Vor der Krise: Gestresste Banken bieten für Zentralbankgeld mehr

Zu spät, zu laut, zu voll – viele Menschen kennen das Gefühl, gestresst zu sein. Spätestens seit Beginn der Finanzkrise ist immer wieder die Rede davon, dass sogar Banken unter "Stress" stehen – doch was ist eine gestresste Bank? Und wie können Bankenprüfer herausfinden, ob eine Bank unter Stress leidet?

 Experten der Frankfurt School of Finance and Management und der Deutschen Bundesbank dieser Frage in dem Diskussionspapier "How stressed are banks in the interbank market?" nachgegangen. Die Fragen beantwortete Puriya Abbassi, Mitarbeiter des Zentralbereichs Finanzstabilität und des Forschungszentrums der Deutschen Bundesbank.

Wann sind Banken "gestresst"?

Gestresste Banken sind nicht dazu in der Lage, sich über den Interbankenhandel zu refinanzieren. Andere Banken vertrauen nicht mehr in ihre Solvenz. Sie leihen ihnen entweder gar kein Geld mehr, oder nur dann, wenn sie dafür hohe Risikoaufschläge zahlen. Gestresste Banken leiden daher unter Liquiditätsengpässen. Sie halten nicht genug eigenes Geld bereit, um den Anforderungen an ihre Ausstattung mit Liquidität  zu genügen.

Was sind die Folgen?

Die Finanzkrise zeigt beispielhaft, wozu Banken-Stress im schlimmsten Fall führen kann: Nach der Pleite der Lehman-Investmentbank brach zusammen, was die Finanzindustrie bis dahin am Laufen gehalten hatte: das Vertrauen in die Solvenz der Mitspieler. In Folge dieses Vertrauensverlustes kam der Interbankenmarkt praktisch zum Erliegen. Der Stresspegel stieg an. Banken  waren kaum noch dazu in der Lage, sich über Geschäfte mit anderen Kreditinstituten zu refinanzieren. Nach Lehman folgten viele weitere Bankenpleiten. Innerhalb eines Jahres weitete sich die bis dahin auf die USA beschränkte Entwicklung zu einer weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise aus und griff nach und nach auf alle Bereiche der Weltwirtschaft über: Staaten, Banken, Unternehmen und private Haushalte waren betroffen.

Wie lässt sich herausfinden, wie gestresst eine Bank ist?

Die Zahlungswilligkeit von Banken in Hauptrefinanzierungsgeschäften mit Zentralbanken gibt einen Hinweis darauf, ob eine Bank gestresst ist. Hauptrefinanzierungsgeschäfte sind eine Art Auktion der Zentralbanken, über die sich Banken mit Liquidität versorgen können. Die Banken zahlten dabei - im Untersuchungszeitraum unserer Studie - gemäß ihren eigenen Geboten. Gestresste Banken boten für Zentralbankgeld mehr  als Banken, die nicht gestresst waren. Schließlich konnten sie sich oftmals nur schwerlich über Geschäfte mit anderen Banken im Interbankhandel refinanzieren und litten unter Liquiditätsengpässen.  

Wie sind Sie zu diesem Ergebnis gekommen?

Dazu haben wir das Bietverhalten aller Banken im Euroraum, für die Daten verfügbar waren, in den Jahren 2005 bis 2008 analysiert.  Wir haben untersucht, ob die Banken, die bei den Hauptrefinanzierungsgeschäften zahlungswilliger waren, sich Zentralbankgeld häufiger über die Spitzenrefinanzierungsfaszilität besorgen mussten. Und tatsächlich: Banken, die gezwungen waren, diese teurere  Möglichkeit der Geldbeschaffung zu nutzen, gaben höhere Gebote ab.  Die Spitzenrefinanzierungsfazilität der Zentralbanken gewährt Geschäftsbanken die Möglichkeit , Liquidität kurzfristig  - praktisch über Nacht - aufzunehmen. Im Untersuchungszeitraum lag der Zinssatz  in der Spitzenrefinanzierungsfazilität 100 Basispunkte über dem Mindestbietungssatz in den Hauptrefinanzierungschäften und damit typischerweise deutlich über den Durchschnittszinssätzen am Interbankengeldmarkt.  Für gestresste Banken aber war dies häufig der teurere und insbesondere letzte Weg, um an Geld zu kommen.

Wie können Ihre Ergebnisse in die bankaufsichtliche Praxis einfließen?

Die Zahlungswilligkeit von Banken in Hauptrefinanzierungsgeschäften kann einen Hinweis darauf geben, ob Banken unter Stress stehen – sie dient also als eine Art Frühindikator. Ein solcher Hinweis kann beispielsweise Bankenaufsehern dienen: Sie müssen beurteilen, wie viel Stress auf dem Bankenmarkt herrscht, um etwa die Gefahr einer künftigen Krise besser einschätzen zu können. Allerdings muss man dazu sagen, dass sich die die Vergabe von Zentralbankgeld seit dem Zeitraum der Untersuchung deutlich geändert hat. Damals boten Banken für Zentralbankliquidität und mussten diese gemäß ihrer Gebote bezahlen. Seit der Finanzkrise ist das anders.

Die Autoren des Diskussionspapiers sind Falko Fecht (Frankfurt School of Finance and Management), Patrick Weber (Frankfurt School of Finance and Management) und Puriya Abbassi (Deutsche Bundesbank). Die hier vertretene Meinung spiegelt nicht zwangsläufig die der Bundesbank oder ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wider.