Braunkohletagebau und Windräder ©Rupert Oberhäuser / picture alliance

Monatsbericht: Wie die Klimapolitik Aktienkurse beeinflusst

CO2-Preise und Pfade der Treibhausgasemissionen in ausgewählten Szenarien
Im aktuellen Monatsbericht haben die Fachleute der Bundesbank untersucht, wie sich klimapolitische Maßnahmen auf die Aktienkurse von Unternehmen auswirken. Unter Verwendung von Projektionen eines Klimamodells des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung verglichen sie die Auswirkungen eines Szenarios, das im Einklang mit den Pariser Klimazielen steht (konsistent mit einer Erderwärmung von 1,5 Grad bis zum Jahr 2100 gegenüber dem Zeitraum 1850–1900) mit den Folgen der Umsetzung bisheriger nationaler Klimaschutzzusagen (vergleichbar mit einer Erderwärmung von 2,4 Grad). In dem zugrundeliegenden Klimamodell ist dabei der Preis für CO₂-Emissionen das zentrale Steuerungselement der Klimapolitik. Dabei wurde zunächst angenommen, dass die Finanzmärkte heute eine Umsetzung der derzeitigen nationalen Klimaschutzzusagen erwarten.[1] Verglichen werden sodann die aktuellen Aktienkurse mit denen, die sich nach einem Umschwung der Markterwartungen zu dem genannten Paris-konformen Szenario ergeben.

Die in den Analysen betrachteten 5.285 Aktiengesellschaften sind laut Bericht in 75 Ländern aus verschiedenen Weltregionen angesiedelt und produzieren dort unter den jeweiligen Klimaschutzpolitiken. Sie vereinen zusammen mehr als die Hälfte der globalen Aktienmarktkapitalisierung und sind für 17 bis 20 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Für die Berechnungen wurden die Unternehmen – und die ihnen zuzurechnenden Emissionen – jeweils einer von zwölf Regionen zugeordnet, in der die Muttergesellschaft ihren Sitz hat.

Großteil der Unternehmen muss nur geringe Verluste hinnehmen

Das Ergebnis ihrer Analysen: Bei Paris-konformer Dekarbonisierung und entsprechend stark steigenden CO2-Preisen muss ein Großteil der betrachteten Unternehmen nur mit geringen emissionsbezogenen Wertverlusten rechnen. Zugleich erleide in diesem Szenario „gut ein Zehntel der Kapitalisierung – 4,7 Billionen Euro oder 15 Prozent aller Unternehmen – Verluste über 50 Prozent des Unternehmenswertes“, schreiben die Fachleute. 78 Prozent der Aktienmarktkapitalisierung blieben hingegen von emissionsbezogenen Verlusten von mehr als 4 Prozent verschont.

Hohe Werteinbußen würden insbesondere die Aktienunternehmen erleiden, die im Verhältnis zu den erwarteten Dividenden hohe Kosten aus ihren verbleibenden Treibhausgasemissionen tragen müssen. Von Verlusten stark betroffen seien etwa Unternehmen mit einem Geschäftsschwerpunkt auf fossilen Energieträgern. „Für diese Unternehmen kann es auch bei einer Paris-konformen Emissionsverringerung zu einem Stranden kommen“, heißt es in dem Bericht. Von einem sogenannten Stranden eines Vermögenswertes vor dem Ende seiner – zum Investitionszeitpunkt erwarteten – ökonomischen Nutzungsdauer wird dann gesprochen, wenn ein Vermögenswert keinen wirtschaftlichen Ertrag mehr erzielen kann und damit einen kompletten Wertverlust erleidet.

Emissionsbezogener Wertänderungsindikator in sektoraler Betrachtung
Die beschriebenen Ergebnisse gelten für den Fall, dass die Unternehmen die Mehrkosten für die, nach Paris-konformer Dekarbonisierung, verbleibenden Treibhausgasemissionen nicht an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergeben können. Denn in diesem Fall würden die anfallenden Emissionskosten den Gewinn und entsprechend die Dividenden in vollem Umfang schmälern. Können die Unternehmen hingegen 80 Prozent ihrer Kosten weitergeben, wären nur 7 Prozent aller Unternehmen von Verlusten von mehr als der Hälfte des Unternehmenswertes betroffen.

Regionaler CO₂-Preis ist entscheidend

Verteilung der Bewertungseffekte von Aktienunternehmen
In sektoraler Hinsicht sei das potenzielle emissionsbezogene Kursverlustrisiko aus dem oben beschriebenen Umschwung der Erwartungen am höchsten bei Fluggesellschaften sowie in der Kohle-, Zement- und der Stahlindustrie. Vergleichsweise gering seien die potenziellen Einbußen hinsichtlich Marktkapitalisierung dagegen in der Automobilindustrie, im verarbeitenden Gewerbe, bei Dienstleistungen sowie im Bau und Anlagenbau. Neben den für die einzelnen Unternehmen erwarteten Dividenden und ihrem heutigen Treibhausgasausstoß sei der Verlauf des CO₂-Preises in der jeweiligen Region entscheidend für die emissionsbezogene Wertänderung des Unternehmens. Gemeinsam mit den projizierten Treibhausgasemissionen bestimme er darüber, wie sich die diesbezüglichen Kosten des Unternehmens in dem betrachteten Klimaszenario entwickelten.

„Klimabezogene Wertänderungen und die Frage eines klimabezogenen Strandens bestimmter Vermögenswerte dürften in Zukunft eine wichtige Rolle an den Finanzmärkten spielen“, schreiben die Fachleute. Mit Blick auf einen „grünen“ Strukturwandel beziehungsweise den Übergang in eine Niedrigkarbonökonomie könne ein Stranden bestimmter Geschäftsmodelle aber erforderlich sein, wenn es darum gehe, dass an den Finanzmärkten die Mittel für notwendige Investitionen effizient eingesetzt werden.

Fußnoten:

  1. Damit wird bereits eine optimistischere Annahme über die heutigen Markterwartungen getroffen als die Annahme, dass die Märkte derzeit von einer schlichten Fortführung des „Business as Usual“ ausgehen.