Studie: Finanzpolitik mit geringem Einfluss auf Wirtschaftsentwicklung in anderen Euro-Ländern
Im Zuge der Finanzkrise haben Regierungen weltweit ab dem Jahr 2008 umfangreiche staatliche Stimulusprogramme auf den Weg gebracht. Durch Steuersenkungen oder zusätzliche Ausgaben wollten sie in der Krise ihre Volkswirtschaften stärken. Bald darauf allerdings mussten viele Staaten Konsolidierungsmaßnahmen einleiten, weil sie zu hoch verschuldet waren.
Wie sehr hat die Fiskalpolitik in der globalen Finanzkrise die Entwicklungen der Wirtschaftsleistung in Deutschland und den übrigen Ländern des Euro-Raums beeinflusst? Und wie stark war der Einfluss deutscher Ausgabenprogramme auf die übrigen Länder des Euro-Raums? Diesen Fragen sind Niklas Gadatsch vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung sowie Klemens Hauzenberger und Nikolai Stähler (beide Bundesbank) in einer gerade veröffentlichten Studie „German and the Rest of Euro Area Fiscal Policy During the Crisis“ nachgegangen.
Breite Palette statistischer Daten
Für die Studie des Forschungszentrums der Bundesbank haben die Autoren ein makroökonomisches Modell entwickelt, das drei Regionen beinhaltet: Deutschland, den übrigen Euro-Raum und den Rest der Welt. In jeder dieser Regionen gibt es jeweils vier verschiedene Typen von Akteuren: Private Haushalte, Unternehmen, einen Staat als fiskalpolitischer Akteur und eine Notenbank. Für den Euro-Raum gibt es eine gemeinsame Geldpolitik. Davon abgesehen treffen die Akteure jeweils für sich Entscheidungen: Die Haushalte zum Beispiel verleihen ihre Ersparnisse an Unternehmen, investieren in Finanzanlagen im In- und Ausland, kaufen Konsumgüter und entscheiden, ob sie arbeiten oder nicht.
Im Vergleich mit anderen Modellen dieser Art bildet das Modell der Autoren unter anderem unfreiwillige Arbeitslosigkeit in den betroffenen Volkswirtschaften und eine komplexere internationale Struktur ab: Das heißt, dass die unterschiedlichen Regionen auf vielfältige Art und Weise miteinander verbunden sind, zum Beispiel durch Handel oder einen länderübergreifenden Finanzmarkt. Das theoretische Modell wird von den Autoren mit einer sehr breiten Palette von statistischen Daten, unter anderem von der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank und der Bundesbank, auf die tatsächliche Entwicklung in der Vergangenheit aufgesetzt.
Mit Hilfe des Modells können die Autoren den Beitrag der Fiskalpolitik auf die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts in den Regionen und den verschiedenen Ländern abschätzen. Dabei lassen sich auch die Einflüsse zwischen Deutschland und dem restlichen Euro-Gebiet ableiten – die so genannten Überwälzungseffekte. Außerdem berechnen die Autoren Multiplikatoren unterschiedlicher fiskalpolitischer Maßnahmen. Diese Multiplikatoren beziffern vereinfacht gesagt, wie stark in einem Land ein für zusätzliche Staatsausgaben oder Steuersenkungen eingesetzter Euro das Wirtschaftswachstum im eigenen oder in einem anderen Land beeinflusst. Maßnahmen, die auf Mehrausgaben des Staates basierten, erzielten dabei in der Regel höhere kurzfristige Effekte als etwa Maßnahmen wie Steuererleichterungen, die die Einnahmen des Staates verringerten und Haushalten sowie Unternehmen mehr Geld ließen.
Effekte eher begrenzt
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Fiskalpolitik während der Krise sowohl in Deutschland als auch im Rest des Euro-Raums expansiv gewirkt, also das Wirtschaftswachstum verstärkt hat. Allerdings hatten andere Faktoren, wie beispielsweise ein Nachfragerückgang nach europäischen Gütern im Rest der Welt oder unerwartete Zins- und Produktivitätsschwankungen, einen spürbar größeren Einfluss als die Fiskalpolitik.
Ein weiteres Ergebnis der Studie ist auch im Hinblick auf die aktuelle Diskussion im Euro-Raum interessant: Mitunter wird vorgeschlagen, Deutschland solle einen zusätzlichen konjunkturellen Stimulus setzen, um damit den Volkswirtschaften anderer Mitglieder im Euro-Raum kurzfristig zu mehr Wachstum zu verhelfen. Die Ergebnisse der Studie legen dagegen den Schluss nahe, dass die diesbezüglichen Effekte eher begrenzt sein dürften. Die Überwälzungseffekte von einer Region auf die andere innerhalb des Euro-Raums waren demnach zumindest in den vergangenen 15 Jahren gering.