Kurzfristig Haushalts­spielraum zur Finanzierung der Flüchtlings­zuwanderung

Die deutschen Staatsfinanzen entwickeln sich im laufenden Jahr günstig, der Überschuss des staatlichen Gesamthaushalts dürfte sich gegenüber 2014 (+0,3 % des BIP) noch einmal erhöhen. Ausschlaggebend sind aus der Sicht der Bundesbank-Ökonomen vor allem positive temporäre Einflüsse. So entfallen Belastungen durch Gerichtsurteile aus dem Jahr 2014 im Umfang von 0,3 % des BIP beziehungsweise rund 8 Milliarden Euro. Vor dem Hintergrund der insgesamt günstigen Entwicklung fiel die gesamtstaatliche Schuldenquote bis zur Jahresmitte auf 72,5 % von 74,9 % Ende 2014. Die Staatsschuldenquote beschreibt das Verhältnis zwischen den Schulden eines Staates und dem BIP. Der Rückgang der Schuldenquote dürfte sich im kommenden Jahr fortsetzen, heißt es im Monatsbericht.

Zusätzliche staatliche Ausgaben

Wie es im neuen Monatsbericht der Bundesbank weiter heißt, wird für das kommende Jahr allerdings ein Abbau der Überschüsse erwartet. Zwar dürfte die Konjunkturentwicklung einen positiven Einfluss haben und auch die Zinslasten weiter sinken. Ursächlich für den Überschussabbau sind aber Steuersenkungen und Mehrausgaben etwa für Infrastruktur, Bildung sowie Forschung, aber insbesondere auch steigende Staatsausgaben im Zuge der Flüchtlingszuwanderung: Derzeit würden zusätzliche staatliche Ausgaben in Größenordnungen von bis zu ¼ % des BIP im Jahr 2015 und ½ % im Jahr 2016 nicht unplausibel erscheinen, schreiben die Bundesbank-Ökonomen. Mehreinnahmen aus Steuer- und Sozialbeitragszahlungen der Zuwanderer seien hingegen zunächst nur in geringem Umfang zu erwarten.

Aus Sicht der Bundesbank sind derzeit die Einflüsse der Flüchtlingsmigration aber nur sehr schwer abzuschätzen. Die Belastungen der Staatsfinanzen würden unter anderem davon abhängen, wie schnell und wie gut es gelinge, Flüchtlinge in das Erwerbsleben zu integrieren. Dazu sei auch der Staat gefordert. "Bei einer längerfristigen Bleibeperspektive ist somit eine effektive Integration in den Arbeitsmarkt entscheidend, wobei das Erlernen der Sprache sowie die Ausbildungsangebote im schulischen und im betrieblichen Bereich von besonderer Bedeutung sind", betonen die Bundesbank-Ökonomen.

Sukzessive Sicherheitsabstände aufbauen

Aktuell zeigt sich der Vorteil von Sicherheitspuffern in den Staatshaushalten, auf den die Bundesbank auch in der Vergangenheit hingewiesen hatte. Dank der relativ günstigen strukturellen Haushaltslage müsse Deutschland nun nicht unmittelbar gegensteuern, sondern könne die unerwarteten Mehrkosten zunächst ohne Gegenfinanzierung im Rahmen der Haushaltsregeln abfedern. Künftige Haushaltsplanungen müssten absehbare strukturelle Belastungen berücksichtigen, etwa aufgrund von langfristigem Mehrbedarf für Integrationsleistungen, und es ist empfehlenswert dann wieder sukzessive spürbare Sicherheitsabstände aufzubauen, raten die Bundesbank-Ökonomen.

Sie werben auch dafür, den Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt strikt mit Blick auf die Sicherung solider Staatsfinanzen anzuwenden und die Bindungswirkung nicht durch eine übermäßige Flexibilität auszuhöhlen. Die Europäische Kommission habe angekündigt, die durch Flüchtlingszuwanderung bedingten Mehrbelastungen gesondert zu berücksichtigen. Dies sei nachvollziehbar, "solange diese unvorhergesehene Entwicklung nur eine kurzfristige und vorübergehende Verfehlung der Fiskalziele maximal im Umfang der konkret nachgewiesenen direkten Netto-Mehrbelastungen entschuldigt". Sollte allerdings ein dauerhaft höherer staatlicher Ausgabenbedarf vorliegen, so wäre dieser im Rahmen der Regelgrenzen durch entsprechende Einnahmen zu decken, um eine strukturelle Verfehlung der Haushaltsregeln zu verhindern.