Frühling am Hamburger Hafen ©picture alliance/Westend61 | Kerstin Bittner

Monatsbericht: Inflationsrate bleibt überraschend hoch

Laut aktuellem Monatsbericht der Bundesbank hat die Omikron-Variante die deutsche Wirtschaft noch im Griff. Im Unterschied zu den vorangegangenen Wellen der Pandemie dürfte dabei nicht nur der Dienstleistungssektor durch Maßnahmen zur Eindämmung des Virus und Verhaltensanpassungen beeinträchtigt werden. Vielmehr könnten zudem Arbeitsausfälle die Wirtschaftsleistung merklich dämpfen, und zwar auch in anderen Bereichen. Folglich dürfte die deutsche Wirtschaftsleistung im Winterquartal 2022 abermals spürbar zurückgehen, so die Einschätzung der Expertinnen und Experten.

Wirtschaftsausblick nur wenig ungünstiger als erwartet

Die wirtschaftlichen Aussichten seien jedoch gut. „Angesichts der sehr guten Nachfragesituation dürfte die deutsche Wirtschaft im Frühjahr wieder kräftig Fahrt aufnehmen, sofern das Pandemiegeschehen abebbt und die Lieferengpässe weiter nachlassen“, heißt es in dem Bericht. Positive Impulse gingen dabei von der Industrie aus. Hier zeichne sich eine weitere Entspannung bei den Lieferengpässen ab, und die Nachfrage nach Industrieprodukten sei nach wie vor hoch. „Damit stellt sich der Wirtschaftsausblick aus heutiger Sicht trotz der erhöhten Belastungen durch die Pandemie und die hohe Teuerung nur wenig ungünstiger dar als in den Projektionen vom Dezember 2021 erwartet“, schlussfolgern die Fachleute. Zwar dürfte die Zuwachsrate des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2022 spürbar niedriger ausfallen, das grundlegende Aufwärtsszenario der deutschen Wirtschaft stehe aber nicht infrage.

Am Arbeitsmarkt habe die jüngste Welle der Pandemie kaum Spuren hinterlassen. Die Beschäftigung habe sich weiter erholt und die Arbeitslosigkeit sowie der Einsatz von Kurzarbeit seien durchaus erheblich gesunken. „Für das Winterquartal lassen die Frühindikatoren trotz der aktuell hohen Infektionsdynamik nur eine vergleichsweise milde Delle am Arbeitsmarkt erwarten“, heißt es in dem Bericht.

Verbraucherpreise steigen weiterhin außerordentlich kräftig

Einfuhr-, Ausfuhr-, Erzeuger- und Verbraucherpreise
Die Verbraucherpreise hierzulande sind zum Jahresbeginn 2022 abermals kräftig gestiegen. Und das, obwohl ein Sondereffekt wegfiel, der die Inflation im vergangenen halben Jahr nach oben getrieben hatte. So hatte die Bundesregierung den Mehrwertsteuersatz im zweiten Halbjahr 2020 für ein halbes Jahr verringert, um die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise abzufedern und die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Dadurch wurde die Inflationsrate im zweiten Halbjahr 2021 erhöht. Denn die Rate gibt die Veränderung des Verbraucherpreisindex zum Vorjahr an, in denen die Preise durch die Mehrwertsteuersenkung deutlich niedriger waren. Trotz des Wegfalls dieses sogenannten Mehrwertsteuer-Basiseffekts sei die Inflationsrate aber nur vergleichsweise wenig zurückgegangen, und zwar von 5,7 Prozent im Dezember auf 5,1 Prozent im Januar, schreiben die Fachleute in dem Bericht. Dabei hätte sich insbesondere Energie aufgrund deutlicher Tariferhöhungen für Gas und Strom stark verteuert. Auch die Preise für andere Komponenten des Harmonisierten Verbraucherpreisindex seien auf breiter Basis gestiegen. Ein Trend, der sich fortsetzen könnte: „In den kommenden Monaten dürfte der Preisauftrieb vor dem Hintergrund der deutlichen Teuerung auf den Vorleistungsstufen weiterhin hoch bleiben“, heißt es in dem Bericht. Auf diesen vorgelagerten Stufen ginge der Preisdruck von pandemiebedingten Lieferengpässen sowie gestiegenen Transportkosten und höheren Rohstoffpreisen aus.

Steigende Verbraucherpreise sind dem Bericht zufolge kein deutsches Phänomen. Die hohen Energiepreise hätten wesentlich dazu beigetragen, dass sich der weltweite Anstieg der Verbraucherpreise nochmals verstärkte. Der Preisauftrieb habe dabei in vielen Industrieländern an Breite gewonnen. „Ursächlich hierfür war, bei zugleich lebhafter Nachfrage, der hohe Kostendruck, der zunächst vor allem von den Preissteigerungen auf den vorgelagerten Produktionsstufen und für Transportleistungen ausging.“ Darüber hinaus habe sich in einigen Industrieländern bereits der Lohnanstieg verstärkt. „Vor diesem Hintergrund strafften viele Notenbanken ihren geldpolitischen Kurs oder stellten dies zumindest in Aussicht“, so die Fachleute der Bundesbank.

Wirtschaftliche Effekte eines höheren Mindestlohns

Im aktuellen Monatsbericht gehen die Fachleute auch auf mögliche wirtschaftliche Folgen der geplanten Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro je Stunde ein, die für Oktober 2022 geplant ist. Dieser beläuft sich seit dem 1. Januar 2022 auf 9,82 Euro je Stunde und wird ab Juli 10,45 Euro betragen. „Dieser politische Eingriff in die Lohnfindung würde die Verdienste in den unteren Entgeltgruppen spürbar anheben und auch auf die darüber liegenden Lohnsegmente merklich ausstrahlen“, schreiben die Fachleute hierzu. Ihren Berechnungen zufolge wird die Lohnsumme durch die Anhebung im kommenden Herbst um 0,8 Prozent höher liegen.

Auswirkungen der Mindestlohnanhebung auf 12 Euro*)

Abweichungen von der Basislinie in %

Position

2023

2024

Bruttolöhne und -gehälter1)

+ 0,84

+ 0,89

Arbeitsvolumen

- 0,29

- 0,19

Reales BIP

+ 0,02

- 0,01

HVPI

+ 0,06

+ 0,14

*) Basierend auf einer Simulation mit dem makroökonome-trischen Modell und unterstellter Mindestlohnerhöhung zum 1. Oktober 2022.
1) Inkl. modellendogener Rückkopplungseffekte. Je Arbeitnehmerstunde.

Wenn man die historischen Beziehungen zugrunde lege, seien die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen der Anhebung wohl überschaubar, so die Expertinnen und Experten. Im gegenwärtigen Umfeld hoher Inflationsraten sei allerdings nicht auszuschließen, dass sich die höheren Löhne in stärkerem Ausmaß in den Preisen niederschlagen. Den Berechnungen zufolge würden die Verbraucherpreise aufgrund der höheren Lohnkosten nach und nach steigen. Im Jahresdurchschnitt 2024 dürften sie rund eineinhalb Zehntel Prozent über der Basislinie liegen, nach vier Jahren dürften sie etwa ein Viertel Prozent höher liegen. Als Basislinie nahmen die Fachleute hierbei die zuletzt erstellten gesamtwirtschaftlichen Projektionen der Bundesbank an. Das BIP steigt den Berechnungen zufolge zunächst geringfügig. Dieser geringe positive Effekt, der durch die gestiegene inländische Nachfrage ausgelöst wird, werde aber schon bald gedämpft. Denn die höheren inländischen Produktionskosten verringerten die preisliche Wettbewerbsfähigkeit, wodurch die Exporte sinken. Dies kompensiere den positiven Effekt.