Weidmann: Ausnahme von US-Zöllen kein Sieg für einen freien Welthandel

Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat die Entscheidung der USA begrüßt, die Europäische Union zunächst von den jüngst in Kraft getretenen Zöllen auf Stahl und Aluminium auszunehmen. Dies reduziere das Risiko einer Eskalation des derzeitigen Handelskonflikts, sagte Weidmann bei einer Rede in Wien. "Trotzdem ist das kein Sieg für einen freien Welthandel", fügte er hinzu, denn die Strafzölle gegenüber anderen Ländern, die sich keine bevorzugte Behandlung sichern konnten, blieben bestehen.

Weidmann sprach sich dafür aus, das multilaterale Handelssystem zu stärken und auszubauen. "Ziel muss es sein, nicht bloß neue Handelsbarrieren zu verhindern oder möglichst niedrig zu halten, sondern bestehende Barrieren abzubauen", so Weidmann. Bei der Veranstaltung verlieh Ewald Nowotny, Gouverneur der Österreichischen Nationalbank, dem Bundesbankpräsidenten das Große Goldene Ehrenzeichen mit dem Stern für Verdienste um die Republik Österreich.

Geldpolitische Normalisierung rückt näher

Mit Blick auf die derzeit gute wirtschaftliche Lage im Euroraum bezeichnete Weidmann Markterwartungen, die von einer ersten Zinsanhebung etwa zur Mitte des Jahres 2019 ausgehen, als "nicht ganz unrealistisch". Zwar sei der Preisdruck im Euroraum weiterhin verhalten. In ihren aktuellen Projektionen gingen die Fachleute der Europäischen Zentralbank aber davon aus, dass die Inflationsrate bis 2020 auf 1,7 Prozent steigen werde. Dieser Wert sei mit der mittelfristigen Definition von Preisstabilität "im Großen und Ganzen vereinbar", sagte Weidmann. Vor diesem Hintergrund überrasche es nicht, dass an den Finanzmärkten seit einiger Zeit mit einem Ende der Netto-Anleihekäufe noch 2018 gerechnet werde.

Asymmetrische Währungsunion anfällig für Krisen

Weidmann ging in seiner Rede auch auf die Debatte um eine institutionelle Reform der Währungsunion ein. Er halte es für einen Fehler, die Diskussion um den EU-Finanzrahmen auf die Fragen der Nettozahlungen an den EU-Haushalt zu reduzieren, so der Bundesbankpräsident. "Es wäre sinnvoller, zuerst zu klären, welche Aufgaben die Europäische Union in Zukunft übernehmen soll, welche Aufgaben der Mitgliedstaaten vielleicht zurückgegeben werden könnten und wo Einsparungen möglich sind", sagte Weidmann. Erst danach sollte geklärt werden, wie die Gemeinschaftsaufgaben finanziert würden.

Nach Auffassung Weidmanns ist der Euroraum verglichen mit 2010 heute deutlich besser aufgestellt. Ein Schock wie die Griechenland-Krise träfe den Euroraum heute nicht mehr so unvorbereitet, sagte er. "Dauerhaft krisenfest ist die Währungsunion aber noch nicht", mahnte der Bundesbankpräsident. Er begrüßte deshalb, dass der französische Staatspräsident Emmanuel Macron mit seinen Reformvorschlägen neuen Schwung in die Debatte gebracht habe.

"Wer mithaften soll, muss auch mitbestimmen können"

Eine Vergemeinschaftung von Risiken, die in nationaler Verantwortung entstanden sind, wäre aus Sicht Weidmanns ein falsches Signal. Zunächst müsse ein deutlicher Fortschritt beim Abbau von Altrisiken erzielt werden, forderte er. Dazu gehören laut Weidmann die Bestände an notleidenden Krediten sowie die Bestände an Staatsanleihen in den Bankbilanzen. "Solange nationales Handeln das Wohl und Wehe von Banken weiter maßgeblich beeinflussen kann, gibt es kaum Spielraum, die Mithaftung von Sparern und Steuerzahlern aus anderen Ländern auszuweiten", so der Bundesbankpräsident. Nur wenn die Einheit von Haften und Handeln gewahrt bleibe, könne ein stabiler Ordnungsrahmen entstehen, in dem sich die Geldpolitik auf ihr Mandat konzentrieren könne, den Geldwert stabil zu halten. "Denn es tut ihr auf Dauer nicht gut, immer wieder als Krisenfeuerwehr ausrücken zu müssen", sagte Weidmann.