Joachim Nagel ©Frank Rumpenhorst

Nagel: Zentralbanken dürfen weder zu wenig noch zu spät reagieren

Bundesbankpräsident Joachim Nagel hat davor gewarnt, dass die Notenbanken zu wenig oder zu spät auf die aktuell hohen Inflationsraten reagieren. „Wenn die Geldpolitik hinter die Kurve gerät, könnten noch stärkere Zinserhöhungen erforderlich werden, um die Inflation unter Kontrolle zu bringen“, sagte er bei der Frühjahrskonferenz, die die Bundesbank gemeinsam mit der Banque de France in Eltville am Rhein ausrichtete. „Dies hätte deutlich höhere wirtschaftliche Kosten zur Folge“, so Nagel.

Laut Nagel sind die Inflationserwartungen von Haushalten und Firmen in Deutschland etwas weniger verankert als noch vor einem Jahr. Dies sei beunruhigend. „Wir müssen den privaten Haushalten und Unternehmen klar und zeitnah signalisieren, dass wir entschlossen sind, Preisstabilität zu gewährleisten. Solche Signale tragen zu niedrigeren Inflationserwartungen bei und helfen, die Inflation wieder auf ihr Zielniveau zu bringen“, so der Bundesbankpräsident. In der Konferenz ging es im Kern um Geldpolitik und die Erwartungen von Haushalten und Unternehmen.

Haushalte und Unternehmen erwarten höhere Inflation

Seit April 2020 erhebt die Bundesbank monatlich die Erwartungen von privaten Haushalten in Deutschland zur Inflation und anderen wirtschaftlichen Größen; seit Juli 2021 auch die von Unternehmen. An den Online-Panels nehmen monatlich 2.000 bis 5.000 Individuen beziehungsweise etwa 3.000 Unternehmen teil. Im Mai 2022 erwarteten die Haushalte in Deutschland demzufolge für die kommenden fünf Jahre eine Inflation von durchschnittlich 5,3 Prozent. Die Erwartungen hätten damit zum zweiten Mal infolge die 5 Prozentmarke überschritten, sagte Nagel. Zu Beginn der Pandemie hätten die Inflationserwartungen noch etwas unter 4 Prozent gelegen. Auch die mittelfristigen Inflationserwartungen der Unternehmen seien gestiegen. Im Mai 2022 lagen sie bei durchschnittlich 4,7 Prozent für die kommenden fünf Jahre. Die in den Online-Panels der Bundesbank gesammelten Daten deuteten darauf hin, dass Risiken für die Preisstabilität bestünden, so Nagel.

Nagel: Erhöhte Inflation darf sich nicht verfestigen

Nagel ging in seiner Rede auch auf die jüngsten geldpolitischen Entscheidungen des EZB-Rats ein. Der Rat hatte in seiner Sitzung am 9. Juni beschlossen, die Nettokäufe im Rahmen des Anleihekaufprogramms APP (Asset Purchase Programme) zum 1. Juli zu beenden. Darüber hinaus kündigte er an, die Leitzinsen im Euroraum im Juli um 25 Basispunkte anheben zu wollen. Im September solle dann ein weiterer Zinsschritt folgen. Das Ausmaß dieser Zinserhöhung werde von den aktualisierten mittelfristigen Inflationsaussichten abhängen, erklärte Nagel bei der Konferenz. „Sind die Inflationsaussichten unverändert oder verschlechtern sie sich weiter, wird eine höhere Anhebung angemessen sein“, fügte er hinzu. „Als Mitglieder des EZB-Rates müssen wir sicherstellen, dass sich die erhöhte Inflation mittelfristig nicht verfestigt.“

Villeroy: Wir müssen mehr zuhören und mit Entschlossenheit antworten

Bei der Konferenz sprach auch der französische Notenbankgouverneur François Villeroy de Galhau. Die Notenbanken müssten mehr zuhören und mit Entschlossenheit antworten, sagte er. Befragungen von privaten Haushalten und Unternehmen spielten dabei neben ökonomischen Modellen eine wichtige Rolle, da sie mehr Klarheit darüber verschafften, wie diese ihre Erwartungen – wie etwa über die Inflationsentwicklung – bildeten.

Villeroy de Galhau betonte, die Selbstverpflichtung des EZB-Rats, die Inflation mittelfristig wieder auf das Ziel von zwei Prozent zu bringen, sei laut und klar. Ebenso wie Nagel unterstrich er, dass die weiteren geldpolitischen Entscheidungen davon abhingen, wie sich die wirtschaftlichen Daten entwickeln. „Unsere Maßnahmen werden gut erklärt und in den Erwartungen der Unternehmen und Haushalte verankert sein“, so der französische Notenbankgouverneur.