Bundesbankpräsident Joachim Nagel ©Jose Poblete, dfv Euro Finance Group

Joachim Nagel spricht sich erneut für weitere Zinsschritte aus

Bundesbankpräsident Joachim Nagel hat sich beim diesjährigen European Banking Congress erneut für einen weiteren Anstieg der EZB-Leitzinsen ausgesprochen. „Um die Rückkehr zur Preisstabilität sicherzustellen, müssen die langfristigen Nominal- und Realzinsen ausreichend stark steigen“, sagte er. „Insofern halte ich die Diskussion darüber, ob wir bereits restriktives Terrain erreicht haben, für verfrüht.“ Auch nach den Zinserhöhungen befände sich der relevante Leitzins noch im expansiven Bereich, so Nagel. Der sogenannte Einlagensatz liegt aktuell bei 1,5 Prozent. „Wenn wir jetzt nicht entschlossen handeln, gehen wir das Risiko ein, dass wir die Geldpolitik später umso mehr straffen müssen“, sagte Nagel. Dies würde Haushalte, Unternehmen und das Finanzsystem dann stärker belasten. Er halte es deshalb für „falsch, aus Angst vor einem wirtschaftlichen Abschwung mit weiteren entscheidenden Schritten zu warten“, betonte Nagel. Laut dem Bundesbankpräsidenten sollte die EZB auch die hohen Anleihebestände des Eurosystems ins Auge fassen. „Meiner Ansicht nach sollten wir Anfang nächsten Jahres damit beginnen, den Umfang unserer Anleihebestände zu reduzieren, indem wir nicht mehr alle fällig werdenden Anleihen vollständig reinvestieren“, so Nagel. Eine solche zusätzliche Straffung würde dazu beitragen, die Inflation zu senken. Und sie würde die feste Entschlossenheit unterstreichen, die Inflation wieder zurück zum Inflationsziel zu bringen.

Auch Lagarde und Knot für weitere Zinsschritte

Christine Lagarde ©Jose Poblete, dfv Euro Finance Group
Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, sprach sich bei dem Kongress ebenfalls für weitere Zinsschritte aus. Dabei müsse die EZB womöglich in Kauf nehmen, dass durch die Maßnahmen die Konjunktur gedämpft werde, sagte sie. „Wir gehen davon aus, dass wir die Zinsen weiter anheben“, so Lagarde. Die Wirtschaft nur nicht weiter zu stimulieren, sei dabei womöglich nicht ausreichend. Ähnlich äußerte sich auch Klaas Knot, Ratsmitglied der EZB und Präsident der niederländischen Zentralbank. Ihm zufolge sei zur Eindämmung der ausufernden Inflation im Euroraum ein restriktives Zinsniveau erforderlich. Denn es gelte, die Nachfrage zu bremsen. „Unsere Reaktion muss entschlossen sein“, sagte Knot bei dem Kongress.

Klas Knot ©Jose Poblete, dfv Euro Finance Group
Der EZB-Rat strebt auf mittlere Frist eine Inflationsrate von 2 Prozent an. Im Oktober lagen die Verbraucherpreise im Euroraum jedoch um 10,6 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Im Juli hat die EZB damit begonnen, die Leitzinsen zu erhöhen, um die hohe Inflation zu bekämpfen Die nächste EZB-Sitzung mit Zinsentscheid findet am 15. Dezember statt.

Inflationsschock hinterlässt „Narben“

Bei seiner Rede führte der Bundesbankpräsident zudem aus, wie hohe Inflationsraten die Inflationserwartungen der Menschen langfristig beeinflussen. „Je länger wir mit hohen Inflationsraten leben, umso mehr werden sie die Lebenserfahrungen der Menschen prägen. Und diese neuen Erfahrungen können ihre Erwartungen und Entscheidungen beeinflussen – auch nachdem die Inflation wieder gesunken ist“, sagte er. So seien etwa die Inflationserwartungen der Menschen in den ostdeutschen Bundesländern auch Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung immer noch höher als im Westen. Die Forschung erkläre dies damit, dass es in der ehemaligen DDR offiziell keine Inflation gab, während die Menschen in den alten Bundesländern an moderate Preissteigerungen gewöhnt waren. Dementsprechend unterschiedlich hätte der Inflationsschock nach der Wiedervereinigung die Menschen geprägt. Die „Narben“, die der aktuelle Inflationsschock hinterlasse, könnten zu einem veränderten Inflationsumfeld führen, so Nagel. Angesichts des Klimawandels, der Energiewende, des demografischen Wandels und der Neuordnung der Globalisierung seien in diesem Bereich ohnehin strukturelle Veränderungen zu erwarten. Insgesamt könnte die Inflation tendenziell höher und volatiler werden. Notenbanken müssten in der aktuellen Situation beweisen, dass sie entschlossen seien, Preisstabilität zu erreichen, so Nagel.