Geldpolitik sollte sich nicht vom Auf und Ab einzelner Indikatoren leiten lassen
Bundesbankpräsident Jens Weidmann sieht gegenwärtig keinen geldpolitischen Handlungszwang. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung sagte der Bundesbankpräsident, dass sich die Konjunkturerholung im Euro-Raum gefestigt habe und die schon Anfang des Jahres überzogenen Deflationssorgen weiter verblasst seien. "Außerdem haben wir ein nie da gewesenes Kaufprogramm (für Wertpapiere) gestartet, das sich noch mitten in der Umsetzung befindet", so Weidmann. Die Geldpolitik sollte sich nicht vom Auf und Ab einzelner Indikatoren treiben lassen, solange die geldpolitische Einschätzung im Kern weiter gültig sei, sagte Weidmann zu Überlegungen, das Wertpapier-Ankaufprogramm auszuweiten. Seit März 2015 kaufen die Notenbanken des Eurosystems für rund 60 Milliarden Euro monatlich Wertpapiere wie zum Beispiel Staatsanleihen an.
Zugleich warnte er in dem Interview, dass Deutschland sich trotz seiner derzeitigen relativen wirtschaftlichen Stärke nicht zurücklehnen dürfe. "Auch der gegenwärtige Aufschwung wird einmal enden", sagte Weidmann. Langfristig stehe Deutschland vor beträchtlichen Herausforderungen, erklärte der Bundesbankpräsident mit Blick auf die alternde Bevölkerung, den zunehmenden Wettbewerb mit den Schwellenländern und die Energiewende. Es müsse darum gehen, Innovationskraft und Anpassungsfähigkeit des Landes zu erhalten: "Das heißt auch, Strukturreformen, die wir anderen Ländern in Europa empfehlen, auch einmal für uns selbst zu prüfen, anstatt, wie in der Arbeitsmarkt- und Rentenpolitik, das Rad eher wieder zurückzudrehen."
Chancen der Zuwanderung
Deutschland benötige aufgrund des demografischen Wandels zusätzliche Arbeitskräfte, um seinen Wohlstand halten zu können. Daher berge die aktuelle Zuwanderung auch Chancen. "Diese sind umso größer, je besser es uns gelingt, die Menschen, die dauerhaft zu uns kommen, in die Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt zu integrieren", sagte Weidmann. Gleichwohl werde der Zustrom an Flüchtlingen Deutschland einiges abfordern.
Weidmann nahm auch Stellung zum Verhältnis von Politik und Notenbanken. Die Geldpolitik dürfe nicht dazu benutzt werden, politisches gewünschtes Handeln zu erzwingen. "Das muss von Regierungen und in den Parlamenten beschlossen und verantwortet werden", sagte Weidmann. Nur diese seien dazu demokratisch legitimiert. "Es ist auch nicht unsere Aufgabe, der Politik Zeit zu kaufen", so der Bundesbankpräsident. Diese Wahrnehmung könne dazu führen, dass Reformen immer weiter verschoben werden. "Das ganze billige Geld kann kein nachhaltiges Wachstum entfachen und birgt mit der Zeit immer größere Risiken, etwa für die Finanzstabilität", erklärte Weidmann.