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Monatsbericht: Aussichten für den Winter trüben sich ein

Die Wirtschaftsleistung in Deutschland ist im Frühjahr 2022 auf der Stelle getreten. Im zweiten Quartal sta­gnierte das saisonbereinigte reale Bruttoinlands­produkt (BIP) gemäß Schnellmeldung des Statistischen Bundesamtes gegenüber dem Vor­quartal. Auf die Wirtschaft hätten im Frühjahr entgegengesetzte Kräfte gewirkt, heißt es dazu im aktuellen Monatsbericht der Bundesbank. Nachfrageseitig sei die Wirtschaft vor allem durch den privaten Kon­sum gestützt worden. Der Wegfall der Corona-Schutz­maßnahmen sei mit einem starken Anstieg der Konsumausgaben für zuvor eingeschränkte Dienstleistungen einhergegangen, schreiben die Fachleute. Auch von den Exporten seien positive Impulse gekommen. Die gewerblichen In­vestitionen in Ausrüstungen dürften sich wegen der hohen Unsicherheit und der Lieferengpässe nur wenig erhöht haben. Die Bauinvestitionen seien allerdings wohl kräftig gesunken.

Unsicherheiten und hohe Teuerung belasten Aussichten

Im Sommerquartal dürfte die deut­sche Wirtschaftsleistung nach derzeitiger Ein­schätzung daher abermals in etwa stagnieren. Aufhol- und Nachholeffekte bei der Inanspruch­nahme zuvor eingeschränkter Dienstleistungen dürften nach Einschätzung der Fachleute auch im Sommerquartal den privaten Konsum stützen. „Allerdings verringern die hohen Preissteigerungen die Kaufkraft der pri­vaten Haushalte weiter. Zudem lastet die Sorge über eine drohende Gasknappheit im Winter auf der Kauflaune“, schreiben sie. Der vom Marktfor­schungsinstitut GfK ermittelte Konsumklima­index sei zuletzt weiter gefallen. Insbesondere die Einkom­mens- und Konjunkturerwartungen hätten sich erneut deutlich eingetrübt.

Die hohen Energiepreise und die Sorge vor einer Gasknappheit hätten sich auch bei den Unternehmen bemerkbar gemacht. Der ifo Geschäfts­klimaindex sei im Juli im Vergleich zum Früh­jahr deutlich zurückgegangen. Insbesondere die Ge­schäftserwartungen seien kräftig gesunken und so niedrig wie seit April 2020 nicht mehr gewesen, heißt es im Monatsbericht. Jüngste Daten legen dem Monatsbericht zufolge allerdings nahe, dass Indus­trie und Außenhandel den belastenden Fak­toren bis zuletzt getrotzt haben.

Die Wirtschaftsentwicklung in Deutschland wird laut der Expertinnen und Experten im Sommerquartal und darüber hinaus von den ungünstigen Entwicklungen am Gasmarkt be­einträchtigt. Die Wahrscheinlich­keit, dass das BIP im kommenden Winterhalb­jahr zurückgeht, hat sich daher nach Einschätzung der Bundesbank-Fachleute deutlich erhöht.

Auch auf dem Arbeitsmarkt hätten die wirtschaftlichen Be­lastungen Spuren hinterlassen. Der zügige Aufholprozess nach der Aufhebung der pandemischen Einschränkungen hat laut Bericht im Frühjahr erheb­lich an Schwung verloren. Gleichwohl sei die Erwerbs­tätigkeit weiter gestiegen. Kurzarbeit wurde demnach nur noch in vergleichsweise geringem Umfang genutzt und die Arbeitslosigkeit erhöhte sich ab Anfang Juni 2022 erheblich. Dies sei aber allein darauf zurückzuführen, dass ukrainische Flüchtlinge in das deut­sche Sozialversicherungsrecht einbezogen wur­den. Die positiven Erwartungen für die weitere Entwicklung seien etwas zurückgegangen, schreiben die Fachleute.

Inflationsrate steigt weiter

Der überaus kräftige Anstieg der saisonbereinig­ten Verbraucherpreise (gemessen am Harmonisierten Verbraucherpreisindex) setzte sich gemäß Bundesbank-Bericht auch im Frühjahr fort. Energie verteuerte sich wegen der weiter anziehenden Rohölnotierungen. Letztere seien in Euro gerechnet durch die spürbare Abwertung gegenüber dem US- Dollar noch stärker gestiegen. Diese Entwicklung habe die vorübergehend gesenkten Steuern auf Kraft­stoffe, den sogenannten Tankrabatt, überdeckt. Die niedrigeren Steuersätze waren als Teil des Entlastungspakets ab Juni für drei Monate eingeführt und seien wohl auch größtenteils an die Endkunden weitergereicht worden, heißt es im Bericht. Darüber hinaus seien die Tarife für Strom und Gas im zweiten Quartal er­neut deutlich angehoben worden. Zwar hätten sich auch Dienstleistungen bis Mai weiter spürbar verteuert, im Juni gaben die Preise allerdings merklich nach. Dies ist laut Bundesbank auf die Einführung des Neun-Euro-Tickets als Teil des Entlastungspakets zurückzuführen. Insgesamt sei die Inflationsrate trotz Entlastungspaket im Durchschnitt im Frühjahr weiterhin sehr hoch gewesen. Der starke Anstieg der Preise habe sich im Juli fortgesetzt. Insbesondere Nahrungsmittel hätten sich weiterhin sehr stark verteuert.

Für den Herbst erwarten die Fachleute neue Höchststände bei der Inflationsrate. Mit dem Auslaufen der Maßnahmen des Ent­lastungspakets im September dürfte diese nochmals spürbar steigen. Für zusätz­lichen Kostendruck sorgen in den nächsten Monaten laut Bericht die Anhebung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns und die Abwertung des Euro. Außerdem soll im Oktober eine Umlage auf die Gastarife eingeführt und gleichzeitig der Mehrwertsteuersatz auf Gas gesenkt werden. „Insgesamt könnte die Inflationsrate im Herbst eine Größenordnung von 10 Prozent erreichen“, schreiben die Expertinnen und Experten. Der Inflationsausblick bleibe vor allem durch die unklare Lage an den Rohstoffmärkten allerdings außerordentlich unsicher, wobei die Preisrisiken nach Einschätzung der Bundesbank derzeit weiterhin eher aufwärtsgerichtet sind.