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Warum netto nicht gleich netto ist – die Abgabenlast auf Arbeitseinkommen im internationalen Vergleich

Wie ist die Abgabenlast auf Arbeitseinkommen zu bewerten? Darüber wird in Deutschland häufig diskutiert. Eine hohe Abgabenlast dämpft die Erwerbsanreize und verstärkt potenziell die wirtschaftlichen Schwierigkeiten infolge von Fachkräftemangel und demografischer Alterung. Der aktuelle Monatsberichtsaufsatz untersucht daher die einzelnen Komponenten der Abgabenquote näher und beleuchtet die deutsche Abgabenlast im internationalen Vergleich. 

Netto ist nicht gleich netto: Der steuernahe Teil der Abgabenquote unterscheidet sich vom vorsorgenahen Teil 

Die Diskussion über die Abgabenquote auf Arbeitseinkommen fokussiert zumeist auf die Abgabenquote insgesamt. Diese setzt sich aber aus unterschiedlichen Komponenten zusammen. Eine differenzierte Betrachtung der Abgabenquoten leistet einen wichtigen Beitrag, um die Abgabenlasten besser interpretieren zu können, so die Autorinnen und Autoren des Berichts. Dies gelte sowohl für eine rein national ausgerichtete Analyse als auch für internationale Vergleiche. 

Der Monatsberichtsaufsatz teilt die Abgabenlast deswegen in zwei Komponenten auf, den sogenannten vorsorgenahen und den steuernahen Teil. Steuernah sind Abgaben, denen künftig keine persönlich zurechenbaren Gegenleistungen des Staates gegenüberstehen – etwa die Lohnsteuerzahlungen. Unter den vorsorgenahen Teil fallen diejenigen Rentenbeiträge, denen bei höheren Beitragszahlungen künftig auch höhere Rentenansprüche gegenüberstehen. Sie verringern zwar zunächst den Nettolohn wie die Steuern. Gleichzeitig erhöhen sie die Rentenansprüche der Versicherten. Solche äquivalenzorientierten Rentenbeiträge haben laut den Autorinnen und Autoren des Berichts häufig eher den Charakter einer Anlage in eine obligatorische Altersvorsorge als den einer Lohnsteuerzahlung. Sie sollten damit auch die Erwerbsanreize weniger stark dämpfen als Steuern.

Die Autorinnen und Autoren, weisen darauf hin, dass die „spitzen“ quantitativen Ergebnisse in diesem Aufsatz nicht überinterpretiert werden sollten: Die äquivalenzorientierten Rentenbeiträge werden hier schematisch und stark vereinfachend auf Basis von OECD-Informationen ermittelt. Daher könnte die Methode künftig verfeinert werden. Der Aufsatz verdeutlicht gleichwohl, dass der vorsorgenahe Teil der Abgabenlast in vielen Ländern gewichtig ist. 

Wie sich die Abgaben auf Steuern und Sozialbeiträge aufteilen, unterscheidet sich zwischen den Ländern deutlich. Dies hat nicht zuletzt historische Gründe. So finanzieren insbesondere angelsächsische und skandinavische Länder Sozialleistungen vorranging über Steuern. Andere europäische Länder finanzieren dagegen Sozialleistungen stärker über Sozialversicherungen. Deutschland finanziert seine soziale Sicherung deutlich überdurchschnittlich über Sozialbeiträge. 

Die steuernahe Abgabenlast ist in vielen Ländern spürbar geringer als die Gesamtabgabenlast

Da in vielen Ländern die vorsorgenahen Komponenten in den Rentenbeiträgen laut dem Bericht erheblich ausfallen, liege die steuernahe Abgabelast deutlich niedriger als die Gesamtabgabenlast. Im Durchschnitt der betrachteten Länder falle die steuernahe Abgabenlast durch die Rentenbeiträge um 15 Prozentpunkte niedriger aus als die Gesamtlastquote. So liege die steuernahe Abgabenquote für kinderlos Alleinstehende mit Durchschnittsverdienst bei rund 27 Prozent, während die Gesamtabgabenquote rund 41 Prozent betrage. Bei Paaren mit einem Durchschnittsverdienst und zwei Kindern liege die steuernahe Quote bei rund 15 Prozent, gegenüber rund 30 Prozent für die Gesamtabgabenquote.

Das gilt auch für Deutschland, wobei Deutschland sowohl für die steuernahe Abgabenquote als auch die Gesamtabgabenquote im Ländervergleich einen relativ hohen Wert aufweist

Auch in Deutschland sei die steuernahe Abgabenquote deutlich niedriger als die Gesamtabgabenquote. Der Abstand liege in etwa im Durchschnitt der betrachteten Länder. Dabei seien in Deutschland die steuernahe Abgabenquote und die Gesamtabgabenquote im Ländervergleich überdurchschnittlich hoch. Dies gelte insbesondere für Alleinstehende und Haushalte mit zwei Verdienenden. Bei Mehr-Personen-Haushalten mit nur einem Verdienst falle die relative Position günstiger aus.

Deutschland schneidet in den OECD-Vergleichen als ein Land mit einer relativ hohen Abgabenlast ab. Die kinderlos alleinstehende Person mit Durchschnittsverdienst in Deutschland hat nach Belgien die zweithöchste Belastung. Für einen Vier-Personen-Haushalt mit einem Durchschnittsverdienst und zwei Kindern ist die Belastung in Deutschland absolut und relativ niedriger. Ehegattensplitting, Kindergeld und beitragsfreie Mitversicherung in der Krankenversicherung entlasten in Deutschland beträchtlich. Vier-Personen-Haushalte mit zwei Verdiensten sind in Deutschland im Ländervergleich hingegen wieder hoch belastet. Die steuernahe Abgabenquote liege in Deutschland um 15 Prozentpunkte niedriger als die Gesamtabgabenquote – der Unterschied zwischen den Quoten liege damit im Durchschnitt der betrachteten Länder. So liege die steuernahe Abgabenquote für kinderlos Alleinstehende mit Durchschnittsverdienst bei rund 33 Prozent, während die Gesamtabgabenquote rund 48 Prozent betrage. Bei Paaren mit einem Durchschnittsverdienst und zwei Kindern liege die steuernahe Quote bei rund 19 Prozent, gegenüber rund 34 Prozent für die Gesamtabgabenquote.

Wichtig, dass Versicherte dem Rentensystem vertrauen

Im Hinblick auf die Bewertung der vorsorgenahen Beiträge durch die Versicherten ist entscheidend, dass diese unter anderem Vertrauen in die langfristige Tragfähigkeit des Rentensystems haben. Dies sei eine Voraussetzung dafür, dass der Rentenbeitrag tatsächlich eher als Altersvorsorge, denn als Steuer wahrgenommen werde. Vor diesem Hintergrund sei wichtig, das Rentensystem finanziell tragfähig aufzustellen. Die Versicherten sollten zudem ausreichend über ihre künftigen Ansprüche sowie den Zusammenhang zu ihren Beiträgen informiert sein. Für Länder mit umlagefinanzierten Systemen sei nicht zuletzt ein solider gesamtwirtschaftlicher Pfad wichtig. Dieser bestimme wesentlich die Höhe des Rentenanspruchs, der den Beiträgen gegenüberstehe. Die Wirtschafts- und Finanzpolitik ist auch deshalb gefordert, für günstige Standortbedingungen und Wachstumsperspektiven zu sorgen, schreiben die Fachleute in ihrem Bericht.