Editierte Abschrift der Frage- und Antwortrunde anlässlich der Pressekonferenz am 25.11.2021 Vorstellung des Finanzstabilitätsberichts 2021 mit Frau Prof. Dr. Claudia Buch, Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank und Prof. Dr. Joachim Wuermeling, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank

Frage:

Frau Buch, Sie haben gesagt, Risiken aus der Immobilienkreditvergabe müssen begrenzt werden. Es findet sich in dem Bericht aber auch der Hinweis, dass die Instrumente, die die Aufsicht bereits hat, aus Ihrer Sicht im Moment noch nicht aktiviert werden müssten. Also bleibt nur der antizyklische Kapitalpuffer. Könnten Sie noch einmal erklären, inwieweit der auch dieses Risiko adressiert?

Prof. Dr. Claudia Buch:

Es ist in der Tat so, dass wir in erster Linie diese makroökonomischen zyklischen Risiken für das Finanzsystem sehen. Ganz wichtig ist der Punkt, dass jetzt nach vorne gerichtet möglicherweise Risiken aus einem konjunkturellen Rückschlag unterschätzt werden, weil wir vergleichsweise gut durch die Pandemie gekommen sind. Natürlich ist die Frage der Überbewertungen ein Teil dieser Verwundbarkeiten. Von daher sehen wir das Wohnimmobilienrisiko als Teil des zyklischen Risikos. Und da ist zunächst einmal der antizyklische Kapitalpuffer das Mittel der Wahl, weil er das Bankensystem sehr breit gegenüber zyklischen konjunkturellen Risiken schützt. Daher würde er auch da wirken. Aber er ist nicht so gezielt wie ein aufsichtliches Instrument, das sehr konkret bei den Immobilienrisiken ansetzt. Und er ist auch nicht so gezielt wie die Instrumente, die auf der Nachfrageseite ansetzen. Da gibt es die Möglichkeit, Beleihungswerte zu begrenzen oder Amortisationsanforderungen. Dann gibt es noch die beiden Instrumente, die wir bisher nicht haben, die sich auf die Verschuldungssituation der privaten Haushalte beziehen. Unser Ansatz wäre, dass man zunächst mit den Instrumenten anfängt, die möglichst breit wirken, dann überprüft, wie sie gewirkt haben, auch auf die spezifischen Risiken bezogen, und danach schaut, ob man möglicherweise noch weitergehen muss. Wie gesagt, da gibt es im Moment keinen Handlungsbedarf, weil wir nicht sehen, dass die Vergabestandards stark erodieren würden. Gerade am aktuellen Rand hat sich die Lage verbessert. Man muss auch sagen, dass diese nachfrageseitigen Instrumente schon starke Eingriffe sind, die gut begründet werden müssen. Es ist nicht so, dass wir da nichts getan hätten. Wir haben jetzt die Rechtsgrundlage, wir haben eine neue Datengrundlage, wir arbeiten sehr intensiv. Es wird auch sehr intensiv mit den Banken an diesen Themen gearbeitet, weil die Aufsicht die Möglichkeit hat, über die aufsichtliche Guidance etwas zu tun. Um das einmal einzuordnen: Immobilienrisiken sind Teil der zyklischen Risiken. Wir würden ein abgestuftes Vorgehen sehen. Man überlegt zunächst, was getan werden muss, um mit dem allgemeinen Makro-Risiko umzugehen. Und da ist ganz klar der antizyklische Kapitalpuffer das richtige Mittel.

Prof. Dr. Joachim Wuermeling:

Aus meiner Sicht ist das Entscheidende, dass die Banken an den hohen Kreditvergabestandards festhalten, dass es hier nicht zu einer Erosion kommt. Das ist zunächst einmal eines der unmittelbar wirkenden Reaktionen des Bankenbereichs selbst, indem sie das Immobilienrisiko senken können. Und solange sie hier maßvoll, vernünftig und vorsichtig vorgehen, sollte auch kein Anlass bestehen, die anderen Instrumente einzusetzen, auf die Frau Buch Bezug genommen hat.

Frage:

Ich habe zwei Fragen. Sie hatten im vergangenen Jahr einen deutlichen Anstieg der Insolvenzen aufgrund der Corona-Pandemie befürchtet. Die Prognosen waren offenbar deutlich zu pessimistisch. Zumindest hat es diesen Anstieg nicht gegeben, die Insolvenzen sind historisch niedrig. Jetzt gehen Sie dennoch weiterhin davon aus, dass sie steigen werden, sehen aber keine Finanzstabilitätsgefahr. Können Sie das noch etwas ausführen? Waren da die Annahmen zu pessimistisch? Warum ist es zu diesen höheren Insolvenzzahlen nicht gekommen? Gibt es die Debatte über die Zombie-Unternehmen nicht? Und was erwarten Sie für die Zukunft?

Meine zweite Frage: Herr Wuermeling, Sie haben gerade gesagt, Stichwort Immobilien, die Banken müssten an hohen Kreditvergabestandards festhalten. Sie können damit das Risiko senken. Und sollte das so geschehen, müssten keine anderen Maßnahmen getroffen werden. Welche Maßnahmen hätte die Bundesbank ganz konkret, um im Fall des Falles einzugreifen? Geschieht das auf Institutsebene? Gibt es dann eine allgemeine Verfügung? Welches Instrumentarium haben Sie in der Hand, um einzugreifen, wenn die Kreditvergabe nicht risikoadäquat angepasst wird?

Prof. Dr. Claudia Buch:

Zu den Insolvenzen: Zunächst einmal ist es nicht so, dass wir jetzt Insolvenzen prognostizieren, so wie wir das im vergangenen Jahr getan haben. Es gibt in diesem Sinne keine neue Insolvenzprognose. Wir können nicht ausschließen, dass es zukünftig zu Rezessionen kommt oder zu wirtschaftlichen Abschwüngen. Mein Punkt ist, dass wir in einer solchen Situation nicht davon ausgehen können, dass die Insolvenzen wieder so niedrig bleiben wie in den vergangenen beiden Rezessionen, der globalen Finanzkrise und der Corona-Pandemie. Wenn man sich die Erfahrung der historischen Rezessionen in Deutschland in der Nachkriegszeit ansieht, wäre das normale Muster eigentlich, dass die Insolvenzen steigen. Man kann nicht einfach fortschreiben, was in den vergangenen 20 Jahren gewesen ist, ein kontinuierlicher Rückgang der Insolvenzen. Der Fehler, den man machen würde, wenn man einfach die Erfahrungen der Vergangenheit in die Zukunft fortschreibt, den sieht man auch sehr schön an unserer Insolvenzprognose aus dem vergangenen Jahr. Was konnten wir im vergangenen Jahr machen? Wir haben die Daten der Vergangenheit genommen. Das machen letztlich alle Modelle. Wir haben dann prognostiziert und versucht, das möglichst differenziert zu machen, um auch sektorale, regionale Unterschiede zu berücksichtigen. Aber wir konnten natürlich nicht wirklich gut in den Modellen berücksichtigen, was passiert, wenn es sehr umfangreiche staatliche Maßnahmen gibt, wenn die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt ist. Und genau das sieht man. Diese Modelle blicken letztlich immer nur auf die Vergangenheit. Hier geht es darum, sich auch für zukünftige Risiken zu wappnen. Wir machen weiterhin die Insolvenzprognosen, aber man muss das immer berücksichtigen. Das ist nicht nur ein Problem unserer Modelle, sondern letztlich aller Modelle, auch der Modelle der Banken, die sich auf die historischen Daten beziehen, in denen sehr geringe Korrelationen oder Zusammenhänge zwischen Kreditrisiken und BIP-Entwicklung oder Insolvenzen und BIP-Entwicklung enthalten sind.

Und zu den Zombies: Wir sehen im Moment keine Hinweise darauf, dass wir eine Zombifizierung bekommen, dass jetzt Unternehmen am Leben gehalten würden, die eigentlich nicht überlebensfähig wären. Aber wir haben immer gesagt, dass man die sehr umfangreichen fiskalischen Maßnahmen, die sehr umfangreichen Stützungsmaßnahmen, die günstigen Refinanzierungsbedingungen, die Lage im Unternehmenssektor sehr genau beobachten muss. Wir wollen ganz sicherlich nicht in eine Situation kommen, in der wir Insolvenzen verschleppen und dadurch auch eine wirtschaftliche Dynamik aufgehalten und Produktivitätswachstum behindert wird. Was wir deswegen gemacht haben, ist durch eigene Umfragen, auch durch sehr enge Kooperation mit anderen öffentlichen Institutionen eine sehr viel bessere Informationsbasis zu schaffen, wie denn nun wirklich Fiskalmaßnahmen auf die Unternehmen wirken und wie die Finanzierungslücke dort ist. Und viele der Aussagen im Bericht haben auch etwas damit zu tun, zum Beispiel die Verschiebung in den Kreditportfolien. Das können wir jetzt machen, weil wir sehr viel bessere Informationen haben. Das werden wir auch für die nächste Zeit ganz sicherlich benötigen.

Prof. Dr. Joachim Wuermeling:

Zu den Instrumenten: Es gibt zwei klassische einkommensbezogene Instrumente, die man aus makroprudenzieller Sicht einsetzen kann, um Übertreibungen bei Immobilienkrediten zu begrenzen. Das eine ist eine Obergrenze für das Verhältnis von Kredit zu Wert der Immobilie, loan-to-value. Dieses Instrument gibt es in einigen EU-Staaten schon seit Jahrzehnten. Bei uns ist es nie eingesetzt worden. Die Möglichkeit gibt es nach den gegenwärtigen rechtlichen Regelungen in Deutschland bereits. Es gibt aber auch noch ein anderes Instrument: Das Verhältnis von Einkommen zu Schuldendienst. Nur ein bestimmter Prozentsatz des Einkommens darf aufgewendet werden, um den Schuldendienst zu bedienen. Dieses Instrument ist in Deutschland bisher nicht eingeführt worden. Interessanterweise gibt es dazu aber eine Absichtserklärung im Koalitionsvertrag. Wir haben uns immer für die Einführung von solchen Instrumenten eingesetzt. Wir sind uns aber sehr bewusst, dass es sich hierbei um einen erheblichen Eingriff in die Vertragsfreiheit handelt, weil damit praktisch der Bank und dem Kunden ein bestimmter Vertrag mit bestimmten Konditionen verwehrt wird. Wir könnten dazu auch nur raten, wenn sich die Situation weiter zuspitzt. Zuständig ist nicht die Bundesbank, sondern die BaFin. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt befürworten wir nicht so sehr die Bekämpfung von einzelnen Verwundbarkeiten wie die Risiken von Immobilien, sondern die Stärkung der Widerstandsfähigkeit insgesamt. Und das würde dann durch den antizyklischen Kapitalpuffer ermöglicht.

Frage:

Frau Buch, Sie haben gesagt, dass wir mittelfristig höhere Risiken haben, die aus der Inflation entstehen. Was heißt mittelfristig? Reden wir über 2022 oder 2023? Die Diskussion um Zinserhöhungen ist ja frühestens irgendwann Mitte bis Ende kommenden Jahres zu erwarten und entsprechend die Folgen davon auf die Banken. Wie stark wären dann die Auswirkungen und wann sind sie zu erwarten?

Zweite Frage: Wir haben relativ hohe Bestände an Liquidität in den Unternehmen selbst. Könnte es sich zu einem Risiko für die Finanzstabilität entwickeln, wenn die Nachfrage nach Krediten, die im Moment die Banken doch ein gutes Stück stützt, in Zukunft nachlassen könnte, weil einfach mehr eigene Liquidität von den Unternehmen verwendet wird?

Und die dritte Frage an Herrn Wuermeling: Es gibt fröhliche Diskussionen um das Thema Beleihungswertermittlung und -verordnung in Deutschland. Und gerade der Lobbyverband vdp ist nicht zufrieden mit dem, wie sich das im Moment gesetzgeberisch darstellt. Was entgegnen Sie? Wäre eine Aufweichung sinnvoll, weil dadurch mehr Kredit vergeben werden könnte? Oder sind strenge Standards gut, weil sie in der Vergangenheit für Sicherheit gesorgt haben?

Prof. Dr. Claudia Buch:

Wir sehen im Moment sehr hohe Inflationsraten. Das ist übrigens nicht nur ein deutsches Thema, sondern auch weltweit. Ganz wesentlich in der Diskussion ist: Wie viel davon ist temporär? Es gibt viele temporäre Faktoren wie zum Beispiel die Mehrwertsteuer in Deutschland. Auch die Preise für Energieträger haben eine sehr starke temporäre Komponente. Die gegenwärtigen Lieferengpässe sind durchaus auch Preissignale. Wir brauchen die, damit die Unternehmen wissen, wie sie ihre Dispositionen anpassen, um die Angebotsknappheiten zu reduzieren. Es besteht ein sehr starker Konsens, auch bei allen Unterschieden in der Einschätzung, dass wir eine temporäre Komponente haben. Aber sicher ist auch, dass die Aufwärtsrisiken zugenommen haben.

Jetzt zum Bericht: Das ist ja ein Finanzstabilitätsbericht, der sich nicht im Detail mit Inflation und Inflationsprognosen beschäftigt hat und dazu auch keine weitergehenden Aussagen macht. Ganz unabhängig davon muss die Entscheidung letztlich im EZB-Rat getroffen werden. Das ist jetzt nicht unser Thema. Unser Thema ist, wie wir dafür sorgen können, dass – wenn mögliche geldpolitische Entscheidungen anstehen – der Finanzsektor diese nicht behindert und grundsätzlich mit einem Zinsanstieg umgehen kann. Denn es ist ja nicht nur so, dass die Geldpolitik die Zinsen beeinflusst, letztlich sind es die Marktzinsen. Wir müssen uns auch Gedanken machen, was passiert, wenn plötzlich die Risikoprämien sehr stark ansteigen. Das kann ganz andere Gründe haben als die Geldpolitik. An diesem Punkt setzen wir letztlich auf. Und wir haben uns sehr intensiv mit der Frage der Zinsänderungsrisiken beschäftigt. Es gibt durchaus eine unterschiedliche Betroffenheit der deutschen Banken. Die kleineren Banken, die sehr stark auch die Fristentransformation betreiben, sind tendenziell stärker exponiert. Bei den größeren Banken ist das weniger der Fall. Diese haben sich auch stärker gegenüber Zinsänderungsrisiken abgesichert. Die Absicherung für das ganze System – und darauf müssen wir hier blicken – funktioniert letztlich nicht über diese Verträge, weil man auch berücksichtigen muss, wer dann die Gegenpartei ist. Dazu haben wir zum Teil auch keine detaillierten Informationen. Das gesamte Finanzsystem kann mit einem langsamen Zinsanstieg gut umgehen. Gerade für Institute, die nominale Zinsversprechen abgegeben haben, ist das entlastend. Aber ein sehr schneller, abrupter Zinsanstieg, der kann schon viele Teile des Finanzsektors unter Druck setzen.

Die Versicherer, darüber haben wir auch häufig berichtet, haben dieses Kündigungsrisiko, wenn bestimmte Schwellenwerte überschritten werden. Ein schneller, abrupter Zinsanstieg ist durchaus ein Risiko für die Finanzstabilität und deswegen müssen wir das auch sehr genau berücksichtigen. Ich mache noch einmal den Punkt zur Liquidität in den Unternehmen und ob das für die Finanzstabilität ein Risiko sein kann. Ich würde anders argumentieren. Ein Risiko für die Finanzstabilität ist immer dann gegeben, wenn wir eine wirtschaftliche Abschwächung haben, also eine Rezession oder wenn es länger dauert, bis die wirtschaftliche Erholung richtig in Gang kommt. Wenn das die Banken belastet, weil sie Verluste realisieren und ihre Kreditvergabe einschränken müssen. Das ist der Mechanismus, über den wir nachdenken. Das würde eine negative Rückkopplung zur Realwirtschaft herstellen. Wenn die Unternehmen mehr Liquidität haben und gar nicht so sehr auf Kredite angewiesen sind, dann würde das natürlich eher stabilisierend wirken an der Stelle. Wir sehen uns schon an, welche Unternehmen verstärkt Bankkredite bekommen. Wie viele Unternehmen finanzieren sich außerhalb des Bankensystems? Und da sehen wir die Unternehmen, die eher eine schlechte Liquidität haben. Das wäre eher unser Risiko und nicht, dass plötzlich keine Bankkredite gebraucht werden. Bankkredite sind wichtig für unsere Wirtschaft, aber es gibt andere Finanzierungsformen. Und wenn die Unternehmen auch selber finanzkräftig genug sind, ist das sicher eine gute Nachricht.

Prof. Dr. Joachim Wuermeling:

Es ist sehr viel von Aufwärtsrisiken bei der Inflation die Rede. Aufwärtsrisiken bei der Inflation sind auch Aufwärtsrisiken für die Zinsen. Die können leitzinsgetrieben, aber auch marktgetrieben sein, und mit Aufwärtsrisiken für die Zinsen steigt auch das Zinsänderungsrisiko.

Die Banken mögen zunächst spontan erfreut darüber sein, wenn die Zinsen steigen, weil das Hoffnung gibt auf eine Steigerung der Zinsmarge. Aber Obacht, die Effekte können sehr unterschiedlich sein, je nachdem wie schnell die Zinsen sich verändern. Deswegen ist unser Appell an die Banken, sich auch für eine Zinswende zu wappnen, ob sie dann kommt oder nicht. Gegenwärtig geht es allerdings eher darum, das Geschäftsmodell auf das Änderungsrisiko einzustellen.

Was den Beleihungswert angeht, die Beleihungswertverordnung, ist es in der Tat so, dass die Komponenten der Rechnung des Beleihungswertes träger sind als der Marktpreis. Und das führt natürlich bei sehr steil steigenden Marktpreisen dazu, dass es immer schwieriger ist, gerade für Schwellenhaushalte, einkommensschwache Haushalte, das nötige Eigenkapital aufzubringen, um einen Immobilienerwerb zu ermöglichen. Das ist auch ein Thema, das im Koalitionsvertrag angesprochen ist, es werden Instrumente dafür vorgeschlagen. Allerdings hat diese Trägheit des Beleihungswertes einen tieferen Sinn. Man möchte nämlich den Wert vor schnellen Marktbewegungen schützen, um eine Konstanz in der Werthaltigkeit der Sicherheit zu haben. Da mag man an der einen oder anderen Stelle zu Variationen kommen, grundsätzlich halte ich dieses Konzept aber für richtig.

Frage:

Zum Thema Immobilien: Herr Wuermeling, Sie haben die Instrumente genannt, die man einsetzen kann. Aber kann man es nicht ein bisschen einfacher machen und auf den Anteil der Immobilienkredite schauen und dort vielleicht auf eine Begrenzung drängen? Ich denke vor allem auch an die Landesbanken, die sehr stark vom Immobiliengeschäft abhängig sind und davon leben. Müsste man da nicht noch einmal genauer schauen und darauf hinwirken, dass dieser Anteil, dieser Quasi-Risikokredit geringer wird, im Gegensatz zu den anderen?

Und dann sprechen Sie bei Immobilien im Wesentlichen nur von Wohnen, von Gewerbe und Büro habe ich nichts gehört. Dabei gibt gerade eine Riesendiskussion, wie viel Büroraum demnächst noch vor dem Hintergrund von Homeoffice benötigt wird. Warum ignorieren Sie das so sehr?

Prof. Dr. Joachim Wuermeling:

Der Überlegung, den Anteil im Kreditbuch für Immobilienkredite zu begrenzen, kann ich nicht viel abgewinnen, denn das Immobiliengeschäft ist ein separates Geschäft, vor allem wenn es mit Pfandbriefen unterlegt wird. Es gibt Banken, die ausschließlich dieses Geschäft betreiben, Pfandbriefbanken. Es gibt die breite Masse der kleinen und mittleren Banken, die sowohl das eine als auch das andere haben. Und dann gibt es Landesbanken, die mehr oder weniger in Immobilienkrediten engagiert sind. Wir sorgen als Aufsicht mit der Beaufsichtigung des Risikomanagements und der Sicherstellung dessen dafür, dass die Banken die Risiken im Griff haben, dass sie mit Eigenkapital unterlegt sind. Wir sorgen dafür, dass auch große Immobilienkreditportfolios stabil bleiben. Insofern halte ich nichts von einer Begrenzung des Anteils.

Interessant ist die Frage nach den Gewerbeimmobilien, über die bisher nicht gesprochen wurde. Richtig ist, dass durch die Pandemie der jahrelange Aufschwung im Gewerbeimmobilienmarkt beendet worden ist. Wir sehen aber eine verhältnismäßig heterogene Entwicklung bei den einzelnen Segmenten. Während sich der Preisabschwung bei den Einzelhandelsimmobilien beschleunigt, scheint er sich bei den Büroimmobilien eher stabilisiert zu haben. Wir rechnen nicht damit, dass es einen flächendeckenden Einbruch des Gewerbeimmobilienmarktes gibt. Das zeichnet sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht ab. Und in den Bankbilanzen materialisieren sich die Risiken aus Gewerbeimmobilien bisher auch nur in sehr geringem Maße. Die Quote notleidender Kredite ist nur leicht auf niedrigem Niveau gestiegen, von 1,9 Prozent auf 2,2 Prozent. Auch wenn sich die Risiken aus dem Pandemieschock noch nicht vollständig materialisiert haben, sehen wir eine Beschränkung auf einzelne Bereiche des Gewerbeimmobilienmarkts.

Prof. Dr. Claudia Buch:

Sie finden dazu auch etwas im Bericht. Den Gewerbeimmobilienmarkt haben wir nicht außenvorgelassen. Wir sind intensiv daran, die Datenbasis zu verbessern und die Dinge, über die Herr Wuermeling gesprochen hat, zu analysieren. Es gibt zum Teil auch Instrumente für Gewerbeimmobilien, die teilweise bei Wohnimmobilien greifen würden, wenn man ihren Einsatz brauchen würde.

Prof. Dr. Joachim Wuermeling:

Darf ich noch eine Zahl nachtragen? Sie hatten nach der Binnenfinanzierung in der deutschen Wirtschaft gefragt, nach der Eigenkapitalquote. Die hat sich in den vergangenen Jahren auf 30 Prozent verdoppelt, sodass eine stark Binnenfinanzierung erfolgt ist. Sie ist aber während der Pandemie etwas abgesunken.

Frage:

Frau Buch, Sie sagen die Auswirkung des Klimaschutzes auf den Bankensektor ist moderat, aber einige Institute könnte es doch treffen. Welche Risiken könnten daraus erwachsen und wie sollen sich die Banken dagegen wappnen? Dann zur Diskussion um eine Preisblase. Es gibt immer wieder Studien, in Frankfurt, in Großstädten spitzt sich das Ganze allmählich zu. Wie dramatisch ist dieses Risiko in Ihren Augen?

Und zwei Fragen an Herrn Wuermeling. Wir hatten jetzt das BGH-Urteil, aber auch das erste Strafzinsenurteil. Was für Risiken könnten den Banken daraus entstehen? Und was Prognosen angeht: Wie leicht lässt sich so eine Krise und die Entwicklung überhaupt vorhersagen? Sie hatten bei den Insolvenzen nicht ganz richtiggelegen. Kreditengpässe waren das große Thema. Wie leicht lässt sich so etwas überhaupt prognostizieren?

Prof. Dr. Claudia Buch:

Zur Frage der Auswirkungen der klimapolitischen Maßnahmen. Es geht um die CO2-Preise, die langsam über die Zeit ansteigen und unsere Analysen. Wir überlegen, ob man dazu noch ein separates Seminar anbietet oder darüber berichtet, wenn Interesse besteht. Es wirken dabei sehr viele unterschiedliche Modelle zusammen. Es geht um den CO2-Preis, wie er sich sektoral auswirkt und wie sich das in den Bilanzen der Finanzinstitute, die in Deutschland tätig sind, spiegelt. Man sieht, dass die Bewertung der Änderungen weniger als 10 Prozent dieser Werte der Finanzanlagen ausmachen. Ich würde auch nicht auf die einzelnen Schätzer verweisen, weil eine hohe Unsicherheit in den Modellen besteht. Insgesamt ist der Bankensektor zum Beispiel gar nicht so stark exponiert gegenüber besonders betroffenen Branchen. Aber natürlich kann es einzelne Institute geben, die ein vergleichsweise hohes Exposure haben. Dann ist es zunächst einmal eine Aufgabe der einzelnen Institute, gemeinsam mit der Aufsicht zu überlegen, welche Maßnahmen man ergreifen kann. Das ist aber nicht unser Thema heute, was die Frage der Finanzstabilität betrifft oder die Frage, wie es im Finanzsystem insgesamt aussieht. Was kann man tun? Da ist der Punkt sehr wichtig, über den ich gesprochen habe. Man muss die Taxonomie weiterentwickeln und anwenden. Wir und auch die Finanzinstitute brauchen die Informationen der Realwirtschaft. Wie sind einzelne Bereiche von Klimarisiken betroffen? Das muss in der Risikoanalyse der einzelnen Institute reflektiert werden. Letztlich sind es Marktrisiken, Kreditrisiken, die die Institute kennen und für die es auch Möglichkeiten gibt, damit umzugehen. Vorgeschaltet muss die Frage gestellt werden, wie stark die Realwirtschaft betroffen ist, denn genau um diesen Transmissionsriemen geht es. Wie gesagt, die positive Botschaft ist, dass die Bewertungsänderungen nicht so hoch sind, dass das nicht verkraftbar wäre. In dem Zusammenhang hört man manchmal von dem Begriff „stranded assets“. Es ist aber viel zu tun für alle Beteiligten und wir begleiten das auch sehr intensiv.

Zu Ihrer zweiten Frage, der Preisblase bei den Immobilien. Ich würde den Begriff Preisblase nicht verwenden, weil bei uns nicht die Preisentwicklung im Fokus steht. Das ist für uns ein Teil, den wir betrachten. Wenn wir über Risiken sprechen, geht es uns nicht um die Eindämmung der Preisentwicklung. Diese hat viele fundamentale Ursachen. Ein Großteil davon habe ich bereits genannt. Es gibt bestimmte Hinweise, dass es auch Überbewertungen gibt. Uns geht es immer darum, was mit den Krediten passiert, was mit den Preisen, den Erwartungen und den Vergabestandards. Wie wir in den Zeitreihen gesehen haben, hat die Pandemie keine Auswirkungen gehabt. Sämtliche Indikatoren und Daten zeigen weiter nach oben. Deshalb sind wir zunehmend besorgt, aber nicht so, dass man gezielt Maßnahmen ergreifen müsste, die auch auf der Nachfrageseite ansetzen. Wir brauchen jetzt einen präventiven Schutz des Finanzsektors gegenüber zyklischen Risiken, die sich aufbauen. Das Wohnimmobilienrisiko ist ein Teil davon.

Prof. Dr. Joachim Wuermeling:

Zur Prognosefähigkeit: Die Prognosefähigkeit von vielen Institutionen über die gesamte Gesellschaft, die Wirtschaft und das Gesundheitswesen ist in der Pandemie tatsächlich stark herausgefordert worden, auch bei uns. Letztlich lagen unseren Prognosen, wie Frau Buch ausgeführt hat, die Erfahrungen in der Vergangenheit zugrunde. Was den entscheidenden Unterschied gemacht hat, waren die staatlichen Hilfen, und das war auch gut so. Aber dies hat sich der Vorhersagefähigkeit komplett entzogen. Was wir jetzt versuchen, ist eine Art Kreditrisiko-Indikator zu entwickeln auf der Basis von Daten, die im Netz und an anderen Stellen verfügbar sind, um schneller und auf der Grundlage von aktualisierten Daten Kreditrisiken auch im Aggregat abschätzen zu können.

Zu der Frage der Auswirkung der diversen Verbraucherschutzurteile im Bereich der Gebühren, Zinsen und Ähnlichem. Für Banken, ist es aus der Sicht der Bankenaufseher wichtig, dass Banken rentabel sind. Dass sie keine Verluste, sondern Gewinne machen, um zusätzliches Kapital zu bilden, was ihnen ermöglicht, zusätzliche Kredite zu vergeben. Diese Rentabilität ist natürlich in der Niedrigzinsphase stark beeinträchtigt gewesen. Andrea Enria hat darauf vergangene Woche ausdrücklich hingewiesen. Deswegen waren die Banken gezwungen, an anderer Stelle Einnahmen zu generieren, um ihre Rentabilität zu sichern. Die Banken mussten sehr unpopuläre Maßnahmen ergreifen, wie die Kündigung von Verträgen, die Erhebung von Kontoführungsgebühren, die Einführung von Entgelten, aber auch die Schließung von Filialen, Personalabbau usw. Als Aufsicht haben wir die Banken auch dazu angehalten, mit dem Einsatz von diesen betriebswirtschaftlichen Instrumenten ihre Rentabilität sicherzustellen. Sie mussten an der einen oder anderen Stelle auch rechtliche Unwägbarkeiten in Kauf nehmen. Diese werden jetzt über rechtsstaatliche Verfahren korrigiert. Wichtig ist mir, dass die Banken am Ende unter Einhaltung aller Compliance-Regeln in der Lage sind, die notwendigen Maßnahmen einzusetzen, die ihre Rentabilität dauerhaft sicherstellen.

Frage:

Mich würden zwei Aspekte interessieren. Frau Buch, Sie sind gar nicht auf die aktuelle Corona-Lage eingegangen und auf die Risiken. Wir haben heute 75.000 Neuinfektionen und die Zahlen steigen weiter. Hat das keine Auswirkungen auf die Finanzstabilität mittelfristig? Die andere Frage zum Klima: Sie sind bei der Bewertung vor allen Dingen auf den CO2-Preis eingegangen, haben aber die physischen Risiken ausgeklammert. Ist es zu schwer, diese einzuschätzen oder warum haben Sie das außenvorgelassen? Haben Sie das Gefühl, dass die Banken ihre Risiken kennen?

Prof. Dr. Claudia Buch:

Das Thema Corona ist natürlich bei uns rein praktisch und auch in allen realwirtschaftlichen Überlegungen, die ja letztlich dem Thema Finanzstabilität zugrunde liegen, sehr präsent. Wenn der Eindruck entstanden ist, dass wir uns damit nicht beschäftigt haben, dann möchte ich das auf jeden Fall korrigieren. Wir haben uns in diesem Bericht mit zwei Risikoszenarien beschäftigt. Das eine ist ein gebremster wirtschaftlicher Aufschwung. Das ist über einen Zeitraum von drei Jahren modelliert und kann länger oder auch kürzer sein. In diesem Szenario haben wir untersucht, was passiert, wenn die Wirtschaft sich nicht so dynamisch entwickelt und erholt, wie wir das im Moment erwarten würden. Das ist angesichts der vollen Auftragsbücher nicht das wahrscheinlichste Szenario. Unser Basis-Risikoszenario würde immer noch einen doch sehr deutlichen Aufschwung im nächsten Jahr sehen und im Moment eine Bremsphase. Aber wir wissen alle nicht genau, was die Zukunft bringt. Wir haben dieses Szenario eines gebremsten wirtschaftlichen Aufschwungs und da sieht man eben sehr deutlich, dass der Finanzsektor robust genug wäre, um mit einem solchen gebremsten Aufschwung umzugehen. Wir müssen ja auch sehen, dass die Kapitalpuffer, die vorhanden sind im Bankensektor, im Prinzip gar nicht gebraucht wurden in der Corona-Pandemie, weil es die starken staatlichen Stützungsmaßnahmen gegeben hat. Von daher geben unsere Analysen Zuversicht, dass der Sektor damit umgehen könnte. Hinzu kommt, dass wir viel besser gelernt haben, – und da beziehe ich jetzt alle Akteure ein – mit den wirtschaftlichen Folgen eines Wiederaufflammens der Corona-Zahlen umzugehen. Die Regierung hat im vergangenen Jahr immer wieder nachgesteuert und die Maßnahmen zielgerichteter gemacht. Dieser starke Stress, den wir an den Finanzmärkten im März vergangenen Jahres gesehen haben, als wir alle überrascht waren, dass so eine Pandemie kommt und man nicht wusste, wie man damit umgeht – dieser Stress ist jetzt nicht so hoch. Wir haben zwar sehr stark nach oben gehende Infektionszahlen und ich will daran auch gar nichts schönreden, aber unmittelbaren Stress an den Finanzmärkten hat das bis jetzt nicht ausgelöst.

Dann zur Frage nach den physischen Risiken und ob die schwer zu modellieren sind. Die EZB hat einen Stresstest gemacht, der genau diese physischen Risiken zu modellieren versucht. Auch da gibt es natürlich eine sehr hohe Modellunsicherheit. Das betrifft alle Klimaszenarien. Wir nehmen da sozusagen das Beste, was die Klimaforscher uns bereitstellen können. Das ist sicherlich etwas, was außerhalb unserer Modellierungsfähigkeiten liegt. Wir arbeiten da sehr eng mit den Klimaforschern zusammen, das „Network for the Greening of the Financial System“ macht das. Man kann das modellieren und wenn man diese beiden Dinge nebeneinanderstellt, also unsere Studie, die sich wirklich auf einen Aspekt der Transition bezieht, und die Studie der EZB, dann gibt einem das ein Gefühl dafür, dass die Risiken aus dem Anstieg der CO2-Preise handhabbar sind und langfristig natürlich den positiven Effekt haben, dass wir diese großen physischen Risiken, die sonst eintreten, möglicherweise verhindern können. Kurzfristig diese Maßnahmen zu ergreifen, jetzt die richtige Klimapolitik zu machen, zahlt sich aus – auch für die Stabilität der Wirtschaft und des Finanzsystems insgesamt. Kennen die Banken die Risiken? Dazu wird sicherlich Herr Wuermeling noch mehr sagen wollen. Aber die Banken kennen die Risiken eben nur so gut wie die Unternehmen oder wie wir alle sie kennen. Deswegen sind Offenlegung und Taxonomie ganz wichtige Themen, die jetzt vorangetrieben werden müssen. Das werden wir übrigens auch in unserer G7-Präsidentschaft tun, die im nächsten Jahr ansteht.

Prof. Dr. Joachim Wuermeling:

Das ist in der Tat der entscheidende Punkt. Die Banken können natürlich ihre Risiken nur soweit kennen wie die Unternehmen, denen sie Geld leihen, sie auch kennen. Und da hapert es schon. Insgesamt ist das Interesse der Banken groß, sich mit den Klimarisiken zu beschäftigen, aber die Unzulänglichkeiten sind noch größer. Insofern müssen die Banken hier besser werden. Wir werden im Rahmen des Klima-Stresstests sowohl der EZB als auch der BaFin und Bundesbank im nächsten Jahr noch nähere Analysen durchführen können. Eine erste Befragung der großen systemischen Banken hat hier noch erhebliche Defizite ergeben. Ich will an der Stelle noch einmal darauf hinweisen, dass wir uns in der Bankenaufsicht bei unserer konkreten Aufsichtstätigkeit Tag für Tag auch darauf beschränken, eine risikoorientierte Betrachtung einzunehmen. Wir drängen die Banken nicht, in bestimmte Portfolios zu investieren oder in andere Portfolios nicht zu investieren. Wir geben auch keine aufsichtlichen Erleichterungen für Investitionen in besonders klimafreundliche Projekte. Nicht, weil wir das nicht gut finden würden, im Gegenteil, wir finden es gut. Aber das aufsichtliche Kriterium ist eben nur das Risikokriterium.

Zu der anderen Frage, die sich auf Corona bezog: Die Banken haben gelernt, unter Pandemiebedingungen zuverlässig und umfassend zu arbeiten und im vollen Umfang die Finanzdienstleistungen für die Volkswirtschaft zu erbringen, die Finanzmediation sicherzustellen. Insofern geht von den bedauerlichen Infektionszahlen aus meiner Sicht auch kein Risiko für die Funktionsfähigkeit des Bankensystems in Deutschland aus.

Frage:

Ich habe eine Frage an Frau Buch: Mich würden noch einmal Ihre Erläuterungen zum antizyklischen Kapitalpuffer interessieren. Sie sprachen ja davon, dass auch Deutschland rechtzeitig diesen Kapitalpuffer wieder erhöhen sollte. Er wurde im Zuge der Pandemie auf Null gesetzt und war eigentlich auf 0,25 angedacht gewesen. Können Sie das erläutern? Ab wann soll das erfolgen? Und in welchen Schritten, geht es gleich wieder auf 0,25?

Prof. Dr. Claudia Buch:

Zunächst einmal ist es die BaFin, die den antizyklischen Kapitalpuffer verlässlich festlegt. Wir haben immer sehr intensive Diskussionen darüber im Ausschuss für Finanzstabilität (AFS). Das ist das makroprudenzielle Gremium in Deutschland, das sich mit diesen Fragen beschäftigt. Daher haben wir im vorliegenden Bericht keinen detaillierten Pfad, weder zeitlich noch in Bezug auf die Höhe des Kapitalpuffers aufgezeigt, weil das im AFS besprochen werden muss. Wir sind da in sehr gutem Austausch und es gibt überhaupt keine Gegensätze. Aber wir müssen alle Beteiligten am Tisch haben, und die BaFin muss letztlich mit allen Beteiligten gesprochen haben, um zu guten Entscheidungen zu kommen. Im Bericht kann man sehen, und das ist jetzt vielleicht der quantitative Teil, dass natürlich erstmal rein mechanisch der antizyklische Kapitalpuffer hochgeht. In einer Pandemie oder in einer sehr starken Rezession, sinkt das BIP und die Kredite sind zum Teil auch wegen der staatlichen Maßnahmen weiter gestiegen. Wir haben uns angesehen, was passiert, wenn man den Sondereffekt der Pandemie herausrechnet. Da sieht man, dass der gegenwärtige Indikatorwert oberhalb des Wertes von 25 Basispunkten liegt. Das hat ganz einfach damit zu tun, was ich eben für die Wohnimmobilien gesagt habe, dass wir in all unseren Zeitreihen, wenn wir die BIP-Entwicklung außenvorlassen, überhaupt keinen Strukturbruch erkennen. Das läuft einfach so weiter. Im Prinzip sind die Bedingungen vor der Pandemie auch jetzt noch da. Aber wie man das genau macht und in welcher konkreten Schrittfolge, das muss besprochen werden und das entscheidet am Ende die BaFin. In diese Entscheidung fließt nicht nur die Kredit-BIP-Lücke ein, also der technische, regelgebundene Indikator, es ist auch eine Ermessensentscheidung. Selbst wenn wir sagen, die nachfrageseitigen Wohnimmobilieninstrumente müssen jetzt nicht angewandt werden, benötigen wir doch ein Paket, das mit den Risiken am Immobilienmarkt umgeht. Das können auch weichere Instrumente sein, anstatt die anderen Instrumente scharf zu schalten. Das ganze Paket muss wirklich gut überlegt und besprochen werden.

Prof. Dr. Joachim Wuermeling:

Nur eine technische Ergänzung: Die Schritte können nach den gesetzlichen Grundlagen nur Schritte von 25 Basispunkten sein, also keine 10er Schritte. Und in der Tat ist die Sicherheit über die Indikatoren nach wie vor verhältnismäßig groß. Auf eine Unsicherheit will ich noch hinweisen: Es gibt ja immer noch in erheblichem Umfang staatliche Hilfen. Die sollten eigentlich am 31.12. auslaufen, sind aber bis Ende März verlängert worden. Solange wir diese Klippe nicht umschifft haben, haben wir immer noch keine wirklich belastbare Sicherheit, dass es nicht doch noch zu größeren Kreditausfällen kommt. Und die müssten natürlich erst verarbeitet werden.

Prof. Dr. Claudia Buch:

Eine Ergänzung: Zu diesen Klippeneffekten gibt es sehr umfangreiche Arbeiten vom European Systemic Risk Board. An denen kann man auch sehen, dass die Fristen, wann die Maßnahmen auslaufen, immer wieder hinausgeschoben wurden, in dem Maße, in dem sich die Pandemie weiterentwickelt hat. Das gilt für alle europäischen Länder. Die Länder sind alle dabei, zielgerichtetere Maßnahmen zu ergreifen, weil sie natürlich wissen, sie können nicht dauerhaft allen Unternehmen einfach Liquidität bereitstellen. Man muss auch mit Insolvenz-Fragen oder Solvenz-Fragen umgehen. Von daher ist es sehr interessant zu sehen, wie alle europäischen Länder sehr koordiniert zu Beginn der Pandemie gehandelt haben und jetzt den unterschiedlichen Gegebenheiten Rechnung tragen. Gleichzeitig aber auch derselbe Ansatz dabei ist, sehr zielgerichtet zu helfen und gegebenenfalls auch die Maßnahmen zu verlängern.

Frage:

Sie sagen, der antizyklische Kapitalpuffer sollte aktiviert werden. Aber wenn ich Herrn Wuermeling richtig verstanden habe, könnte man dies erst machen, wenn die staatlichen Krisenhilfen beendet sind, wegen der möglichen Klippeneffekte?

Prof. Dr. Claudia Buch:

Das ist ein Aspekt, den man berücksichtigen muss, aber die regelbasierte Komponente, die gibt schon sehr eindeutige Signale. Natürlich sind dann auch noch andere Dinge zu berücksichtigen.

Frage:

Die Bundesbank sucht ja noch einen neuen Präsidenten oder eine neue Präsidentin. Frau Buch, Sie werden da ja gehandelt. Würden Sie den Posten übernehmen, wenn Sie gefragt würden?

Prof. Dr. Claudia Buch:

Diese Frage ist bei der Politik in sehr guten Händen.

Frage:

Ich habe eine Frage zum antizyklischen Kapitalpuffer. Frau Buch, Sie haben es so dargestellt, als müsste man da noch groß beraten. Allerdings habe ich durch die Zeilen schon deutlich herausgehört, dass Sie die Reaktivierung planen. Und in dem Gremium ist ja abgesehen von der Bundesbank ohnehin nur noch die BaFin drin. Da kann es nicht so kompliziert sein, sich abzusprechen Wann ist die nächste AFS-Sitzung, wann kann man damit rechnen, dass der antizyklische Kapitalpuffer reaktiviert wird? Und habe ich es richtig verstanden, dass es da nur um 25 Basispunkte gehen könnte, weil 50 Basispunkte auf einmal nicht möglich sind?

Prof. Dr. Claudia Buch:

Die Klarstellung von Herrn Wuermeling bezog sich darauf, dass 25 Basispunkte die Schrittfolge ist. Aber das heißt nicht, dass man nur 25 Basispunkte wählen kann. Ich hatte eben die Grafik zu Europa gezeigt. Im Bericht sind auch die Angaben für die anderen europäischen Länder enthalten. Die haben zum Teil auch größere Schrittfolgen benutzt. Das ist nur das Minimum — noch kleiner ist die Schrittfolge eben nicht möglich. Das ist gesetzlich vorgegeben. Das sind Punkte, die jedes Quartal im Ausschuss für Finanzstabilität besprochen werden. Die Forward Guidance zum antizyklischen Kapitalpuffer läuft Ende des Jahres aus.