Editierte Abschrift der Frage- und Antwortrunde anlässlich der Pressekonferenz am 14.11.2018 Vorstellung des Finanzstabilitätsberichts der Deutschen Bundesbank 2018 mit Frau Prof. Claudia Buch und Herr Prof. Joachim Wuermeling

Frage:

Eine Frage zu den Daten zu Wohnimmobilien. In Ihrem Redetext steht, Deutschland gehöre da zu den Schlusslichtern in Europa. Können Sie uns schildern, was sozusagen der „Goldstandard“ wäre? Was benötigen Sie, was es vielleicht anderswo gibt? Auf Seite 85 des Finanzstabilitätsberichts steht über den Stresstest: „Im ganz extremen Szenario könnte die Kernkapitalquote der Banken, die interne Modelle verwenden, um über 4 Prozentpunkte fallen“. Jetzt frage ich mich: Sind die Eigenkapitalvorgaben eigentlich nur für eine „Schön-Wetter-Periode“ geeignet? Müsste man nicht doch eine höhere ungewichtete Eigenkapitalquote haben?

Antwort Prof. Dr. Claudia Buch, Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank:

Zunächst zum Thema Daten. Ich würde mich scheuen, ein anderes Land herauszustellen und zu sagen, die machen es genau richtig und genau das brauchen wir auch. Es ist nicht so, dass wir gar nichts über den Immobilienmarkt wissen. Wir wissen sehr viel über die aggregierten Kredite, wir können in die Bilanzen der Banken schauen, in unsere üblichen Statistiken, und sehen, wie die Kreditvergabe aggregiert aussieht. Wir wissen aber nur sehr wenig auf einer systematischen Basis darüber, wie die Kreditvergabestandards sind. Also viele Dinge, über die wir reden, wenn es um das Thema Wohnimmobilien und Risiken für die Finanzstabilität geht. Viele Dinge haben etwas damit zu tun, wie die Vergabestandards sind, wie die Beleihungsausläufe aussehen, wie es mit der Verschuldung der Kreditnehmer aussieht. Und da fehlen auf einer systematischen Basis disaggregierte Daten. Das ist der wichtigste Punkt, um einschätzen zu können, ob sich Risiken für die Finanzstabilität aufbauen. Wir müssen mehr darüber wissen, wie die Vergabestandards sind und das auf einer sehr viel disaggregierteren, auf einer sehr viel granulareren Basis. Sie werden sicher gesehen haben, dass wir ein Set von Wohnimmobilien-Indikatoren auf unserer Homepage haben. Dieses speist sich zum Teil aus privaten Quellen, die alle sehr gut und sehr richtig sind für ihren Zweck. Aber wir brauchen, wenn es um aufsichtliche Themen geht, letztlich eine gute Datenbasis, die wir auch für die Einschätzung der Risikolage nutzen können. Zur Frage der Stresstests wird sicherlich Herr Wuermeling noch etwas sagen. Ich weiß nicht, auf welche Aussage Sie genau in dem Bericht anspielen. Es hat ja auch den europäischen Stresstest der EBA gegeben. Man muss ganz klar sagen, dass dieser Stresstest zunächst aus einer mikroprudenziellen Perspektive geführt worden ist. Dies ist vielleicht auch in den Medien ein bisschen verzerrt dargestellt worden. Mikroprudenziell und makroprudenziell sind nicht gegensätzlich. Ich habe gelesen, man müsse sich entscheiden, ob man auf der mikroprudenziellen oder auf der makroprudenziellen Seite stehe. Beides ergänzt sich sehr stark. Das Ziel der mikroprudenziellen Aufsicht ist es, auf die einzelne Bank zu schauen, wie diese mit einem Stressszenario umgehen würde – sich auch die Modelle anzusehen. Ziel der makroprudenziellen Aufsicht ist es, zu schauen, was Ansteckungseffekte im System sein können. Es ist eine makroökonomische Perspektive, wenn Sie so wollen. Und wir beschäftigen uns mit dieser Frage, wie konjunkturelle, zyklische Risiken abgebildet werden – auch in den Risikomodellen der Banken. Das ist das Thema, mit dem wir uns beschäftigt haben. Es geht jetzt nicht um die Frage, ob die Modelle gut oder schlecht sind. Hier stellt sich die Frage, ob sich Verstärkungseffekte im System in einem konjunkturellen Abschwung ergeben können, der schwerer ausfällt als erwartet. Und da sehen wir schon die Gefahr, dass das so sein könnte.

Antwort Prof. Dr. Joachim Wuermeling, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank:

Wenn ich Sie richtig verstanden habe, war Ihre Frage darauf gerichtet, ob nicht eine Unterschätzung der Risiken bei Banken, die interne Modelle anwenden, letztlich die Berechtigung für diese internen Modelle infrage stellt. Dazu ist zu sagen, dass die internen Modelle auf der Idee beruhen, dass man rückblickend für einen gewissen Zeitraum eine Wahrscheinlichkeit herauslesen kann, ob sich bestimmte Risiken auch in der Zukunft materialisieren werden. Wenn sie in diesem Bezugszeitraum – und der beträgt normalerweise fünf bis sieben Jahre – einen andauernden konjunkturellen Aufschwung haben, dann vermindern sich auch strukturell die Risiken. Deswegen sind die Prognosen für den folgenden Zeitraum günstiger, auch wenn innerhalb der Regeln für die internen Modelle verpflichtend vorgeschrieben ist, einen „Downturn“ zu berücksichtigen. Wir unternehmen in der Bankenaufsicht erhebliche Anstrengungen, um der Unterschätzung von Risiken in den internen Modellen entgegenzutreten. Wir haben auf der gesamten SSM-Ebene eine Übung durchgeführt, in der praktisch alle internen Modelle nochmals auf diese Gefahr hin durchgeschaut wurden. Ich bin Ihnen dankbar, Frau Buch, dass Sie nochmals sehr klar die unterschiedlichen Ansatzpunkte von Mikro- und Makroaufsicht dargestellt haben. Und der Umstand, dass man widerstandsfähige Banken hat, schließt nicht aus, dass es Gefahren für die Finanzstabilität aus makroprudenzieller Sicht gibt. In dieser Situation befinden wir uns heute. Wir arbeiten daran, dass die Widerstandskraft der Banken gestärkt wird. In den vergangenen zehn Jahren sind auch erhebliche Fortschritte erzielt worden. Im Übrigen wird es mit dem weiteren Kapitalaufbau im Rahmen vom Basel III noch zur Stärkung der Kapitalkraft kommen. Die Prüfung der internen Modelle ist eine wichtige Maßnahme, aber auch die Stresstests, auf die Sie Bezug genommen haben. Auch das Deleveraging schreitet voran. Insofern können wir zukünftigem Stress mit größerer Gelassenheit entgegensehen als in der Vergangenheit. Das heißt natürlich nicht, dass es diese Risiken nicht gibt. Deswegen ist unsere permanente Aufforderung an die Finanzdienstleister, an die Banken, nicht nachzulassen in den Anstrengungen, die Robustheit zu stärken, höhere Eigenkapitalpuffer aufzubauen. Und da haben wir im deutschen Bankenmarkt das große Problem der Ertragsschwäche, die schlicht und einfach die Möglichkeiten einschränkt, zusätzliche Puffer aufzubauen. Dennoch stellen wir fest, dass die Banken das versuchen. Wir achten mit allen unseren Möglichkeiten darauf, dass die Zinsänderungsrisiken, Kreditrisiken, Marktrisiken nicht unterschätzt werden.

Frage:

Ich habe drei Fragen. Ich bitte um Erklärung zur Unterschätzung von Kreditrisiken. Da sind furchtbar viele Konjunktive drin, „könnten“, „würden“ und „hätten“. Können Sie es für mich etwas konkreter machen: Auf was für einer Basis können Sie wirklich sagen, dass Banken Kreditrisiken unterschätzen. Die Risikogewichte sind ein Stück gestiegen, sie sind aber immer noch auf sehr niedrigem Niveau, wenn ich das in der Abbildung sehe. Dass das ausgeweitet wurde an Unternehmen, die tendenziell weniger Eigenkapital haben, heißt ja nicht, dass es potenziell ausfallgefährdet ist. Vielleicht können Sie mir Interpretationshilfe geben? Zweite Frage: Banken und Eigenkapital. Herr Wuermeling, Sie haben es eben angesprochen: Thesaurierung geht nicht in einem Konjunkturabschwung mit Verlusten. Eigenkapital am Markt geht auch nicht, wenn alle gleichzeitig kommen und RWA-Abbau geht auch nicht, weil es die Konjunkturkrise verstärkt. Also was sollen Banken denn nun machen? Was ist die Handlungsempfehlung, auch wenn sie keine geben dürfen als Aufseher. Dritte Frage: In den vergangenen Tagen haben Frau Lautenschläger und Herr Hufeld betont, dass es auf der einen Seite keine Aufsicht der leichten Hand gebe, gleichzeitig aber immer wieder die Betonung, dass man die Regulierung überprüft und schaut, wo man etwas abbauen kann. Ist das ein Widerspruch oder verstehe ich das nur falsch?

Antwort Prof. Dr. Claudia Buch, Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank:

Zunächst zu dem Thema Unterschätzung von Kreditrisiken. Das hat zwei Dimensionen. Herr Wuermeling hat beide schon sehr gut dargestellt. Einmal geht es darum, wie gut die Prognosekraft der Entwicklung in der Vergangenheit nach vorne blickend ist. Ich habe das vielleicht etwas plakative Beispiel des langen Sommers genutzt. Ein wenig hatte man schon vergessen, dass es auch irgendwann wieder grau und nebelig sein wird, so wie jetzt. Ich glaube, das ist aber sehr viel fundamentaler. Alle Bewertungen sind dadurch, dass wir sehr niedrige Zinsen haben, gegenüber ihrem langfristigen Gleichgewichtswert, wo immer der liegen mag, etwas zu günstig. Und natürlich sind das auch Dinge, die sich in den Bilanzen, in den Risikobewertungen reflektieren. Die Frage ist, ob wir die sehr gute wirtschaftliche Entwicklung, die wir in der Vergangenheit hatten, wirklich so fortschreiben können. Das Risiko, dass das nicht der Fall sein wird, ist gestiegen, weil wir viele Unsicherheiten haben – das ist der erste Punkt. Der zweite Punkt war in der Grafik veranschaulicht. Was passiert eigentlich im gesamten System? Da können sich Rückkopplungseffekte ergeben, die auch durch das Risikomanagement eines jeden einzelnen Marktteilnehmers nicht wirklich gut abzubilden sind. Also sind es diese beiden Dimensionen: die Prognosefähigkeit und das, was eigentlich im System passiert. Was sollen die Banken tun oder was braucht das Finanzsystem insgesamt, um hinreichend stabil zu sein, auch über einen zyklischen Abschwung hinweg. Das sind ausreichende Puffer, die man dann im Abschwung tatsächlich nutzen kann, um diese Ansteckungseffekte zu reduzieren. Was bedeuten all diese Überlegungen für die Regulierung? Was ist nach vorne blickend schon geschehen? Müssen Dinge angepasst werden? Es ist eine Diskussion, die immer wieder aufkommt. Erst einmal ist es wichtig zu sagen, dass ganz wesentliche Regulierungspakete abgeschlossen sind, also dass jetzt nicht neue Dinge geplant sind. Aber es ist noch nicht alles voll implementiert. Und wir müssen auch beim Thema Finanzstabilität immer darauf achten, wohin Risiken abwandern, in welche Bereiche des Finanzsystems. Es ist zunächst einmal eine Frage der Beobachtung von Risiken, dann aber auch die Frage, wo möglicherweise Handlungsbedarf besteht. Nach hinten blickend die Reformen, die bisher umgesetzt sind. Dafür gibt es ein sehr strukturiertes Verfahren auf G20-Ebene bzw. beim Financial Stability Board ein Rahmenwerk zur Evaluierung von Reformen, das im Moment auch schon angewendet wird. Im vergangenen Jahr hatte ich darüber berichtet, dass wir dieses Rahmenwerk haben. Es gab aber noch keine konkreten Anwendungsbeispiele. Inzwischen gibt es diese. Und ich glaube, das ist ein sehr guter und sehr strukturierter Prozess, um mit vielen unterschiedlichen Regulierungsthemen umzugehen.

Antwort Prof. Dr. Joachim Wuermeling, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank:

Es gibt nicht die geringste Absicht, die Regulierungsstandards zu senken. Aber es gibt natürlich die Historie, dass die Regulierung, die in Folge der Finanzmarktkrise ergriffen wurde, in erster Linie große, systemisch relevante Institute im Blick hatte. Das kommt alles aus einer G20-Vereinbarung über Europa dann zu uns. Und dass manche Regeln, die dann, wenn sie in kleinen und mittleren Banken angewendet werden, eigentlich wenig Sinn ergeben. Dies ist Gegenstand des Monitorings, das wir sowohl auf der Ebene des Baseler Ausschusses, auf der Ebene der Europäischen Union wie auch auf deutscher Ebene haben. Die Bundesbank hat sich mit sehr klaren Vorschlägen an der Debatte beteiligt, für eine kleine Absenkung der Meldestandards für kleine und mittlere Unternehmen. Das ist im Moment in der Schlussphase der Gesetzgebung in Brüssel, und da haben wir auch schon die ersten Erfolge erzielt. Zu den Kreditstandards: Wir stellen fest, dass sich die Kredit/BIP-Lücke schließt. Damit ist angesichts des Einlagenüberschusses die Versuchung groß, die Kreditstandards zu senken. Das haben wir auch im Bank Lending Survey in Ansätzen gesehen. Die Überzeichnung von vielen Asset-Preisen im Zuge der ultraexpensiven Geldpolitik kann auch dazu führen, dass Sicherheiten überschätzt werden. Das sind die Faktoren, die hier eine Rolle spielen. In der Krise bestehen für eine Bank zwei Möglichkeiten, die Frau Buch erwähnt hat. Einerseits Deleveraging, andererseits Kapitalaufbau. Das ist in Deutschland nicht so einfach. Deswegen auch unsere Empfehlung, in guten Zeiten entsprechende Puffer aufzubauen, damit man in so einer Situation nicht gezwungen ist, letztlich seine Geschäftstätigkeit einzuschränken, die dann die von Frau Buch geschilderte Spirale auslösen würde, die am Ende zu Gefahren für die Finanzstabilität führen würde.

Frage:

Wenn man Ihren Bericht liest, hat man das Gefühl, dass es zu 50 Prozent um Wohnimmobilien, also um Kredit-Immobilienrisiken geht. Auch als Laie hat man das Gefühl, dass sich ganz schöne Risiken aufbauen, so wie Sie das formulieren. Auf Seite 58 schreiben Sie, dass Sie keinen Grund sehen, zu handeln. Das erschließt sich mir nicht – also die Hälfte dieses Berichts den Immobilienrisiken zu widmen und dann zu sagen, aber eigentlich muss man gar nichts tun. Was muss denn passieren, damit Sie etwas tun? Die zweite Frage ist zu dem Thema, was die Aufsicht jetzt machen kann. Verstehe ich das richtig, Sie fordern, dass man auch antizyklische Puffer einführen sollte? Viele Länder haben diese Puffer. Ich glaube, wir nicht. Vielleicht können Sie dazu etwas sagen. Und eine kurze Frage zur Datenlage. Was wird Ihnen denn entgegengehalten? Sie fordern ja seit Jahren, dass sich die Datenlage verbessern muss. Was wird Ihnen entgegengehalten auf politischer Seite, warum das nicht getan wird. Eigentlich wird immer gesagt, man müsse alles tun, um das Finanzsystem sicherer zu machen, und da tut sich nichts in diesem Punkt. Warum nicht? Und die letzte Frage: Sind Sie beunruhigt oder sind Sie entspannt, was das Finanzsystem angeht?

Antwort Prof. Dr. Claudia Buch, Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank:

Ich würde die erste und dritte Frage zu den Daten zusammenfassen, weil es da um dasselbe Thema geht. Dass es zur Hälfte in dem Bericht um Wohnimmobilien geht, ist nicht der Fall. Das Thema ist natürlich sehr stark in der öffentlichen Wahrnehmung. Man sieht fast jeden Tag im Fernsehen Berichte hierzu. Von daher ist es ein sehr relevantes Thema – nicht nur für die Finanzstabilität. Eine bessere Datenlage in diesem Bereich wäre im Übrigen auch für viele andere Politikbereiche hilfreich. Aber wir sprechen jetzt über Finanzstabilität. Was wissen wir über wichtige Indikatoren wie Vergabestandards oder wie Verschuldung? Dieses ganze Bündel an Indikatoren sehen wir uns an, wenn wir zu einer Einschätzung der Lage der Finanzstabilität kommen oder zu den Risiken aus den Wohnimmobilien. Ein Preisanstieg alleine – wenn dieser im Extremfall durch eine sehr hohe Eigenkapitalfinanzierung der Investoren getrieben ist, kann das sehr schmerzlich werden für einzelne Investoren, die sich verspekuliert haben – wäre aber kein Thema für die Finanzstabilität, weil sich daraus keine Ansteckungseffekte für das Finanzsystem ergeben würden. Das bedeutet auch, dass die Hürde, wirklich scharfe makroprudenzielle Instrumente in diesem Bereich zu aktivieren, sehr hoch liegt. Wenn Sie sich ansehen, was andere Länder tun: Diese schränken die Beleihungsausläufe ein, also wieviel Kredit ich für eine Immobilie aufnehmen kann. Die sehen sich auch die Einkommenssituation der privaten Haushalte an, und das sind alles nachfrageseitige Instrumente, die mit einer sehr hohen Hürde versehen sind, bevor man diese aktivieren würde. Und das hat auch etwas mit der Datenlage zu tun. Wir wissen, wir können uns die aggregierten Informationen ansehen, aber wir wissen sehr wenig auf disaggregierter Ebene.

Auch darüber, wie ein nachfrageseitiges Instrument potenziell wirken würde, haben wir nicht viele Informationen. Aber aus den aggregierten Daten ergibt sich im Moment das Gesamtbild, dass die Preise zwar steigen, die Kreditvergabe aber nicht zu dynamisch ist. Gerade wenn man den Indikator der Verschuldung der privaten Haushalte nimmt, haben wir im Aggregat keine starke Dynamik. Die anderen Punkte, über die wir hier gesprochen haben – zyklische Risiken, Überbewertungen – das hat letztlich auch damit zu tun, ausreichende Puffer auf der Angebotsseite aufzubauen, also bei denjenigen, die die Immobilienfinanzierung durchführen. Was wir sagen ist: Speziell für den Immobilienmarkt sehen wir im Moment keinen Handlungsbedarf, aber mit Blick auf den allgemeinen Aufbau zyklischer Risiken schon. Von daher ist das Thema durchaus abgedeckt. Das ist alles Teil eines Gesamtbildes.

Was den antizyklischen Kapitalpuffer angeht, ist das sicherlich etwas, worüber wir diskutieren. Ich hatte schon gesagt, dass der makroprudenzielle Handlungsbedarf ein ganzes Spektrum an Instrumenten umfassen kann. Die Tatsache, dass wir jetzt über diese Dinge reden und unsere Einschätzung der Lage kommunizieren, ist durchaus schon eine weiche Maßnahme. Wir sind, um zu Ihrer letzten Frage zu kommen, eben nicht vollständig entspannt, weil wir sehen, dass sich zyklische Risiken im Finanzsystem aufbauen.

Antwort Prof. Dr. Joachim Wuermeling, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank:

Ich möchte nur kurz etwas zu der Bemerkung ergänzen: „Wir tun ja nichts“. Das sehe ich für die Bankenaufsicht keineswegs so. Im Gegenteil, wir tun eine ganze Menge. Ich habe eine ganze Reihe von Maßnahmen genannt wie Kapitalaufbau, Deleveraging, Verbesserung des Risikomanagements und so weiter. Der Schwerpunkt des Handelns liegt im Moment auf der mikroprudenziellen Seite, und Sie haben eben Möglichkeiten angesprochen, makroprudenziell zu handeln. Wenn wir jetzt alle Beteiligten auffordern, Puffer aufzubauen, also präventiv zu handeln, dann ist es genau das, was wir auch mit dem antizyklischen Kapitalpuffer verordnen könnten. Diese Puffer sind ja so konstruiert, dass sie in guten Zeiten aufgebaut werden und in schlechten Zeiten von einem auf den anderen Tag wieder abgebaut werden. So einen Puffer braucht man, um das gerade erwähnte Dilemma zu vermeiden. Insofern würde ich sagen, wir sind weder beunruhigt noch entspannt, sondern wir sind auf alles vorbereitet und appellieren an alle, ebenso vorbereitet zu sein.

Antwort Prof. Dr. Claudia Buch, Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank:

Ein Satz noch zu dem antizyklischen Kapitalpuffer: Es gibt eine regelgeleitete Komponente und es gibt einen Ermessensspielraum. Es ist ganz interessant, sich anzusehen, wie die anderen Länder hier argumentieren, dazu haben wir auch etwas im Finanzstabilitätsbericht. Denn so wichtig Regelbindung und strukturiertes klares Handeln sind, so schwierig ist es doch gerade, wenn sich eine etwas unterschiedliche Risikolage ergibt, dann nur den harten Regeln zu folgen. Also von daher sind diese ganzen Analysen, die wir in dem Zusammenhang betreiben, ein wichtiger Input. Letztlich baut die ganze makroprudenzielle Arbeit auf der guten mikroprudenziellen Arbeit auf, und umgekehrt gibt es Feedback von unseren Analysen in diesen mikroprudenziellen Aufsichtsbereich. Zur Frage, was die Politik in Bezug auf die Verbesserung der Datenlage unternimmt. Wir diskutieren darüber im Ausschuss für Finanzstabilität und sprechen mit den zuständigen Kollegen. Es gibt eine große Bereitschaft, hier weiter voranzugehen. Herr Hufeld hat sich ja auch zu diesem Thema geäußert. Es ist ganz klar, dass wir etwas tun müssen. Wir hatten die Diskussion auch schon, wenn Sie sich erinnern. Es gab die Empfehlung des Ausschusses für Finanzstabilität, makroprudenzielle Instrumente für den Immobilienmarkt und eine ausreichende Datengrundlage zu schaffen. Es sind dann nur zwei der vier empfohlenen Instrumente vom Gesetzgeber geschaffen worden. Das Thema Datengrundlage ist erstmal zurückgestellt worden. Einer der Gründe dafür war, dass natürlich eine besondere Sensitivität zugrunde gelegt werden muss, wenn es um personenbezogene Informationen zur Verschuldung privater Haushalte geht. Aber wir sind jetzt sehr strukturiert dabei, mit dem Thema weiter voranzugehen.

Frage:

Mir ist aufgefallen, dass Sie sich sehr besorgt zeigen, wie prozyklisch das alles wirkt. Es kommt die Angst zum Ausdruck, dass sich das nachteilig auswirken könnte. Sind da nicht die Aufsichtsstandards schlecht? Man hat jetzt ein prozyklisches Instrumentarium eingeführt. Anfang nächsten Jahres werden zum ersten Mal Bilanzen nach IFRS 9 vorgelegt, wo auch kritisiert wird, dass es sehr prozyklisch wird. Das könnte einen nervös machen. Wie schätzen Sie das ein? Ist das vielleicht ein Problem der Aufsichtsstandards? Oder soll jetzt die makroprudenzielle Aufsicht reparieren, was man mikroprudenziell vergeigt hat, in Basel oder bei den Gremien, die das alles festsetzen? Denn die makroprudenzielle Aufsicht ist ja auch noch nicht so alt, und wie das alles zusammenspielt, ist auch nicht jedem klar. Zweitens, mir ist bei den Wohnimmobilien jetzt klar geworden, dass Sie eine bessere Datenlage fordern, Herr Hufeld hat angekündigt, dass es da eine Abfrage geben wird. Gibt es außerdem noch Maßnahmen, die Sie jetzt ergreifen werden? Wenn ich Sie richtig verstanden habe, geht der Appell an die Banken, weiter Kapital aufzubauen. Man droht damit, dass man sonst einen antizyklischen Kapitalpuffer verhängt. Wie ist sonst die Agenda? Erwartet man, dass dann dieses neue Meldeformat da ist und schaut sich die Immobiliendaten an, um gegebenenfalls weiter zu entscheiden, oder gibt es da noch mehr?

Antwort Prof. Dr. Claudia Buch, Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank:

Ich fange mit der Frage an, ob die Aufsichtsstandards schlecht sind. Es geht nicht darum, die Aufsicht oder die internen Modelle der Banken zu kritisieren. Bei der mikroprudenziellen Aufsicht geht es darum, sich mit der Solvenz und der Liquiditätssituation der einzelnen Banken zu beschäftigen. Das Bankgeschäft, das Finanzgeschäft ist nun einmal sehr komplex, entsprechend ist auch die Regulierung komplex. Es geht überhaupt nicht darum, jetzt als makroprudenzielle Aufsicht die Fehler der Mikroaufsicht zu reparieren. Es geht hier darum, sich das gesamte Finanzsystem anzusehen. Die makroprudenzielle Aufsicht schaut sich nicht nur die Banken an. Der Finanzstabilitätsbericht beschäftigt sich auch sehr intensiv mit dem Thema Versicherungen, Pensionsfonds, mit der internationalen Lage. Es geht um das Zusammenspiel der Akteure im Finanzsystem und die Frage, ob es andere Bereiche im Finanzsystem gibt, die möglicherweise Risiken ausgleichen können. Gerade für die Risiken, die wir identifiziert haben, sehen wir das im Moment nicht, sondern wir sehen viele Teile des Finanzsystems, die in ähnlicher Weise Risiken ausgesetzt sind. Also nochmals, es gibt keinen Gegensatz, sondern eine Ergänzung zwischen der mikroprudenziellen und der makroprudenziellen Aufsicht. Beide haben ihre Berechtigung, das ist natürlich auch im Baseler Rahmenwerk mit verankert. Klar, seit der Krise haben wir eine sehr gute Konjunktur gehabt, daher sind viele dieser Maßnahmen noch nicht getestet. So schreibt der Internationale Währungsfonds das auch in seinem Global Financial Stability Report. Deswegen sehen wir uns diese Dinge an. Der dritte Punkt, zu den Daten und wie es bei dem Immobilienthema weitergeht: Es ist nicht so, dass wir jetzt alle nur darauf warten, dass die Daten kommen. Wir machen regelmäßiges Monitoring, wir machen mit den vorhandenen Informationen unsere Analysen zur Finanzstabilität. In unserem Bericht ist auch ein makroprudenzieller Stresstest für die Banken. Und da sehen wir bestimmte Indikatoren, die ein stärkeres Risiko anzeigen, wir sehen andere Indikatoren, die das nicht so stark tun. Dieses Monitoring machen wir regelmäßig.

Frage:

Eine Frage an Sie Frau Buch: In den vergangenen Jahren haben Sie die Überbewertung der Wohnimmobilien verglichen mit dem, was man als vernünftig aus Fundamentaldaten herbeileiten könnte, und ich meine, mich zu erinnern, dass es vor zwei, drei Jahren mit 15% Überbewertung anfing und hoch ging auf bis auf 30%. Jetzt sprechen Sie von 15 bis 30%. Diese Spanne ist relativ groß. Heißt das, dass Sie sich wieder ein bisschen weniger sorgen?

Antwort Prof. Dr. Claudia Buch, Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank:

Nein, das ist eigentlich ein vergleichsweise konstantes Bild, was sich da zeigt. Ich sage vielleicht nochmal kurz, was die Fundamentaldaten sind, die hier in die Schätzung eingehen: Wie entwickelt sich die Demographie, wie entwickelt sich die regionale Wirtschaft? Das ist ein regional sehr disaggregiertes Modell der Preise für Wohnimmobilien. Es sind auch unterschiedliche empirische Modelle, die zur Anwendung kommen. Daraus ergibt sich diese Spannbreite der Überbewertung relativ zu den genannten Fundamentaldaten. Und da gibt es keine große Veränderung, weder in die eine noch in die andere Richtung.

Frage:

Ich würde gerne zur Unterschätzung von Kreditrisiken nachfragen. Ist es so, dass die Risikovorsorge momentan ausreicht oder ist zu wenig gemacht worden? Dann zum Thema Puffer bei den Banken: Sie sagen, die sollen jetzt Kapitalpuffer aufbauen. Ist es dafür nicht schon zu spät, also hätten die Banken das nicht in den Jahren vorher machen müssen? Außerdem würde ich gerne wissen, inwiefern Sie das Thema Italien beunruhigt, also vor allem auf das Bankensystem und die Banken bezogen, aber auch mit Blick auf das Finanzsystem allgemein.

Antwort Prof. Dr. Joachim Wuermeling, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank:

Die Risikovorsorge ist ein Vorgang, der greift, wenn ein bestimmter Kredit notleidend wird. Das ist durch Bilanzierungsregeln vorgegeben, wann Sie denn dort Rückstellungen bilden müssen, das ist ein ganz konkreter Anlass. Mit Risikovorsorge ist in dieser Terminologie nicht allgemein gemeint, dass man für sein Risiko vorsorgt, sondern die Risikovorsorge findet dann statt, wenn ein Kredit ausfallgefährdet wird. Wenn dieser Anlass vorliegt, dann ist es durch die entsprechenden Bilanzierungsregeln vorgegeben, dass diese Vorsorge betrieben werden muss. Das steht im Grunde nicht im Ermessen der Bank, Risikovorsorge im engeren Sinne zu betreiben, sondern muss ausgelöst sein durch ein entsprechendes Event innerhalb dieses Kreditvertrags. Wir sehen natürlich, dass Puffer aufgebaut worden sind, auch über die gesetzlich vorgegebenen Eigenkapitalanforderungen hinaus. Dafür gibt es auch die entsprechenden Bilanzierungsregeln. Aber wir sind der Auffassung, und das ist unsere Hauptbotschaft heute, dass die Widerstandskraft gegenüber schlechteren Zeiten noch weiter verstärkt werden sollte, dass man größere Puffer haben sollte. Und in der Tat ist insofern die Bankenaufsicht zyklisch, als dass, wenn schlechte Ereignisse eintreten, man nicht sagen kann, dann senken wir die Eigenkapitalanforderung. Das wäre ja völlig abstrus, und deswegen eben auch die klare zweite Botschaft, zyklische Risiken erfordern präventives Handeln.

Antwort Prof. Dr. Claudia Buch, Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank:

Es liegt in der Natur der Sache von Finanzstabilitätsberichten, dass wir sagen, was passiert, wenn die Negativszenarien eintreten. Zunächst müssen wir überlegen, was die Basislinie im Moment ist oder das Basisszenario, und das ist eine weiter intakte konjunkturelle Situation. Das heißt, wir haben schon Zeit, jetzt ausreichende Puffer aufzubauen, Vorsorge zu betreiben, sozusagen das Immunsystem des Finanzsystems zu stärken. Von daher würde ich das jetzt nicht so sehen, dass es schon zu spät ist, sondern wir müssen diese Zeit jetzt auch nutzen. Das ist nicht nur etwas, das Deutschland betrifft, das betrifft auch viele andere Länder. Ganz ähnlich hat es auch der Internationale Währungsfonds in seinem aktuellen globalen Finanzstabilitätsbericht gesagt. Italien ist natürlich ein Thema, mit dem wir uns sehr intensiv beschäftigen. Das hat auch eine ganze Reihe von politischen Dimensionen, die wir hier natürlich jetzt nicht diskutieren können. Die Situation zeigt aber, dass wir sehr viele Unsicherheiten haben, auch politische Unsicherheiten, sie zeigt, dass wir eben auch für diese Zeiten Vorsorge treffen müssen, in denen sich dann möglicherweise Risiken realisieren. Was wir bisher gesehen haben an den Märkten waren Korrekturen der Preise, auch Korrekturen der Spreads für Italien, aber bisher hat es keine großen Ansteckungseffekte gegeben. Eben kam die Frage nach der Regulierung und wo wir da stehen. Ich glaube, das ist jetzt nichts, worüber wir in den Gremien ganz aktuell sprechen, aber natürlich gibt es nach wie vor auf der Regulierungsagenda die Frage „Wie gehen wir eigentlich mit dem Risiko von Staaten in den Bilanzen der Banken um?“ Also den „Bank-Sovereign-Nexus“, der viel besprochen worden ist, und den man natürlich auch am Beispiel Italien sehen kann. Aber ich denke, das ist etwas, das in Ruhe besprochen werden muss, und nichts, was jetzt als akut auf der Agenda steht.

Frage:

Frau Buch, ich wollte nachfragen zur Frage nach den antizyklischen Kapitalinstrumenten. Da haben Sie gesagt, die Hürde, solche Instrumente zu aktivieren, liege sehr hoch, und es liege auch daran, dass Sie nicht ausreichend granulare Daten hätten, sodass Sie die Wirkung dieser Instrumente schlecht einschätzen könnten. Diese Antwort bezog sich tatsächlich auf mögliche antizyklische Kapitalpuffer für Banken?

Antwort Prof. Dr. Claudia Buch, Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank:

Nein. Die Hürde für die Aktivierung von Instrumenten ist, dass wir natürlich gute Analysen durchführen müssen und uns damit beschäftigen müssen, wie denn die potenzielle Wirkung sein könnte. Das gilt grundsätzlich für alle Maßnahmen. Ich hatte hier speziell über das Thema der Maßnahmen gesprochen, die auf der Kreditnachfrageseite ansetzen, weil wir die Dinge so noch nicht zur Verfügung hatten. Also die Frage „Will ich konkret bei einer Immobilienfinanzierung die Beleihungsausläufe begrenzen?“ Die beiden Möglichkeiten, die für den Wohnimmobilienmarkt speziell zur Verfügung stehen würden sind, den Wert der Kredite relativ zum Wert der Immobilie zu beschränken, also die Beachtung der sogenannten Loan-to-Value-Ratio, und Amortisationsanforderungen zu stellen. Wir sehen keine Notwendigkeit, speziell über diese Instrumente nachzudenken. Und dabei haben wir auch das Datenthema. Bei dem antizyklischen Kapitalpuffer ist es ein bisschen anders, der würde auch bei den Banken ansetzen, da haben wir eine ganz andere Datenlage und auch bei der Analyse, die dahinter liegen würde, sieht es ein bisschen anders aus, als wenn man jetzt über diese neueren Instrumente nachdenken würde.

Frage:

Das ist das, worüber Sie auch diskutieren?

Antwort Prof. Dr. Claudia Buch, Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank:

Genau das wird auch in den internationalen Gremien diskutiert. „Wie sieht es mit dem antizyklischen Kapitalpuffer aus, ist jetzt die Zeit, diesen anzuwenden?“ Diese Diskussion wird auch international und europäisch geführt.

Antwort Prof. Dr. Joachim Wuermeling, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank:

Das ist eine Ermessensentscheidung, aber es gibt einen ganz klaren Indikator, und das ist die Kredit/BIP-Lücke und die lässt sich relativ verlässlich berechnen.

Frage:

Sie rufen die Banken auf, sich noch stärker mit der Vorsorge zu beschäftigen und notfalls weitere Kapitalpuffer aufzubauen. Meine erste Frage dazu: Betrifft das vor allem die großen börsennotierten Banken, betrifft das eher kleinere Banken und wo sehen Sie da den größten Bedarf im Bankensystem? Und zweite Frage zum Thema der Wohnimmobilien: Sie sprechen von Übertreibungen von 15 bis 30 Prozent in den Städten, setzen das in Beziehung zur Verschuldung der Haushalte und schlagen keinen Alarm, zumindest nicht laut. Ab welchem Maß der Übertreibungen würden Sie deutlich lauter werden und wie würden Sie das entsprechende Schuldenniveau der privaten Haushalte in Beziehung setzen?

Antwort Prof. Dr. Claudia Buch, Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank:

Zunächst zur ersten Frage: Wo der größere Bedarf ist, bei größeren oder kleineren Banken, was die Exponiertheit gegenüber zyklischen Risiken angeht. Ich würde da keine Rangfolge treffen, und nicht sagen, dass es bei den größeren Banken weniger virulent ist als bei den kleineren oder umgekehrt. Sondern ich würde sagen, die Ausprägung der zyklischen Risiken ist unterschiedlich, je nachdem, ob Sie sich die größeren Banken oder die kleineren Banken ansehen. Nehmen Sie als Beispiel die Zinsänderungsrisiken, das ist eine Facette der makroökonomischen oder zyklischen Risiken. Da sind sicher die kleineren und mittelgroßen Banken in Deutschland stärker exponiert. Da sind auch viele, die gleichzeitig eine Verwundbarkeit haben, während andere Banken andere Themen haben. Wir haben lange über die Kreditrisiken gesprochen. Ich könnte jetzt nicht gewichten, wo der Handlungsbedarf stärker ist, sondern insgesamt haben wir ein System, in dem sich diese zyklischen, diese makroökonomischen Risiken aufbauen. Und davon sind größere Teile des Bankensystems betroffen. Dann die Frage, ab welchem Schwellenwert man nun handeln würde. Wenn unsere Volkswirte ausgerechnet hätten, etwa eine Zahl zwischen 20 bis 40 Prozent, würden wir dann sagen, jetzt ist es aber soweit? Sie haben es eben an der Diskussion über den antizyklischen Kapitalpuffer gesehen. Da gibt es durchaus den Versuch, einen ganz klaren Schwellenwert festzulegen. Nichtdestotrotz ist da immer noch eine Ermessensentscheidung enthalten, und das halte ich auch für sinnvoll. Ich glaube nicht, dass man makroprudenzielle Politik so betreiben kann, dass man sagt, das ist ein klarer Schwellenwert, und wenn dieser überschritten wird, gehen alle Warnsignale an, sondern wir sehen uns eine Vielzahl von Indikatoren an und versuchen, zu einer Abschätzung zu kommen. Da sind natürlich auch quantitative Modelle dahinter, wie würde etwa eine bestimmte Verschlechterung der Rahmenbedingungen auf die Banken wirken. Aber Sie werden immer auch einen Ermessensteil haben und das ist auch sinnvoll. Wir haben zum Beispiel Frühwarnindikatoren im Bericht. Im Bericht gibt es eine Box, in der das beschrieben wird. Und da sehen Sie, dass die Immobilienpreise nach vorne blickend sehr starke Warnsignale geben. Das wird für Deutschland dadurch abgemildert, dass wir einen sehr hohen Leistungsbilanzüberschuss haben. Von daher springt dieser Frühwarnindikator nicht so stark an, sondern Sie haben diese beiden Effekte, die Immobilienpreise und den Leistungsbilanzüberschuss. Aber genau das kann nach vorne gerichtet auch ein Risiko sein, wenn die Handelskonflikte weiter eskalieren würden. Von daher müssen wir uns immer mehrere Indikatoren ansehen und können nicht nur auf einen Wert blicken, sondern müssen auch sehen, wie sich die Dinge zusammensetzen.

Frage:

Sie werden gestatten, dass ich als vielleicht einziger Brite im Raum eine Frage zum Brexit stelle. Es gibt ja durchaus Finanzstabilitätsrisiken bei einem harten Brexit. Frau May wird heute ihren Plan im Kabinett vorstellen. In Bezug auf die Finanzstabilitätsrisiken würde mich interessieren, was Ihnen am meisten Sorgen bereitet? Wir haben gestern von der EU-Kommission gehört, dass es „Equivalence“ für Clearinghäuser aus England geben kann, auch sehr schnell. Also ist das Thema vom Tisch? Was sind die Punkte, wo Sie sehen wollen, dass Banken vorbereitet sind?

Antwort Prof. Dr. Claudia Buch, Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank:

Ich kann die Frage relativ kurz beantworten, vermutlich ein bisschen zu allgemein gemessen an dem, was Sie als Antwort erwarten. Am meisten Sorge bereitet mir, dass die Marktteilnehmer sich nicht ausreichend vorbereiten und alle darauf hoffen, dass alles schon irgendwie politisch geregelt wird. Das ist auch ein Beispiel dafür, wie unsicher die Situation ist. Jetzt sind wir durch die Meldung von gestern vielleicht etwas hoffnungsfroher, dass ein harter Brexit abgewendet wird. Wir sind selbst nicht in die Verhandlungen eingebunden, von daher kann ich keine Einschätzung dazu geben. Alle beobachten natürlich, was passiert und alle nehmen auch wahr, welche Ratschläge gegeben werden. Die Kommission hat das auch getan. Und es sollte jeder einzelne sein Geschäftsmodell, seine Risiken überprüfen und sich auch auf das potenzielle Risiko eines harten Brexits einstellen. Und das können ganz unterschiedliche Dinge sein, deswegen ergibt es an dieser Stelle keinen Sinn, da jetzt ins Detail zu gehen und zu überlegen, was die wichtigste Maßnahme ist. Aber wenn sich alle darauf verlassen, dass es schon irgendwie gutgeht, und dass irgendjemand zu Hilfe kommt, und die Regulierung entsprechend so anpasst, kann das dann risikoreich sein. Wenn alle mit der angemessenen Besonnenheit daran gehen und sich gut vorbereiten, dann – man kann kurzfristige Verwerfungen an den Märkten nie ausschließen – ist es sehr unwahrscheinlich, dass es zu großen Risiken für die Finanzstabilität kommt.

Antwort Prof. Dr. Joachim Wuermeling, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank:

Vielleicht noch zur Einschätzung aus aufsichtlicher Sicht. Mittlerweile haben insbesondere die international tätigen Institute solide Pläne für die Vorbereitung auf den Brexit, auch auf einen harten Brexit. Allerdings wird es sicherlich an der einen oder anderen Stelle noch Stolpersteine geben, aber wir sehen nicht, dass sich daraus Probleme ergeben werden, die das Finanzsystem insgesamt ins Wanken bringen. Alle Finanzprodukte, die im Vereinigten Königreich angeboten werden, sind auch auf dem Kontinent erhältlich, vielleicht nicht mit der gleichen Liquidität, vielleicht nicht zum gleichen Preis. Aber von daher sehen wir selbst im Fall eines harten Brexit keine echte Gefahr für die Finanzstabilität.

In der Tat haben wir immer gesagt, dass wir die Lösung dieser Herausforderung an erster Stelle bei den Instituten sehen und deren Vorbereitung. Allerdings möchte ich auch die Notwendigkeit nicht ausschließen, dass hoheitliche Maßnahmen zur Risikoreduktion getroffen werden müssen. Die würden wir als Bundesbank auch unterstützen, allerdings müssen sie vorübergehender Natur sein und dürfen nicht zu einem faktischen Fortbestehen des Finanzpasses für das Vereinigte Königreich führen und sozusagen eine Mitgliedschaft imitieren.

Frage:

Meinen Sie Temporary Licensing?

Antwort Prof. Dr. Joachim Wuermeling, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank:

Nein. Das ist eine Frage der Rechtstechnik, wie man da ran geht. Man kann natürlich Produkt für Produkt, Richtlinie für Richtlinie, Verordnung für Verordnung bestimmte vorübergehende Maßnahmen ergreifen, aber eine praktisch vollständige Garantie des Finanzpasses über den Zeitpunkt es Austritts hinaus, das genau sehen wir nicht.

Frage:

Zu den Zinsänderungsrisiken, da sind Sie jetzt vor allem auf die Risiken für Sparkassen und Genossenschaftsbanken eingegangen. Ist das Ihre Hauptsorge in dem Bereich oder sorgen Sie sich auch darum, wie der Lebensversicherungssektor oder andere Bereiche davon betroffen sein könnten? Und eine Frage zu den Verbraucherinsolvenzen. Sie haben gesagt, die Konjunktur sei historisch gut, man sehe das in sehr niedrigen Insolvenzquoten. Das bezog sich dann vor allem auf die Unternehmensinsolvenzen? Verbraucherinsolvenzen sind dann nicht so relevant für den Kreditmarkt oder? Obwohl die Verbraucher-Insolvenzen historisch doch relativ hoch sind.

Antwort Prof. Dr. Claudia Buch, Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank:

Wir haben eben schon einmal kurz darüber gesprochen. Betrifft das jetzt nur einen Teil der Risiken, über die wir sprechen, betrifft es einen Teil des Finanzsystems oder geht das darüber hinaus? Ich hatte die Zinsänderungsrisiken speziell als Risiko für die kleineren und mittleren Banken gesehen. Im Bericht ist auch der Basler Zinsschock erwähnt, der betrachtet, wie stark die einzelnen Banken von Zinsänderungen betroffen wären. Da sehen Sie, dass strukturell die Sparkassen und Genossenschaftsbanken ein höheres Zinsänderungsrisiko haben als die anderen Banken. Das liegt in der Natur des Geschäftsmodells. Aber wir haben auch ein sehr ausführliches Kapitel im Bericht zum Thema Versicherungen und Pensionsfonds. Wir haben in den vergangenen Jahren schon darüber gesprochen, dass es mit einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit bei einem sehr schnellen, sehr abrupten Zinsanstieg auch eine Art Run-Risiko bei den Versicherungen geben kann. Wenn man feste Rückkaufswerte hat, kann man berechnen, was sozusagen der kritische Zinssatz wäre, bei dem es sich lohnt, seinen Vertrag aufzulösen. Das ist nicht das Szenario, das ich als eines der dominierenden ansehen will. Es ist aber zumindest etwas, das nicht ausgeschlossen werden kann. Und für alle Anleger gilt, dass bei einem schnellen Zinsanstieg sich auch sehr schnell die Bewertungen ändern. Daher ist dieses Zinsänderungsrisiko ein Teilaspekt der makroökonomischen Risiken, und das würde natürlich in weiten Teilen des Finanzsystems auch zu Neubewertungen der Aktiva führen. Das gilt aber nicht isoliert für die Gruppe der Versicherungen. Die Verbraucherinsolvenzen sind auch rückläufig. Ganz am Anfang hatten wir eine Grafik, in der ich das gezeigt habe. Grundsätzlich sind die Solvenz oder die Schuldentragfähigkeit der privaten Haushalte wesentlich für die Institute, weil für viele Institute – das sind vor allem die kleineren – Wohnimmobilienkredite einen ganz entscheidenden Anteil am Kreditportfolio ausmachen. Wohnimmobilienkredite machen rund 50 Prozent der Kreditvergabe gerade auch der kleineren Banken aus. Von daher ist schon sehr relevant, wie die Finanzsituation der privaten Haushalte aussieht.

Antwort Prof. Dr. Joachim Wuermeling, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank:

Darf ich nochmals kurz daran erinnern: Wir haben bei der Niedrigzinsumfrage bereits getestet, ob die Banken den Baseler Zinsschock, also 30 Basispunkte, verkraften würden. Das war der Fall. Und wir werden die Niedrigzinsumfrage und die Immobilienumfrage nächstes Jahr wiederholen, um zu schauen, ob es dabei auch bleibt.