Finanzstabilitätsbericht 2014
"Im aktuellen Niedrigzinsumfeld bestehen Anreize, dass Anleger vermehrt Risiken eingehen"
, heißt es im diesjährigen Finanzstabilitätsbericht der Deutschen Bundesbank, den Vizepräsidentin Claudia Buch und Vorstandsmitglied Andreas Dombret am 25. November 2014 im Rahmen einer Pressekonferenz in Frankfurt am Main vorgestellt haben. "Wir sollten uns nicht in falscher Sicherheit wiegen"
, warnte die für den Bereich Finanzstabilität zuständige Vizepräsidentin. "Je länger die Phase niedriger Zinsen anhält, umso größer ist die Gefahr, dass es zu Übertreibungen in bestimmten Marktsegmenten kommt."
Indizien für ein übertriebenes Verlangen nach Renditen sieht die Bundesbank vor allem auf den Märkten für Unternehmensanleihen. Bei den Unternehmensanleihen seien die Risikoaufschläge derzeit sehr gering und näherten sich den Tiefstwerten der Vorkrisenzeit. Aus den Risikoaufschlägen hat die Bundesbank implizite Ausfallraten berechnet. Diese liegen unterhalb der historisch üblichen Raten. "Gerade vor dem Hintergrund der schwachen wirtschaftlichen Entwicklung ist das ein Indiz dafür, dass Risiken unterschätzt werden"
, sagte Buch.
"Widerstandfähigkeit weiter erhöhen"
Ein gemischtes Bild zeigt sich aus Sicht der Bundesbank beim Bankensektor. Positiv sei, dass sich die Kapitalausstattung der Banken im vergangenen Jahr erhöht habe. Das Comprehensive Assessment der Europäischen Zentralbank habe gezeigt, dass die deutschen Kreditinstitute größeren Belastungen standhalten könnten, sagte Dombret, der für die Bankenaufsicht zuständig ist. Allerdings würde ein starker und abrupter Anstieg der kurzfristigen Zinsen erhebliche Spuren bei den Banken hinterlassen, warnte er. Zudem könne ein gemeinsames Auftreten mehrerer Schocks den deutschen Finanzsektor vor Probleme stellen. Die Banken sollten daher ihre Widerstandfähigkeit weiter stärken und beispielsweise prüfen, ob das Eigenkapital weiter erhöht werden könne, sagte Dombret.
Dombret hält eine Verbesserung der Ertragslage für erforderlich: "Langfristig müssen die deutschen Banken mehr verdienen, um im Wettbewerb bestehen zu können."
Da die Geschäftsmodelle deutscher Banken relativ stark vom Zinseinkommen abhingen, sei dies gerade schwierig. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) mahnte kürzlich in seinem Finanzstabilitätsbericht, dass der deutsche Bankensektor seine Erträge stärker diversifizieren und weniger auf Zinseinkommen setzen solle. Dombret forderte die Banken auf, ihre Geschäftsmodelle zu überprüfen, um Potenziale für Kostensenkung und Synergien auszuloten.
Unter Beobachtung der Bundesbank bleibt weiterhin die Entwicklung auf dem Immobilienmarkt. Insgesamt ist die Preisdynamik in den vergangenen 20 Jahren in Deutschland deutlich moderater als im Euro-Raum. Aber gerade in Großstädten sind die Preise für Immobilien stark gestiegen – seit 2008 um gut ein Drittel in den am stärksten betroffenen Großstädten Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, München, Köln und Stuttgart. Dennoch gibt es im Immobilienbereich insgesamt noch keinen Anlass zur Sorge: "Bislang bergen steigende Preise für Wohnimmobilien keine übermäßigen Risiken für die Finanzstabilität"
, sagte Buch.
Allerdings deuten laut Bundesbank Umfragedaten auf eine strukturelle Anfälligkeit des deutschen Bankensystems gegenüber sinkenden Preisen für Immobilien und ansteigenden Ausfallraten hin. "Sollte es an den städtischen Immobilienmärkten zu Preisrückgängen und einem gleichzeitigen Anstieg der Ausfallraten kommen, würde dies die Gewinne der Banken erheblich beeinträchtigen"
, warnte Buch. Daher beobachte die Bundesbank den Markt sehr genau. "Sobald wir Gefahren für das Finanzsystem erkennen, werden wir handeln"
, sagte die Vizepräsidentin.
Privilegien abbauen
Die Bankenunion stelle bei der Identifikation von Risiken bei Kreditinstituten einen wichtigen Schritt dar, sagte Buch. Die im November gestartete europäische Bankenaufsicht könne strenge einheitliche Aufsichtsstandards und -praktiken durchsetzen und länderübergreifende Quervergleiche durchführen. Darüber hinaus werde der einheitliche Abwicklungsmechanismus die Voraussetzungen dafür verbessern, Banken in Schieflage zu sanieren oder abzuwickeln. "Künftig wird der Privatsektor an den Kosten einer Bankenrestrukturierung beteiligt"
, sagte Buch. Allerdings könne auch die Bankenunion den engen Risikoverbund zwischen Banken und Staaten nicht lockern. Nach wie vor würden Forderungen gegenüber dem Staat in der Regulierung bevorzugt behandelt. Diese Privilegien müssten abgebaut werden, forderte die Vizepräsidentin.