Editierte Abschrift der Frage- und Antwortrunde anlässlich der Jahrespressekonferenz am 25.02.2025
Frage:
Meine erste Frage ist eine Nachfrage zum Thema Bundestagswahl. Herr Nagel, Sie hatten angekündigt, dass die Bundesbank in Kürze Vorschläge machen würde. Ist darunter ein neuer Vorschlag zur Reform der Schuldenbremse? Die Bundesbank hatte vor einiger Zeit schon einen Vorschlag gemacht. Union, SPD und Grüne haben keine Zweidrittelmehrheit im neuen Bundestag, das heißt ohne Zustimmung von AfD oder Linker keine Reform des Grundgesetzes. Wie viel Hoffnung haben Sie angesichts der Mehrheitsverhältnisse, dass eine Reform der Schuldenbremse unter diesen Umständen gelingen kann?
Meine zweite Frage bezieht sich auf das BGH-Urteil zum Thema Negativzinsen. Der BGH hat Negativzinsen auf Sparkonten und Tagesgeld für unwirksam erklärt. Welche möglichen Folgen hat das für die Geldpolitik der EZB? Halten Sie es künftig noch für möglich, dass die EZB Negativzinsen einführt?
Dr. Joachim Nagel, Präsident der Deutschen Bundesbank:
Zur ersten Frage. Wie ich an verschiedenen Stellen schon angekündigt hatte, wird die Bundesbank in Kürze einen Vorschlag zur Schuldenbremse präsentieren. Er baut im Grunde genommen auf dem Vorschlag auf, den wir vor knapp drei Jahren gemacht hatten. Die Schuldenbremse wird als Stabilitätsinstrument verankert bleiben. Der neue Vorschlag wird sich natürlich daran orientieren, welche Regeln auf der europäischen Ebene zu erfüllen sind. Aber er wird die Geschehnisse der letzten Jahre aufgreifen. Wir befinden uns in einem anderen Umfeld als noch vor 15 Jahren, als die Schuldenbremse das Tageslicht erblickte. Wir stehen vor neuen fiskalischen Herausforderungen. Das wird der Vorschlag zur Schuldenbremse von Seiten der Bundesbank aufgreifen. Schuldenregeln sind wichtig. Das wird in dem Vorschlag klar zum Ausdruck kommen. Inwieweit das im parlamentarischen Prozess vor dem Hintergrund der aktuellen Mehrheitsverhältnisse im Bundestag Niederschlag findet, darüber möchte ich nicht spekulieren. Das ist nicht die Rolle, die die Bundesbank an der Stelle einnimmt. Wir verstehen uns als Ratgeber in einer schwierigen gesamtwirtschaftlichen und geopolitischen Situation mit vielen Herausforderungen, in der wir Deutschland sehen. Deswegen ist es geradezu die Pflicht einer Notenbank konstruktiv zu sein. Ich würde mir wünschen, dass man sich diesen Vorschlag genau anschaut. Ich bin davon überzeugt, die Politik wird es tun.
Zur zweiten Frage: Ich habe mir noch keine abschließenden Gedanken darüber gemacht, ob das BGH-Urteil einen Einfluss auf die Geldpolitik hat. Spontan würde ich sagen, es hat keinen Einfluss darauf, wie wir uns geldpolitisch ausrichten. Wir achten auf andere Kriterien. Das BGH-Urteil betrifft aus meiner Sicht nur die Beziehung zwischen Banken und Bankkunden. Aber das ist nur eine sehr vorläufige Einschätzung von meiner Seite.
Frage:
Die nächste Frage gehört ebenfalls zum Thema Schuldenbremse. In der Diskussion hört man gerade Vorschläge, ein Sondervermögen einzuführen, bevor sich der neue Bundestag konstituiert. Was halten Sie mit Blick auf Ihr Plädoyer für solide Staatsfinanzen von solchen Vorschlägen? Und wie schätzen Sie den Vorschlag ein, höhere Verteidigungsausgaben in Europa über gemeinsame Schulden zu finanzieren?
Dr. Joachim Nagel, Präsident der Deutschen Bundesbank:
Der Vorschlag der Bundesbank, den wir Ihnen in Kürze vorstellen werden, wird so angelegt sein, dass er auch für mögliche Sondervermögen Anwendung finden könnte. Als Kernelement könnten wir uns eine größere strukturelle Komponente als die bislang angelegte vorstellen. Wenn man über ein Sondervermögen beispielsweise für die Bundeswehr nachdenkt, wäre das in Abwandlung der Schuldenbremse durchaus möglich. Wir werden an der Stelle versuchen einen Beitrag zu leisten, der auch politischen Überlegungen gerecht werden könnte. Wir möchten mit unserem Vorschlag zwei Dinge erreichen. Zum einen weiterhin klar die Schuldenbremse als Stabilitätsinstrument verankern, zum anderen aber auch mehr Spielraum für Zukunftsaufgaben ermöglichen, sowohl was möglicherweise Verteidigungsausgaben als auch Investitionen betrifft. Sie merken, dass in der Art und Weise, wie ich jetzt darauf antworte, der Fokus auf Investitionen liegt. Das heißt, dass von der Politik sicherlich einzufordern ist, auch im Rahmen unseres Vorschlages, dass man sich die konsumptiven Ausgaben genauer anzuschauen hat. Das wird eine Herausforderung sein, die die Politik am Ende zu leisten hat.
Zur Frage der gemeinsamen Schulden. Ich kenne natürlich den Vorschlag, der jetzt ein Stück weit von der Europäischen Kommission aufgenommen wurde. Aus meiner Sicht sollte zunächst das, was zu leisten ist, über die nationalen Haushalte zu leisten sein. Da liegt die Verantwortung, bevor man über eine Vergemeinschaftung von Schulden nachdenkt, möglicherweise auch für die Verteidigung. Wir haben genug Möglichkeiten, dass die nationalen Haushalte leisten können, was auf der nationalen Ebene möglicherweise erwartet wird. Und darin sollte die Kraftanstrengung erstmal liegen, bevor man über weitere Optionen nachdenkt.
Frage:
Zwei Fragen über die volkswirtschaftliche Entwicklung hier in Deutschland, die im Ausland mit großen Sorgen gesehen wird. Die erste Frage steht im Zusammenhang mit der Schuldenbremse. Die dauerhaft erhöhten Verteidigungsausgaben, was bringt das mittelfristig für die deutsche Volkswirtschaft? Und die zweite Frage: Steht Deutschland nun vor einer verlorenen Dekade, wie Japan sie erfahren hat? Ist das ein Wendepunkt des exportorientierten Wirtschaftsmodells Deutschlands?
Dr. Joachim Nagel, Präsident der Deutschen Bundesbank:
Ich denke, Deutschland muss um seine Wettbewerbsfähigkeit kämpfen. Das ist klar. Wenn man ein Bild benutzen mag, ist es sicherlich fünf vor zwölf. Das heißt, wir müssen alle Kraftanstrengungen mobilisieren, damit Deutschland die Wettbewerbsfähigkeit wieder erreichen kann, die Deutschland so stark gemacht hat. Ich würde nicht so weit gehen, jetzt schon von einer verlorenen Dekade zu sprechen. Für die neue Bundesregierung steht die Tür weiterhin offen, mit notwendigen Maßnahmen angebotsseitig die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu verbessern. Ich würde das eher als Chance sehen in diesem schwierigen Umfeld. Sie haben einige Aspekte genannt, die geopolitischen Herausforderungen, jetzt diese Chance zu nutzen, um eben an dieser Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu arbeiten. Wir dürfen nicht vergessen: Deutschland hat eine starke Wirtschaftsstruktur. Wir haben starke mittelständische Unternehmen, die auch im globalen Kontext stark aufgestellt sind. Wir haben sicherlich Herausforderungen in der Automobilbranche und in anderen Wirtschaftszweigen. Aber ich traue der Industrie zu, dass sie auf diese Herausforderungen gut reagiert. In der Vergangenheit, und das war eine Stärke von Deutschland, hat man schnell erkannt, wie man sich anpassen muss, um Wettbewerbsfähigkeit zurück zu erlangen. Die Verteidigungsausgaben sehe ich aus einem anderen Blickwinkel. Klar führt es auch immer dazu, dass davon möglicherweise Abstrahleffekte auf die wirtschaftliche Entwicklung ausgehen. Aber bei den Verteidigungsausgaben geht es darum, unsere äußere Sicherheit zu gewährleisten. Das ist ein typisches öffentliches Gut, um das es hier geht. Wir haben schmerzvoll erfahren müssen, was passiert, wenn sich die Welt in Europa dramatisch ändert. Und deswegen müssen wir an der Stelle jetzt das tun, was notwendig ist, um die äußere Sicherheit zu gewährleisten. Und das sind dann steigende Verteidigungsausgaben. Aber ich kann Ihnen keine Zahlen nennen, in welcher Größenordnung das eine Auswirkung auf die wirtschaftliche Entwicklung hätte.
Frage:
Herr Nagel, Sie haben vor gut einem Jahr gesagt, Deutschland sei nicht der kranke Mann Europas. Würden Sie das jetzt anders sehen? Und eine weitere Frage zu den Verlusten im letzten Jahr, in diesem Jahr und in den kommenden Jahren: Was macht das mit dem Vertrauen der Menschen in die Bundesbank und mit der Reputation der Bundesbank?
Dr. Joachim Nagel, Präsident der Deutschen Bundesbank:
Ich würde auch heute nicht sagen, dass Deutschland der kranke Mann Europas ist. Sicherlich befinden wir uns seit geraumer Zeit in einer Phase der Stagnation. Wir erwarten auch für dieses Jahr nur eine Seitwärtsbewegung der wirtschaftlichen Entwicklung. Und klar würden wir uns alle gerne ein höheres Wirtschaftswachstum wünschen. Ich glaube, dass das möglich ist. Dazu gehört Mut an bestimmten Stellen, was wirtschaftspolitische Entscheidungen angeht. Es gehört natürlich auch dazu, und das ist die Erwartung an die neue Bundesregierung, dass man jetzt gemeinsam die Wirtschaftspolitik in den Fokus der Politik rückt. Ich hatte im letzten Jahr gesagt, dass das Thema Wirtschaftspolitik in der Vergangenheit oft zu wenig diskutiert wurde. Wie können wir die Wachstumskräfte in Deutschland wieder entfesseln? Da gibt es vieles, was es zu entfesseln gilt. Deswegen bin ich hoffnungsfroh, dass es uns gelingen kann, wieder zu höheren Wachstumsraten zurückzukehren. Ich würde fast sagen, wir müssen wieder zu höheren Wachstumsraten zurückkehren. Darauf muss der Fokus der Politik liegen.
Was die Verluste der Bundesbank angeht, räume ich ein, dass wir gern Bundesbankgewinne verkünden würden. Aber wir wissen auch, warum wir Verluste zu verkünden haben: Weil die Bundesbank einen anderen Auftrag hat als eine Geschäftsbank. Unser Mandat ist Preisstabilität. In der Vergangenheit mussten aus den bekannten Gründen Maßnahmen ergriffen werden, um die über lange Zeit zu niedrige Inflationsrate zu bekämpfen. Deswegen haben wir die hohen Wertpapierbestände. Als die Inflation stark stieg, insbesondere nach dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, haben wir die Zinsen zehnmal erhöht, mittlerweile fünfmal gesenkt. Der Mismatch in der Bundesbankbilanz zwischen Aktiv- und Passivseite wird über die Jahre weniger werden. Das ist die Botschaft des heutigen Tages. Das heißt, dass die Verluste in unserer Bilanz über die Jahre zurückgehen werden. Der Bilanzverlust wird noch einige Jahre wachsen. Die Gewinne werden dann aber wieder zurückkommen und wir werden die Bilanzverluste sukzessive abtragen. Wir werden Risikovorsorge aufbauen. Und dann wird es irgendwann auch wieder ein Jahr geben, in dem die Bundesbank Gewinne an den Bundesminister der Finanzen abführen kann. Wann das sein wird, kann ich Ihnen nicht sagen, weil wir viele Unsicherheiten hinsichtlich der Zinsentwicklung haben. Es würde unseriös erscheinen, wenn wir hier eine Vorausschau geben würden, wann das der Fall sein könnte.
Dr. Sabine Mauderer, Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank:
Das kann ich vollkommen unterstreichen. Vielleicht noch einen Aspekt: Für den Bürger ist es wichtig, dass die Preise stabil sind. Das ist unser wichtigstes Mandat. Und das Vertrauen in eine Währung und Währungsunion hängt damit zusammen, ob ein Bürger sich den Supermarkteinkauf leisten kann. Und dafür brauchen wir stabile Preise. Und das sollte hier im Vordergrund stehen.
Dr. Joachim Nagel, Präsident der Deutschen Bundesbank:
Zum Vertrauen der Menschen in die Bundesbank: Wir machen dazu auch eigene Umfragen. Wir sehen dabei keinerlei Einschränkung, was das Vertrauen angeht, ganz im Gegenteil. Ich glaube, die Menschen verstehen, welchen Auftrag Notenbanken zu erfüllen haben. Das ist unser unabhängiges Mandat, welches sich ab und an in der Bilanz widerspiegelt. Das ist in den letzten Jahren der Fall und wird noch einige Zeit so sein. Aber sehen Sie sich die Zahlen an, was unsere Bewertungsreserven angeht. Ich meine, das ist eine grundsolide Bilanz.
Frage:
Wann könnten wieder Gewinne nach Berlin fließen? Da hat der Internationale Währungsfonds 2032 als Jahr ins Spiel gebracht. Erscheint Ihnen das plausibel? Und eine Frage zum Eigenkapital: Wie hoch ist das Eigenkapital der Bundesbank derzeit? Damit geht die Frage einher, ob das Eigenkapital noch größer als die Verlustvorträge ist? Wenn nicht, wäre man ja juristisch überschuldet, wenn ich das richtig verstanden habe.
Dr. Joachim Nagel, Präsident der Deutschen Bundesbank:
Wir machen aufgrund der Aspekte, die ich Ihnen genannt habe, keine Aussagen zum Zeitpunkt der Gewinnausschüttung. Wir haben relativ hohe Unwägbarkeiten, was die Zinsentwicklung angeht. Wir haben eine relativ gute Einschätzung, wie der Bilanzabbau sich über die nächsten Jahre vollziehen wird. Sich auf ein Jahr festzulegen, würde aber wenig helfen. Und das wäre auch nicht eine verlässliche Orientierung, die wir über so einen langen Zeitraum der Politik zu geben hätten. Deswegen würde ich bei der Aussage bleiben, dass es aus heutiger Sicht nicht sinnvoll ist, dazu eine Einschätzung zu geben. Wir haben die Netto-Eigenkapital-Entwicklung dargestellt. Das ist für uns der entscheidende Aspekt, wie wir letztlich die Entwicklung unseres Eigenkapitals berechnen. Wir haben als Grundkapital zweieinhalb Milliarden. Dazu rechnen wir die Bewertungsreserven und davon abzüglich den Bilanzverlust. Dann sind wir bei der Größenordnung von 251 Milliarden Euro. Und das ist für uns die entscheidende Größe. Deswegen gibt es keine Überschuldung. Für uns ist es eine solide Bilanz mit einem hohen Bilanzpuffer. Und selbst wenn der Goldpreis sich nicht so entwickeln sollte, und selbst wenn man sich möglicherweise vorstellen könnte, dass eine Entwicklung auch einmal in eine andere Richtung geht: Mir ist um die Bilanz der Bundesbank überhaupt nicht bange. Vielleicht noch einmal ergänzend: Sie sehen das sehr gut auf der Folie. Da haben wir es genau ausgerechnet. Das Netto-Eigenkapital ist nochmal um 25 Prozent gestiegen. Das ist ein großer Zuwachs.
Frage:
Ihre EZB-Ratskollegin Isabel Schnabel hat kürzlich eine Debatte um das Ende der Zinssenkungen gefordert. Teilen Sie diese Einschätzung oder ist das jetzt zu früh? Und eine Frage hätte ich zum Umbau der Zentrale in der Wilhelm-Epstein-Straße: Wie ist denn der Zwischenstand? Wir Journalisten haben die letzten fast zehn Jahre immer nach Zeitplänen und Kostenschätzungen gefragt. Gibt es da vielleicht irgendwann in Ihrer Amtszeit etwas?
Dr. Joachim Nagel, Präsident der Deutschen Bundesbank:
Zur ersten Frage hinsichtlich der Einschätzung, wann möglicherweise das Ende der Zinssenkung kommen könnte: Sie wissen, dass ich mich hierzu in der Vergangenheit immer sehr vorsichtig positioniert habe. Bislang sind wir sehr gut damit gefahren, auch aufgrund der großen Unwägbarkeiten, mit denen wir es zu tun haben, von Sitzung zu Sitzung zu entscheiden. An der Grundhaltung werde ich auch festhalten. Klar ist, mit einem Einlagensatz von 2,75 Prozent kann man die Aussage treffen, dass wir uns dem Bereich des neutralen Zinses nähern. Es ist, glaube ich, ganz normal, dass es dann im EZB-Rat zu Diskussionen kommen wird, wie im EZB-Rat unser gemeinsames Verständnis ist, wo dieser neutrale Zins liegt. Nur ich würde mich persönlich jetzt nicht aus dem Fenster lehnen wollen, zu sagen, dann ist für mich der Punkt gekommen, an dem die Zinssenkungen möglicherweise zum Stillstand kommen könnten. Deswegen wird für mich wie immer die nächste Sitzung entscheidend sein. Dann schaue ich mir die Zahlen an und wir sehen weiter, und dann wird sich auch der EZB-Rat zu dem Thema entsprechend sortieren.
Im Projekt Campus gehen die Arbeiten planmäßig voran. Das heißt, das Gebäude wurde entkernt, es findet eine Schadstoffsanierung statt. Die Arbeiten gehen ganz normal voran. Es ist in der Tat ein sehr komplexes Projekt. Wir haben über die Jahre hinweg mehrfach aufgrund der bekannten Entwicklung die Planung anpassen müssen. Wir hatten die Pandemie, die natürlich vieles verändert hat. Dann auch die Regelung zum Homeoffice in der Bundesbank. Und wir haben jedes Mal klar und schnell darauf reagiert. Wir haben die Planung angepasst, das Projekt deutlich eingedampft. Wir verzichten auf Neubauten. Es geht also jetzt im Kern um das Bestandsgebäude oder die Bestandsfläche, die wir auf dem Campus haben. Dann gab es noch eine kleine Nebenentwicklung, als das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt wurde, was mit zusätzlichen Planungsanpassungen einherging. Deswegen bin ich zuversichtlich, dass ich in meiner Amtszeit irgendwann konkrete Zahlen vorlegen kann, was das letztlich bedeutet für die Kostenentwicklung dieses Projekts. Ich habe noch fünf Jahre vor mir. Ich freue mich darauf, dass ich dieses Projekt begleiten darf. Und irgendwann wird es so sein, dass meine Nachfolgerinnen oder meine Nachfolger dort einziehen werden. Aber es ist ein spannendes Projekt, keine Frage.
Frage:
Die Politik in Berlin hat unglaublich Gas gegeben. Wir sind gestern alle ein bisschen überrascht worden von der Diskussion über eine Abstimmung zur Schuldenbremse. Das heißt, die Herren Merz und Klingbeil warten wahrscheinlich sehnsüchtig darauf, dass ihr Vorschlag kommt. Was heißt bald, in wenigen Tagen? Und eine zweite Frage zum Gold: Vieles davon liegt nach wie vor in New York bei der Fed. Liegt Ihr Gold dort noch sicher oder haben Sie Angst, dass Herr Musk mit seinen Praktikanten da einsteigt und die NATO-Schulden eintreibt?
Dr. Joachim Nagel, Präsident der Deutschen Bundesbank:
Der Vorschlag wird in weniger als zwei Wochen vorgelegt werden. Und es ist hoffentlich so, dass der Vorschlag aufmerksam gelesen und nicht auf wenige Kernbotschaften reduziert wird. Die Komplexität solcher Vorschläge steckt immer in ihrer Tiefe. Und ich hoffe, dass das dann von der Politik so durchdrungen wird. Im Übrigen liegt in der Tiefe auch der Charme des Vorschlags.
Zu Ihrer zweiten Frage: Auf Seite 62 des Geschäftsberichts sehen Sie, wie viel Gold der Bundesbank bei der Fed New York liegt. Also nicht irgendwo in Fort Knox. Das wird ja oft verwechselt. Wir haben gegenwärtig bei der Fed New York 1.236 Tonnen liegen. Das entspricht 36,9 Prozent der Goldreserven der Bundesbank. Der überwiegende Teil der Goldreserven, nämlich mehr als 50 Prozent, liegt auf dem wunderschönen Gelände des Campus in unserem Tieftresor. Wir haben, wie über die vergangenen Jahrzehnte hinweg, überhaupt keinen Zweifel daran, dass wir mit der Fed New York einen vertrauenswürdigen, verlässlichen Partner bei der Aufbewahrung unserer Goldbestände haben. Im Übrigen sind wir als Bundesbank nicht die einzige Notenbank, es sind viele Notenbanken, die dort ihre Goldbestände aufbewahren. Ich habe natürlich diese Diskussion verfolgt. Das bereitet mir keine schlaflosen Nächte. Ich habe da vollstes Vertrauen zu unseren Kollegen bei der amerikanischen Notenbank.
Dr. Sabine Mauderer, Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank:
Und wenn ich noch ergänzen darf, erstens lagert das Gold bei der Fed, einer unabhängigen Institution. Und zweitens kontrollieren wir regelmäßig alle paar Jahre in New York die Bestände. Insofern muss man sich keine Sorgen machen.
Frage:
Donald Trump hat schon, als er noch Kandidat für das Weiße Haus war, über Zollerhöhungen gesprochen. Und damals, wenn ich Sie richtig zitiere, sagten Sie, es könnte im schlimmsten Fall Deutschland mehr oder weniger ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts kosten. Bleiben Sie heute bei der Aussage, oder wie aktualisieren Sie diese?
Dr. Joachim Nagel, Präsident der Deutschen Bundesbank:
Ich bleibe bei der Aussage. Ich denke, die möglichen Zölle und mögliche Gegenmaßnahmen sind große Unbekannte, die uns natürlich beschäftigten. In Abhängigkeit der Größenordnung der jeweiligen Tarife wäre das mit negativen Abstrahleffekten verbunden, auf die deutsche und auf die europäische Konjunktur. Man sieht aber auch, dass es eine relativ erratische Entwicklung sein kann. Wie man an den Beispielen Kanada und Mexiko gesehen hat, verändern sich die Rahmenbedingungen fast auf Tagesbasis. Deswegen will ich an der Stelle zurückhaltend sein. Aber klar ist, käme es zu erheblichen Zöllen, dann ist das mit negativen Effekten auf die wirtschaftliche Entwicklung und auf den wirtschaftlichen Ausblick verbunden. Ich habe an der Stelle immer wieder betont, das Thema Zölle kennt eigentlich nur Verlierer. Und deswegen finde ich es schade, dass wir derzeit diese Diskussion führen müssen.
Frage:
Die Deutsche Bundesbank hat im Dezember 0,2 Prozent Wachstum ohne Handelskrieg prognostiziert. Die KfW hat heute minus 0,2 prognostiziert – nach 0,5 in der vorherigen Prognose. Inwiefern machen Sie sich Sorgen, dass Ihre bisherige Prognose möglicherweise zu optimistisch ist?
Eine zweite Frage habe ich zu den EZB-Leitzinsen. Sie sagten, wir bewegen uns in Richtung des neutralen Zinses. Man weiß aber nicht genau, wo der eigentlich liegt – und Sie wollen sich auch nicht festlegen. Inwiefern sehen Sie ein Szenario, dass wir möglicherweise unter den neutralen Zins gehen müssen? Gerade Deutschland könnte als größte Volkswirtschaft Zinsen unterhalb von neutral dringend gebrauchen, nach drei Jahren Stagnation oder drei Jahren leichten Schrumpfens der Wirtschaft.
Dr. Joachim Nagel, Präsident der Deutschen Bundesbank:
Ich habe mir die KfW-Prognose noch nicht genau angeschaut. Deswegen weiß ich nicht, welche Annahmen in der KfW-Prognose für den wirtschaftlichen Ausblick in diesem Jahr gemacht wurden. Deswegen bleibe ich dabei: Unsere Prognose steht erst mal, 0,2 Prozent für 2025. Sollten sich die Rahmenbedingungen in Abhängigkeit möglicher Zollentscheidungen und den damit verbundenen Implikationen ändern, müssten wir sicherlich unsere Prognose anpassen. Aber ich würde jetzt bei den 0,2 Prozent bleiben.
Zum neutralen Zins: Wir haben uns in der Bundesbank das Spektrum angeschaut. In Abhängigkeit der Modelle und Annahmen gibt es eine Bandbreite an Werten für den neutralen Zins, der für den Euroraum gelten könnte. Deshalb ist das Konzept für mich eher eine Orientierung als eine Punktschätzung. Den Ansatz, von Sitzung zu Sitzung zu denken, halte ich vor diesem Hintergrund für das absolut richtige Vorgehen. Ob es dann notwendig sein könnte, sich unterhalb des neutralen Zinses zu bewegen – wo immer er auch liegen mag – ist eine Diskussion, die ich derzeit für nicht opportun halte. Wir sind jetzt zunächst auf dem Weg, uns dem neutralen Zins zu nähern. Die Rahmenbedingungen, die es notwendig machten, sich davon noch weiter nach unten zu bewegen, sehe ich derzeit nicht. Wir sind auf einem guten Weg Preisstabilität zu erreichen, und das ist für mich der entscheidende Punkt.
Frage:
Wenn man in Zukunft Verluste vermeiden will, gäbe es im Prinzip zwei Möglichkeiten. Die eine wäre, dass man nicht mehr in so großem Stil Anleihen kauft. Die zweite Möglichkeit wäre, die Guthaben der Geschäftsbanken nicht mehr so hoch zu verzinsen – wie das der Ökonom Martin Hellwig vorgeschlagen hat. Wären Sie für eine der beiden Varianten zu haben?
Dr. Joachim Nagel, Präsident der Deutschen Bundesbank:
Die notwendig gewordenen Ankaufsprogramme hatten ihren geldpolitischen Hintergrund. Die Inflation lag deutlich unterhalb unseres Inflationsziels. Klar ist, dass solche Ankaufsprogramme die große Ausnahme bleiben müssen. Das darf nicht zu einem Instrument fast schon konventioneller Geldpolitik werden. Es ist natürlich genau das Gegenteil, was damals gemacht wurde. Wir sehen die Konsequenzen. Diese haben einen großen Anteil an dem hohen Verlust in der Bilanz der Bundesbank. Das ist möglicherweise auch in den nächsten Jahren zu erwarten. Meine Position zur Verzinsung der Mindestreserve kennen Sie. Ich hatte mich dafür eingesetzt, die Mindestreserve zu vergrößern über die derzeit gültigen 1 Prozent. Ich konnte mich mit der Position im EZB-Rat nicht durchsetzen. Es ist wichtig, die Botschaft vor allem an die Kreditinstitute zu senden: Die Mindestreserve bleibt immer auch ein geldpolitisches Instrument. Deswegen sollte man das aus Sicht der Kreditinstitute immer im Blick behalten.
Dr. Sabine Mauderer, Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank:
Eine kurze Ergänzung noch: Die Erfahrungen, die wir mit den Anleihekäufen gemacht haben, müssen wir in die Zukunft einspeisen. Das hat, der Präsident hat es bereits gesagt, auch auf unsere Bilanz eine Auswirkung.
Dr. Joachim Nagel, Präsident der Deutschen Bundesbank:
Wir unterziehen unsere Instrumente derzeit einer Überprüfung, dem Strategic Review, und dann wird man sehen, wie die Erfahrungen aus der Vergangenheit, aus dem Ankaufsprogramm, in die zukünftige Strategie mit einbezogen werden. Klar ist für mich die Botschaft: Was in der Zeit der Quantitativen Lockerung passiert ist, muss die absolute Ausnahme bleiben.
Frage:
Frau Schnabel hat der Financial Times im Interview gesagt, sie sei nicht mehr sicher, dass der Leitzins noch restriktiv ist. Deswegen sei sie dafür, dass der EZB-Rat von nun an anfängt, darüber zu reden, ob man eine Zinspause macht oder ob man möglicherweise die Zinssenkungen ganz einstellt. Sie sagen, wir nähern uns langsam dem neutralen Zins. Sind die Leitzinsen aus Ihrer Sicht noch restriktiv oder nicht?
Dr. Joachim Nagel, Präsident der Deutschen Bundesbank:
Sie wissen, ich respektiere Isabel Schnabel sehr. Sie ist eine ausgezeichnete Ökonomin. Ich stimme ihrer Einschätzung aus dem Interview aber nicht zu. Aus heutiger Sicht würde ich sagen, die Zinsen sind angemessen. Sie reflektieren das, was ich in den Daten sehen kann. Deswegen ist für mich entscheidend, wie sich dieser Datenkranz in den nächsten Wochen entwickelt. Auf dieser Basis entscheide ich. Und vielleicht komme ich dann auch an den Punkt in nächster Zeit, an dem ich sage, dass wir möglicherweise nicht mehr restriktiv sind. Aus heutiger Sicht kann ich das aber noch nicht sagen.
Frage:
Eine Frage zur Bilanzsumme, die um 148 Milliarden Euro gesunken ist. Gibt es einen konkreten Zielwert, wie weit sie noch geschrumpft werden, also ein Stück weit normalisiert werden soll? Und für wann ist dieser Zielwert avisiert?
Herr Nagel, Sie sprachen bei Ihren Ausführungen zur Auswirkung der Inflation von kräftigen Lohnzuwächsen, die das zum Teil ausgeglichen haben. Wenn man sich die Pressemitteilungen in den laufenden Tarifverhandlungen anguckt, sind zum Teil utopisch anmutende Forderungen im weit zweistelligen Prozentbereich der Gewerkschaften die Regel. Sehen Sie dennoch weiterhin keine Gefahr für eine Lohn-Preis-Spirale?
Dr. Joachim Nagel, Präsident der Deutschen Bundesbank:
Ich fange mit der letzten Frage an. Ich hatte in der Vergangenheit immer von einer Preis-Lohn-Spirale gesprochen, durch den Anschub der Inflation infolge des russischen Angriffskriegs und die explodierenden Energiepreise. Und das, was auf der Lohnseite passiert ist, hat diese extreme Entwicklung aufgegriffen. Jetzt sehen wir, dass die Lohnentwicklung deutlich zurückgegangen ist. Das ist auch unser Ausblick für das Jahr 2025. Wir respektieren als Notenbank die Tarifautonomie. Das ist kein Thema, wozu wir uns direkt äußern würden. Aber wir wissen aus Erfahrung, wie sich Lohnabschlüsse entwickeln, wenn unterschiedliche Verhandlungspositionen zusammenkommen. Was ich derzeit sehen kann, beunruhigt mich nicht. Ich glaube, dass unser Inflationsausblick uns klar den Weg in Richtung Preisstabilität aufzeigt.
Dr. Sabine Mauderer, Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank:
Zur Frage der Bilanzsumme, sie ist durch die expansive Geldpolitik über die letzten Jahre signifikant gewachsen, insbesondere durch die Ankäufe der Wertpapiere, aber auch durch die längerfristigen Kredite, die sogenannten TLTROs. Das wird jetzt sukzessive zurückgefahren. Und jetzt sehen wir, dass wir mit diesem Programm im Eurosystem eine Überliquidität geschaffen haben, mit dem höchsten Wert von 4,6 Billionen Euro im November 2022. Durch das Zurückführen dieser expansiven Geldpolitik sind wir mittlerweile bei ungefähr 2,87 Billionen Euro. Und dieser Kurs wird weitergeführt. Die Bilanzen werden schlanker dadurch, dass die Wertpapiere nicht wieder reinvestiert werden, sodass wir Ende 2026 wahrscheinlich eine Überliquidität von etwa 1,8 Billionen haben werden. Was das richtige Maß an Überliquidität sein wird, das ist etwas, was wir uns sicherlich im Rahmen des Strategic Review anschauen müssen. Es wird anders sein als vor der expansiven Geldpolitik. Aber wo das richtige Maß an Überschussliquidität liegt, das gilt es, sich genauer anzuschauen.
Dr. Joachim Nagel, Präsident der Deutschen Bundesbank:
An der Stelle erzähle ich immer gern die Anekdote, die schon keiner mehr richtig hören möchte. Als ich bei der Bundesbank anfing, war einer meiner ersten Jobs, dass ich jeden Tag versuchen durfte, die Überschussliquidität zu berechnen und zu steuern – damals lag die Überschussliquidität bei null. Da werden wir sicherlich nicht wieder hinkommen. Aber was das richtige Maß sein wird, das hat Frau Mauderer gesagt, das werden wir über die nächsten Jahre gemeinsam zu diskutieren haben.