stehe in engem Zusammenhang damit, dass es einen klar begrenzten Zweck habe und auf die Krisenphase beschränkt sei.

Inflationsziel verständlich und realistisch formulieren

Im Hinblick auf die Überprüfung der geldpolitischen Strategie sieht Weidmann die Definition von Preisstabilität und die Formulierung des Politikziels des EZB-Rats im Mittelpunkt der Diskussion. „Hier setze ich mich dafür ein, dass wir unser Ziel verständlich und realistisch formulieren. Wir sollten nicht den Eindruck erwecken, als könnten wir die Inflation in einem bestimmten Quartal punktgenau steuern“, so Weidmann. Zudem müsse der EZB-Rat prüfen, ob die Inflation richtig gemessen werde. Es gebe zum Beispiel gute Gründe, selbstgenutztes Wohneigentum in den Harmonisierten Verbraucherindex aufzunehmen.

Weidmann sieht Euroaufwertung gelassen

Relativ gelassen sieht der Bundesbankpräsident die jüngste Aufwertung des Euro und die Folgen für die Konjunktur. „Das würde ich nicht überbewerten. Wir sollten die Entwicklung des Euro nicht isoliert von den treibenden Faktoren betrachten“, so Weidmann. Die Euroaufwertung habe unter anderem mit einer expansiveren US-Geldpolitik zu tun, aber auch mit der besseren konjunkturellen Entwicklung im Euroraum und dem positiven Signal, das von den EU-Maßnahmen gegen die Krise ausging.

Zudem sollten die Marktteilnehmer aus dem beherzten Eingreifen der Notenbanken im Frühjahr nicht die Schlussfolgerung ziehen, dass die Notenbanken immer in die Bresche sprängen. „Die Notenbanken haben gehandelt, weil die wirtschaftlichen Verwerfungen eine Gefahr für die Preisstabilität bedeuteten“, so Weidmann. Er sieht aber perspektivisch das Problem, dass der Anstieg der Staatsverschuldung das Risiko der fiskalischen Dominanz viel akuter werden ließe: „Der Druck auf die Notenbanken könnte zunehmen, in Zukunft die Zinsen und damit die Finanzierungskosten der Staaten niedrig zu halten, auch wenn das aus geldpolitischer Sicht nicht mehr angezeigt ist. Wir müssen deshalb sehr klar machen, dass wir die Geldpolitik nicht in den Dienst der Fiskalpolitik stellen.