Staatsschuldenkrisen besser bewältigen

Im Verlauf der Finanz- und Staatsschuldenkrise sind in der europäischen Währungsunion neue Mechanismen zur Koordination und zur Krisenbewältigung geschaffen worden. Damit wurde die gemeinschaftliche Haftung der Mitgliedstaaten ausgedehnt, während sie in ihrer Finanz- und Wirtschaftspolitik nach wie vor weitgehend eigenverantwortlich agieren. Dieses Auseinanderfallen von Haftung und Kontrolle setzt jedoch Fehlanreize für Akteure in der Politik und an den Finanzmärkten. In ihrem jüngsten Monatsbericht stellt die Bundesbank verschiedene Ansatzpunkte vor, die dazu beitragen könnten, die Eigenverantwortung zu stärken und künftige Staatsschuldenkrisen besser bewältigen und vermeiden zu können.

Seit dem Jahr 2012 steht der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) als permanenter Hilfsfonds bereit, um einem Mitgliedstaat mit akuten Finanzierungsproblemen vorübergehende Liquiditätshilfen gewähren zu können, wenn die Finanzstabilität der Währungsunion gefährdet ist. Dadurch bekommt ein Staat mehr Zeit für die notwendigen wirtschafts- und finanzpolitischen Reformen, um eine nachhaltige Finanzsituation wiederherzustellen. Hierfür wird mit dem Mitgliedstaat ein zielgerichtetes Reform- und Anpassungsprogramm vereinbart, das auch die Rückzahlung der Finanzhilfen gewährleisten soll. Grundsätzlich darf der Fonds nur dann Mittel bereitstellen, wenn es sich um vorübergehende Liquiditätsprobleme handelt und der Staat nicht grundlegend zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist. Dies unter potenziell großem Zeitdruck bei akuten staatlichen Finanzierungsproblemen zu unterscheiden, ist häufig nicht einfach.

Derzeit finanziert der ESM sowohl laufende Defizite als auch umfangreiche Tilgungen von Staatsanleihen, die im Laufe des Programms fällig werden. Auf diese Weise werden Investoren aus der Haftung entlassen und umfangreiche Risiken auf die Steuerzahler übertragen. Zudem wird das zur Verfügung stehende Finanzvolumen stark aufgezehrt. Um diese Probleme zu verringern, schlägt die Bundesbank unter anderen vor, künftig die Ausgestaltung staatlicher Anleiheemissionen zu ändern.

Entscheidungen bei gesicherterem Ausblick treffen

Die Bundesbank-Ökonomen raten, bereits in die Anleihebedingungen aufzunehmen, dass die Laufzeiten von Staatsanleihen automatisch um beispielsweise drei Jahre verlängert werden, sobald für einen Mitgliedstaat ein ESM-Programm vereinbart wird. Anpassungsmaßnahmen würden vereinbart und kontrolliert umgesetzt, die Anleihegläubiger blieben aber weiter in der Haftung. Die Entscheidung im Hinblick auf eine unter Umständen erforderliche Umschuldung der Staatsanleihen könnte im weiteren Verlauf des Programms gefällt werden, wenn sich die gesamtwirtschaftlichen und fiskalischen Aussichten des Mitgliedstaates klarer abzeichnen. Nach Einschätzung der Bundesbank wird sich der Mitteleinsatz des ESM für ein einzelnes Hilfsprogramm dadurch erheblich reduzieren. Seine Schlagkraft und Glaubwürdigkeit als Stabilisierungsmechanismus werde so gestärkt, heißt es im Monatsbericht.

Einigung erleichtern

Zusätzlichen Anpassungsbedarf sehen die Ökonomen bei den Umschuldungsklauseln für Anleihen. So berge das 2013 eingeführte standardisierte Verfahren das Risiko, dass einzelne Investoren, die einen hinreichend großen Anteil einer Anleiheserie erworben haben, eine Restrukturierung ihrer Anleihe blockierten und auf eine vollständige Erfüllung der Forderungsansprüche hinwirken könnten. Die damit verbundenen Fehlanreize könnten laut Bundesbank durch die Einführung sogenannter einstufiger Aggregationsklauseln erheblich verringert werden. Mit einer solchen Klausel könnte eine qualifizierte Mehrheit der Gläubiger eine für alle Gläubiger verbindliche Schuldenrestrukturierung auslösen. Damit würde das Vorgehen im Fall einer unvermeidbaren Umschuldung vereinfacht und beschleunigt. Gläubiger müssten dann nicht mehr befürchten, dass die Umschuldungslasten aus einer Blockade einzelner Investoren auf die übrige Gläubigergemeinschaft verlagert werden.

Geordneten und transparenten Ablauf sicherstellen

Für den Fall einer festgestellten staatlichen Überschuldung sei es sinnvoll, vorab ein verlässliches und transparentes Vorgehen festzulegen, heißt es im Monatsbericht weiter. In seiner derzeitigen Ausgestaltung sei der ESM nämlich nicht darauf angelegt, eine Restrukturierung zu begleiten, die gleichwohl für die Auszahlung von Finanzhilfen erforderlich sein kann. Das könnte durch eine Reform behoben werden, so die Bundesbank-Ökonomen. Ein geordneteres Verfahren könnte Planungssicherheit schaffen und dazu beigetragen, Reibungsverluste, die gesamtwirtschaftlichen Kosten und somit auch einen Schuldenschnitt selbst so gering wie möglich zu halten. Im Rahmen eines geordneten Verfahrens könnten dem ESM erforderliche Koordinierungsaufgaben übertragen werden. Hierzu müssten die Rechte und Pflichten zwischen den Staaten, Gläubigern und dem ESM festgeschrieben und eine Abfolge der einzelnen Verfahrensschritte mit einem konkreten Zeitplan festgelegt werden, so die Bundesbank im Monatsbericht.

Die vorgeschlagenen Reformen können nach Ansicht der Autoren die Eigenverantwortung der Mitgliedstaaten stärken, die gemeinschaftliche Haftung begrenzen und die Schlagkraft des ESM deutlich erhöhen. So würden künftige Staatsschuldenkrisen eher vermieden. Jedoch stellten sie keine unmittelbare oder einfache Lösung für die teilweise sehr hohe Staatsverschuldung der Mitgliedstaaten dar. Wie die Bundesbank in ihrem Bericht betont, müssten die Staaten die Zeit nutzen, um den ohnehin verabredeten Konsolidierungskurs umzusetzen und ihre Staatsfinanzen krisenfester zu machen. Gleichzeitig müssten zudem noch weitere Reformen umgesetzt werden, die darauf abzielten, die negativen Wechselwirkungen zwischen Schieflagen im Finanzsystem und den Staatsfinanzen nachhaltig zu begrenzen.