Goldener Globus und Münzstapel vor einer Weltkarte ©MdKamrul (KI) / Adobe Stock

Monatsbericht: Globale Konjunktur bislang trotz straffer Geldpolitik robust

Die Energiepreise schossen in die Höhe, Lebensmittel kosteten deutlich mehr. Das Leben verteuerte sich Anfang des Jahres 2021 vielerorts schlagartig. Die Vorjahresrate des sogenannten Verbraucherpreisindexes (VPI), einem bekannten Maß für die Preisentwicklung, stieg für die Gruppe der Industrieländer bis Oktober 2022 auf 8,6 Prozent. Zwei Jahre zuvor waren es gerade einmal 0,7 Prozent gewesen. Im Euroraum erreichten die Teuerungsraten sogar zweistellige Werte. Auch in Schwellenländern verstärkte sich der Preisanstieg erheblich.  

Hinter dem Preisauftrieb in vielen Ländern stand zunächst eine hohe Nachfrage nach Waren. Dabei spielten umfangreiche geld- und fiskalpolitische Stützmaßnahmen eine wichtige Rolle. Da der Konsum sogenannter kontaktintensiver Dienstleistungen in der Pandemie nur eingeschränkt möglich war, etwa ein Restaurant- oder Friseurbesuch, erwarben die privaten Haushalte vermehrt Waren. Infolge dieser Nachfrageverschiebung stieg die globale Industrieproduktion erheblich an und der Welthandel erholte sich schnell und stark, heißt es in dem Bericht. Viele Unternehmen waren daraufhin nicht in der Lage, ihre Produktion an die hohe Nachfrage anzupassen. Dazu kamen Störungen der Lieferketten, ausgelöst beispielsweise durch Betriebs- oder Hafenschließungen, die zu einem Mangel an wichtigen industriellen Vorprodukten führten. In diesem Umfeld stark steigender Produktionskosten und hoher Nachfrage konnten insbesondere Unternehmen im Produzierenden Gewerbe ihre Gewinnaufschläge stark ausweiten, schreiben die Autorinnen und Autoren. 

Mit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine zogen zahlreiche Rohstoffpreise, vor allem für Energie und Nahrung, dann nochmal sprunghaft an. Hinzu kam, dass viele Menschen ihren Bedarf nach Dienstleistungen nach der Pandemie nachholten, wodurch die Preise für diese Leistungen stiegen. Vor dem Hintergrund stark ausgelasteter Arbeitsmärkte verstärkte sich schließlich auch das Lohnwachstum. Dies verlieh den Preisen zusätzlich Auftrieb. 

Zentralbanken reagieren auf Inflationshoch

Weltweit reagierten die Zentralbanken auf die hohen Inflationsraten – teils nach anfänglichem Zögern – mit massiven Straffungen ihrer Geldpolitik.

In der Theorie: Wie sich Wirtschaft, Inflation und Zinsen beeinflussen

Inflation bedeutet, dass die Verbraucherpreise für Waren und Dienstleistungen über längere Zeit steigen, sich also das allgemeine Preisniveau beständig weiter erhöht. Um die Inflation zu bekämpfen, können Zentralbanken wie das Eurosystem die Zinsen anheben. Dies verschlechtert die Finanzierungsbedingungen für Unternehmen und Privatpersonen. Größere Anschaffungen und Investitionen werden weniger attraktiv. Da weniger investiert und gekauft wird, sinkt die Nachfrage in der Wirtschaft. Eine restriktive Geldpolitik schwächt also in der Regel die Konjunktur. Unternehmen brauchen daher auch weniger Arbeitskräfte. Beschäftigte dürften nicht zuletzt deshalb weniger hohe Löhne verlangen. Eine schwächere Nachfrage bewegt Unternehmen tendenziell dazu, ihre Preise weniger stark anzuheben. Auf diesem Weg dämpft eine straffere Geldpolitik die Inflation. 

Das Federal Reserve System hob die geldpolitischen Zinsen in den Vereinigten Staaten innerhalb eines Zeitraums von anderthalb Jahren um 5,25 Prozentpunkte an. Im Euroraum stieg der Zinssatz für die Einlagefazilität von − 0,5 Prozent im Juni 2022 auf 4 Prozent im September 2023. Seither sanken die Inflationsraten weltweit erheblich. Diesen Prozess sinkender Inflationsraten nennen Expertinnen und Experten auch „Disinflation“. Gemessen an den historischen Erfahrungen wurden damit vergleichsweise schnell Erfolge bei der Inflationsbekämpfung erzielt, kommentieren die Expertinnen und Experten hierzu.

Wirtschaftliche Verluste fallen moderat aus

Die (…)  bemerkenswert schnelle Straffung der Geldpolitik hätte erhebliche realwirtschaftliche Bremsspuren erwarten lassen, heißt es im Monatsbericht. Tatsächlich fielen die gesamtwirtschaftlichen Verluste aber bisher moderat aus. Das Bruttoinlandsprodukt blieb im Euroraum zwar seit Ende 2022 merklich hinter seinem Trend zurück. Die gesamtwirtschaftlichen Produktionseinbußen fielen dem Bericht zufolge aber nicht größer aus als in früheren Disinflationsphasen. Dies ist bereits für sich genommen vor dem Hintergrund des überdurchschnittlich starken Inflationsrückgangs beachtenswert, schreiben die Expertinnen und Experten. Denn in der Vergangenheit gingen vergleichbar große Erfolge bei der Inflationsbekämpfung häufig mit Rezessionen einher. 

Der bislang vergleichsweise „schmerzlose“ Disinflationsprozess erklärt sich den Expertinnen und Experten zufolge zum einen durch Faktoren, die die Inflation überhaupt erst nach oben getrieben hatten. So fielen seither diverse durch die Pandemie bedingte Störungen der Produktionsprozesse weg. Zudem begünstigten sinkende Rohstoffpreise die Disinflation. Gleichzeitig verliehen sie der Konjunktur Aufwind. Schwere Wirtschaftseinbrüche blieben aber auch aus anderen Gründen weitgehend aus. So stärkten die in der Pandemie angesammelten Ersparnisse und Aufträge die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Zudem war die Fiskalpolitik vielerorts expansiv. Aufgrund dieser Entwicklungen, aber auch aufgrund ihrer Erfahrungen aus der Pandemie, stellten Unternehmen bis zuletzt weiter Arbeitskräfte ein.

Weitere Zinssenkungen sollten sorgfältig abgewogen werden

Doch wie geht es nun mit der Inflation und der Entwicklung der Wirtschaft weiter? Schließlich sind die Inflationsziele vieler Zentralbanken noch immer nicht vollumfänglich erreicht. Das Eurosystem strebt beispielsweise auf mittlere Sicht eine Inflationsrate von 2 Prozent an. Im Juni 2024 betrug die Inflationsrate im Euroraum jedoch noch 2,5 Prozent. Seit Jahresbeginn 2024 gab es mancherorts allenfalls noch kleinere Erfolge bei der Inflationsbekämpfung, heißt es in dem Bericht. Einige der Faktoren, die die Konjunktur stützen, erschweren laut Bundesbank-Expertinnen und Experten das Erreichen der Inflationsziele. Noch immer sind die Arbeitsmärkte stark ausgelastet, das Lohnwachstum lebhaft und insbesondere der Preisauftrieb bei Dienstleistungen kräftig. Gleichzeitig scheinen die Entlastungen von der Angebotsseite weitgehend ausgelaufen zu sein. Geopolitische Konflikte könnten die Inflation sogar wieder nach oben treiben. Mögliche weitere Zinssenkungen sollten daher sorgfältig mit Blick auf die aktuelle Datenlage abgewogen werden, schreiben die Expertinnen und Experten und raten zu einem datenabhängigen Vorgehen im Einklang mit der Kommunikation des EZB-Rats.