Monatsbericht: Impulse aus Digitalsektoren sind für Entwicklung der Arbeitsproduktivität entscheidend
Welche Bedeutung hat die Digitalisierung für das Wachstum der gesamtwirtschaftlichen Arbeitsproduktivität? Das ist die zentrale Frage eines Aufsatzes im aktuellen Monatsbericht der Bundesbank. Die Fachleute der Bundesbank untersuchen darin für Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien sowie die Vereinigten Staaten, wie sich der digitale Wandel zwischen 1997 und 2018 auf die Arbeitsproduktivität auswirkte. Ihr Ergebnis: Produktivitätsimpulse, die von den digitalen Sektoren ausgehen, sind mitunter sehr kräftig. Dabei spielen Vorleistungsverflechtungen zwischen Wirtschaftssektoren eine wichtige Rolle.
Warum ist die Arbeitsproduktivität für die Wirtschaft so wichtig?
Die Arbeitsproduktivität, definiert als das Verhältnis von Produktion zu Arbeitseinsatz, stellt eine zentrale ökonomische Kennziffer dar. Trendverläufe der Arbeitsproduktivität geben Hinweise auf das wirtschaftliche Wachstumspotenzial von Volkswirtschaften. Aufgrund ihrer engen Verbindung zum Pro-Kopf-Einkommen wird die Arbeitsproduktivität deshalb häufig auch als Wohlstandsmaß interpretiert. Seit Längerem fallen die Produktivitätszuwächse in vielen Industrieländern nur noch gering aus, trotz der raschen Verbreitung digitaler Technologien. Diesen wird gemeinhin das Potenzial bescheinigt, die Arbeitsproduktivität nachhaltig zu steigern.
Digitalsektoren von großer Bedeutung
Ausgangspunkt der Betrachtung sind Effizienzfortschritte der Arbeitsproduktivität in den Digitalsektoren. Dort fallen diese Fortschritte regelmäßig deutlich größer aus als im Rest der Wirtschaft. Als Maß für die Effizienzsteigerungen dient den Fachleuten dabei die Entwicklung der totalen Faktorproduktivität (TFP). Sie erfasst den Anteil des Produktionswachstums, der nicht durch einen veränderten Einsatz von Arbeit oder Kapital erklärt werden kann, und spiegelt insbesondere den technologischen Fortschritt wider.
Mit Hilfe makroökonomischer Modelle untersuchen die Expertinnen und Experten der Bundesbank dann, welche Bedeutung die Effizienzgewinne in den Digitalsektoren für die gesamtwirtschaftliche Arbeitsproduktivität haben. Blenden sie die TFP-Fortschritte in den digitalen Sektoren aus, fiele das gesamtwirtschaftliche Wachstum der Arbeitsproduktivität deutlich schwächer aus – trotz des vergleichsweise geringen Anteils der Digitalsektoren an der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung. Für die Vereinigten Staaten gingen etwa sieben Zehntel des Produktivitätswachstums verloren. Auch in Deutschland und Frankreich wäre der Verlust mit der Hälfte beziehungsweise vier Zehnteln substanziell.
Bisherige Untersuchungen vernachlässigen digitale Vorleistungen
Ein weiteres Ergebnis der Analyse ist, dass digitale Vorleistungen eine sehr wichtige Rolle dabei spielen, wie sehr der digitale Wandel auf die Entwicklung der Arbeitsproduktivität einwirkt. Digitale Vorleistungen bezeichnen im Rahmen der Produktion verbrauchte, verarbeitete oder umgewandelte Digitalgüter – beispielsweise Mikroprozessoren. Bei Vernachlässigung der digitalen Vorleistungen wird der Beitrag der Digitalisierung zur Produktivitätsentwicklung erheblich unterschätzt, betonen die Fachleute. Denn der digitale Wandel wirkt über verschiedene Kanäle auf die Arbeitsproduktivität ein. Bisherige Untersuchungen stellen jedoch oftmals lediglich die Investitionen in Digitalgüter – etwa Computer-Hardware – als Wirkungskanal in den Mittelpunkt.
Hat die Pandemie die Digitalisierung befeuert?
Die Analyse der Fachleute zeigt zudem, dass die Wirkungskraft der Digitalisierung im beobachteten Zeitraum von 1997 bis 2018 an Schwung verloren hat. Hierfür gibt es eine Reihe von Erklärungsansätzen. Kritische Stimmen argumentieren etwa, dass digitale Technologien grundsätzlich weniger transformativ seien als gemeinhin unterstellt. Die Digitalisierung böte nicht das Potenzial für große Produktivitätssprünge wie frühere Innovationswellen, die zum Beispiel durch die Entwicklung der Dampfmaschine oder die Elektrifizierung ausgelöst wurden. Aus Sicht von „Technologieoptimisten“ ist der technologische Fortschritt grundsätzlich intakt. Dieser Gruppe zufolge braucht es allerdings Zeit, bis sich neue Technologien verbreiten, in Produktionsprozesse integriert werden und ihre volle Wirkung entfalten.
Ob es in der Folge des deutlichen Anstiegs in der Anwendung und Verbreitung digitaler Technologien während der Coronavirus-Pandemie zu einem Wendepunkt gekommen ist, gilt nun abzuwarten. Zumindest die Indikatoren der EU-Kommission zur Anwendung und Verbreitung digitaler Technologien zeigen einen deutlichen Anstieg während der Pandemie an. Inwieweit dies jedoch zu messbaren Effizienzsteigerungen führt, können die Fachleute derzeit noch nicht abschätzen. Befragungen von Unternehmen kommen diesbezüglich aber zu einer optimistischen Einschätzung.