Weidmann: "Anleihekäufe sind ein Notfallinstrument"

Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat sich dafür ausgesprochen, geordnet aus dem Anleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) auszusteigen. Um unnötige Turbulenzen an den Finanzmärkten zu verhindern, sei ein Ausschleichen des Programms notwendig. Dies müsse entsprechend kommunikativ begleitet werden, sagte Weidmann in einem Interview mit der Börsen-Zeitung. Aus geldpolitischer Sicht sehe er derzeit keinen akuten Handlungsbedarf, das Kaufprogramm abermals fortzuschreiben. Für ihn seien Staatsanleihekäufe nur ein Notfallinstrument.

Nicht ständig mehr Gas geben

Aus Sicht des Bundesbankpräsidenten bleibt selbst bei einem Zurückfahren der Wertpapierkäufe die geldpolitische Ausrichtung im Euroraum sehr expansiv. Der Bestand an Wertpapieren in den Bilanzen der Notenbanken, der für den Expansionsgrad entscheidend sei, bleibe weiterhin sehr hoch. Die Geldpolitik werde die Konjunktur und die Preisentwicklung deshalb noch eine ganze Weile stützen. "Wir würden nur nicht ständig mehr Gas geben", so Weidmann.

Im Rahmen ihres Anleihekaufprogramms hat sich die EZB eigene Regeln auferlegt. So darf sie nicht mehr als ein Drittel einer Anleihe beziehungsweise der Anleihen eines Emittenten kaufen. Außerdem müssen die Käufe nach dem EZB-Kapitalschlüssel auf die Länder verteilt werden. Nach Einschätzung Weidmanns sind diese Regeln sehr wichtig, um die Unabhängigkeit der Notenbanken nicht zu gefährden. Seines Erachtens wird über eine Änderung der Parameter teilweise leichtfertig diskutiert. Dies sei mit erheblichen negativen Folgen verbunden. "Auch im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, das Staatsanleihekaufprogramm dem EuGH zur Prüfung vorzulegen, scheint im Übrigen eine deutliche Skepsis durch", so der Bundesbankpräsident.

Diskussion um höheres Inflationsziel schwächt Regeleinhaltung

Weidmann äußerte sich zudem zu der Diskussion, das Inflationsziel der EZB von derzeit zwei auf drei bis vier Prozent zu erhöhen. Dies wird in der Wissenschaft, aber auch in einigen Zentralbanken, immer wieder diskutiert. Laut Weidmann würde ein höheres Inflationsziel aber letztlich keinen Ertrag bringen, da dem vorübergehend stimulierenden Effekt niedrigerer Realzinsen dauerhaft gestiegene Kosten der Inflation gegenüber stünden. Und es könne sogar dazu führen, dass es für Notenbanken schwerer werde, die Inflationserwartungen zu steuern, da man ihnen unterstellen könnte, den 'Trick' zu wiederholen. "Der eigenen Glaubwürdigkeit zuliebe sollte man diese Diskussion führen, wenn man das Ziel erreicht, und nicht, wenn man es noch verfehlt", sagte Weidmann im Weiteren insbesondere mit Blick auf den Euroraum.

Neue Bedrohung durch Cyberangriffe

Im Hinblick auf die nunmehr zehn Jahre zurückliegende Finanzkrise zeigte sich Weidmann überzeugt, dass das Finanzsystem heute robuster aufgestellt sei als vor der Krise. Gleichzeitig gäbe es neue Bedrohungen, etwa durch Cyberangriffe. "Was uns als Finanzaufsicht derzeit stark umtreibt, sind gestiegene Verwundbarkeiten – von Staaten, Banken und Unternehmen – bei einem möglichen Zinsanstieg", sagte Weidmann. Er warnte deshalb davor, bestehende Regulierungsvorschriften wieder zurückzunehmen. Es sei entscheidend, dass gemeinsame Vereinbarungen auch umgesetzt würden – "und zwar nicht nur dem Wort, sondern auch dem Geist nach".

Herausforderungen für die Bankenaufsicht

Weidmann nahm in dem Interview auch Stellung zu den Auswirkungen eines Brexits für die Bankenaufsicht. Mit dem Austritt Großbritanniens aus der EU kämen Institute nach Frankfurt, die nicht nur sehr große, sondern auch sehr komplexe Bilanzen hätten. "Das wird uns als Aufseher vor neue Herausforderungen stellen", sagte Weidmann. Die Bundesbank und die EZB verstärkten deshalb ihre Aufsichtskapazitäten.