Studie: Geldpolitik kann Risikobereitschaft von Banken erhöhen
Übermäßige Risiken in den Bilanzen von Finanzinstituten haben 2008 zum Ausbruch der Finanzkrise geführt. Ökonomen beschäftigen sich seitdem unter anderem mit der Frage, inwieweit die Geldpolitik diese Entwicklung befördert hat. Ein wichtiger Ansatzpunkt ist dabei der sogenannte Risikoneigungskanal. Er beschreibt einen Mechanismus, nach dem Finanzinstitute bei einem niedrigen Zins verleitet werden, sich in risikoreicheren Anlagen zu engagieren. In einem aktuellen Diskussionspapier des Forschungszentrums der Bundesbank haben Angela Abbate, Mitarbeiterin des Forschungszentrums, und Dominik Thaler vom European University Institute diesen Wirkungskanal untersucht.
Anhand der Analyse von US-Zeitreihen zeigen Abbate und Thaler zunächst, dass ein Risikoneigungskanal tatsächlich besteht, also Leitzinsveränderungen grundsätzlich auch Einfluss auf das Risikoverhalten von Banken haben. Mithilfe eines sogenannten dynamischen Gleichgewichtsmodells gehen die Autoren dann der Frage nach, inwieweit sich geldpolitische Maßnahmen in einem veränderten Anlagerisiko der Banken niederschlagen.
Anreiz zum Risiko
Zur Finanzierung von Projekten sammeln Banken im Modell Kapital bei ihren Eigentümern und bei ihren Kunden ein. Gegenüber den Kunden genießt die Bank dabei einen Informationsvorsprung: Sie allein entscheidet; welches Projekt mit welchem Risiko sie finanziert. Je riskanter eine Anlage ist, umso höher fällt dieser mögliche Ertrag aus. Im Erfolgsfall profitiert sie unbegrenzt von Erträgen, ihre Haftung ist jedoch auf ihren Eigenkapitalbeitrag begrenzt. Einleger können die Anlageentscheidung ihrer Bank weder beobachten noch beeinflussen. Dies führt dazu, dass Banken einen Anreiz haben, übermäßig riskante Entscheidungen zu fällen.
Ein weiterer Faktor verstärkt die Risikobereitschaft von Banken zusätzlich: Eigenkapital ist für eine Bank bei der Finanzierung teurer als Kundeneinlagen, da es in voller Höhe verloren gehen kann. Einlagen dagegen sind bis zu einer bestimmten Höhe durch einen Einlagensicherungsmechanismus geschützt. Im Modell wird daher auf den Zinssatz für risikofreie Geldanlagen eine sogenannte Eigenkapitalprämie aufgeschlagen. Je niedriger das Zinsniveau insgesamt ist, umso stärker wirkt sich diese Prämie aus und verteuert Eigenkapital im Verhältnis zu Einlagen. Banken reagieren auf diese Veränderung mit einer Senkung ihres eigenen Finanzierungsanteils. Da damit auch ihre Haftung sinkt, verstärkt sich ihr exzessives Risikoverhalten bei der Finanzierung von Projekten.
Wie aus dem Diskussionspapier hervorgeht, wird die Finanzierung über Banken unter diesen Annahmen insgesamt ineffizienter, da aufgrund des erhöhten Risikos ein größerer Anteil der Projekte scheitert und damit zu einem nennenswerten Rückgang des Kapitalstocks führt.
Folgen für die Geldpolitik
Der Risikoneigungskanal führt nach den Erkenntnissen der Forscher dazu, dass eine geldpolitische Lockerung, also eine Leitzinssenkung, die geschilderten Verzerrungen an den Finanzmärkten verstärkt. Damit wirken sie den beabsichtigten positiven Effekten einer geldpolitischen Lockerung auf die Produktion entgegen. Um zu überprüfen, inwieweit Notenbanken den Risikoneigungskanal in ihren geldpolitischen Abwägungen berücksichtigen sollten, testen Abbate und Thaler ihr Modell anhand empirischer Daten aus den USA. Ihre Ergebnisse zeigen, dass sich das Modell gut auf die Daten anwenden lässt.
Mit ihrem Modell analysieren die Autoren schließlich, welche optimale Geldpolitik sich unter den gegebenen Bedingungen ableiten lässt. Dabei unterstellen sie, dass der Leitzins das einzige Instrument der Geldpolitik ist. Ihre Berechnungen zeigen, dass die Geldpolitik auf den Risikoneigungskanal der Banken mit einer Stabilisierung des Realzinses reagieren sollte. Indem eine Notenbank dabei stärkere Schwankungen der Inflationsrate in Kauf nimmt, so das Argument der Autoren, reduziert sie im Gegenzug wohlfahrtsschädliche Schwankungen, die mit den Risikoentscheidungen der Banken einhergehen. Wohlfahrtsgewinne, die durch eine Berücksichtigung des Risikoneigungskanals durch die Notenbank entstehen, sind nach Berechnungen der Autoren ökonomisch signifikant. Abbate und Thaler stellen jedoch auch fest, dass andere Maßnahmen, beispielsweise Kapitalregeln, besser geeignet sein könnten, Verzerrungen bei der Projektfinanzierung zu beseitigen.
Die Arbeit des Forschungszentrums der Bundesbank dient vorrangig der Entwicklung und Festigung wissenschaftlicher Kompetenz in den Bereichen Volkswirtschaft, Bankwesen und Finanzstabilität. Seine Erkenntnisse unterstützen die Entscheidungsfindung der Zentralbank und tragen zum guten Ruf der Bundesbank in akademischen Kreisen wie auch bei anderen politischen Institutionen bei. Diskussionspapiere repräsentieren die persönliche Meinung ihrer Autoren. Sie spiegeln nicht notwendigerweise die Ansichten der Bundesbank oder ihrer Mitarbeiter wider.
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