Verhaltene Aussichten der Weltwirtschaft beschäftigen IWF-Jahrestagung

Die Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) vom 8. bis 11. Oktober in Lima steht im Zeichen deutlich eingetrübter Aussichten für die Weltwirtschaft. Wie aus dem jüngst veröffentlichten "World Economic Outlook" hervorgeht, hat sich das globale Wirtschaftswachstum im ersten Halbjahr 2015 verlangsamt. Für das laufende Jahr reduzierte der IWF seine Prognose für das globale Wachstum von zuvor 3,3 % auf nunmehr 3,1 %. Im Vorjahr war die Weltwirtschaft noch um 3,4 % gewachsen.

In den entwickelten Ökonomien wird das Wachstum nach IWF-Einschätzung im Vergleich zum Vorjahr leicht an Fahrt aufnehmen. In den Entwicklungs- und Schwellenländern geht der Fonds dagegen davon aus, dass die konjunkturelle Dynamik das fünfte Jahr in Folge nachlassen wird. Hauptursache dafür sind die nach Auffassung des IWF die schwächeren Aussichten einiger großer Schwellenländer sowie der erdölexportierenden Staaten.

Die Perspektiven für den Euro-Raum und die USA schätzt Bundesbankpräsident Jens Weidmann positiv ein. Die Konjunkturerholung setze sich hier weiter fort, sagte Weidmann in einem Interview mit der Zeitung "Die Welt" vor Beginn der Tagung. Zwar seien die Auftragseingänge aus Ländern außerhalb des Euro-Raumes zuletzt schwächer ausgefallen. "Aber die Binnenwirtschaft und die Exporte in den Rest des Euro-Raumes laufen weiterhin gut", sagte er.

Strukturreformen an erster Stelle

Bundesbank-Vorstandsmitglied Andreas Dombret unterstrich in einem Pressegespräch im Vorfeld des Jahrestreffens, dass ein geringes Potenzialwachstum der Weltwirtschaft insgesamt durch kurzfristige, stimulierende Maßnahmen nicht nachhaltig erhöht werden könne. "Wenn es darum geht, die mittelfristigen Wachstumsperspektiven zu verbessern, sollten Strukturreformen an erster Stelle stehen", sagte Dombret. Eine zentrale Herausforderung bleibe, die hohe öffentliche Verschuldung zu verringern.

Die Abwärtsrisiken für das Wachstum sind nach Aussage des IWF gestiegen. Als wichtige Faktoren nennen die Ökonomen sinkende Rohstoffpreise, geringerer Kapitalflüsse in Schwellenländer und Druck auf deren Währungen sowie zunehmende Schwankungen an den Finanzmärkten. Dombret wies darauf hin, dass sich die gesunkenen Rohstoffpreise in Ländern, die Rohstoffe importierten, positiv auf die Konjunktur auswirkten. "In der Gesamtschau dürften die Risiken für die Weltwirtschaft aber überwiegen", so das Bundesbank-Vorstandsmitglied.

Keine gesamtwirtschaftliche Krise in China

In China erwartet der IWF eine schrittweise Abkühlung der Konjunktur. Dies stehe "weitgehend im Einklang mit den Vorhersagen", so der Währungsfonds. Die grenzüberschreitenden Auswirkungen fielen dagegen stärker aus als bislang vorausgesehen, heißt es im halbjährlichen "World Economic Outlook". Laut Bundesbank-Vorstandsmitglied Dombret hat sich die chinesische Konjunktur zuletzt abgeschwächt. "Eine gesamtwirtschaftliche Krise in China zeichnet sich aber nicht ab", betonte er. Der Kursverfall an den chinesischen Börsen hat nach seiner Auffassung nur geringe Auswirkungen auf die Realwirtschaft und die Finanzstabilität in China. "Mögliche negative Vertrauenseffekte auf andere Schwellenländer und die Weltwirtschaft sind allerdings schwer abzuschätzen", warnte Dombret. Als besonders wichtig hob er eine transparente Wirtschafts- und Finanzpolitik in China hervor. Dies gebe anderen Ländern die Möglichkeit, angemessen auf die Entwicklung dort zu reagieren, sagte Dombret.

Reservewährung muss alle Kriterien erfüllen

Offen zeigte sich das Bundesbank-Vorstandsmitglied für eine Aufnahme der chinesischen Währung Renminbi in den Währungskorb für Sonderziehungsrechte (SZR). "Die bisherigen Liberalisierungsschritte Chinas sind anerkennenswert", sagte Dombret. Entscheidend sei, dass China die Kriterien für eine Aufnahme des Renminbi vollständig erfülle. "Insbesondere muss sichergestellt sein, dass der Renminbi vom IWF als frei verwendbare Währung anerkannt werden kann", so Dombret.

Gegenwärtig setzt sich der Währungskorb aus US-Dollar, Euro, japanischem Yen sowie britischem Pfund zusammen. Das Gewicht einer Währung am gesamten Währungskorb richtet sich nach dem Anteil des entsprechenden Währungsraumes am Weltexport. Zusammensetzung und Gewichtung werden alle fünf Jahre vom Exekutivdirektorium des IWF neu festgelegt, das nächste Mal bei der diesjährigen Jahrestagung. Bereits im November 2015 könne der IWF die Aufnahme des Renminbi beschließen, sagte Dombret vor dem Treffen. Die technische Umsetzung würde zum Oktober 2016 erfolgen.

Lima statt Washington

Auf der Agenda des Gouverneurstreffens des IWF stehen 2015 vor allem administrative Fragen wie das Budget und die Ausübung von Kontrollpflichten. Mit der globalen politischen Agenda befasst sich der Währungs- und Finanzausschuss des IWF (IMFC). Die Finanzminister der 20 bedeutendsten Industrie- und Schwellenländer (G20) nutzen die IWF-Jahrestagung, um Steuerfragen zu erörtern. Die Bundesbank nimmt gemeinsam mit dem Bundesministerium der Finanzen die Rechte und Pflichten Deutschlands im IWF wahr. In seiner Funktion als Bundesbankpräsident ist Jens Weidmann Deutschlands Vertreter im Gouverneursrat.

Das Jahrestreffen des IWF findet alle drei Jahre nicht am Stammsitz des IWF in Washington, D.C., sondern in einem der Mitgliedsländer statt. Veranstaltungsort im Jahr 2012 war die japanische Hauptstadt Tokio, im Jahr 2018 wird die Jahresversammlung auf der indonesischen Insel Bali stattfinden.