Kabel eines Großrechners ©Thomas Northcut / Getty Images

Digitales Geld: Optionen für die Finanzindustrie

Welche Optionen stehen der Finanzindustrie für die Zahlungsabwicklung zur Verfügung, wenn in zunehmendem Maße digitale Transaktionstechnologien Verwendung finden? Der aktuelle Monatsbericht der Bundesbank geht dieser Frage nach. Insgesamt wird erwartet, dass die Finanzindustrie aus dem Zusammenspiel von Distributed-Ledger-Technologie (DLT), der dadurch ermöglichten digitalen Abbildung von Vermögenswerten (sog. Tokenisierung) und digitalem Geld erhebliche Effizienzgewinne generieren könnte. „Mithilfe der DLT können verschiedene Unternehmen dieselbe Datenbank nutzen und durch die automatisierte Abwicklung von Prozessen, sogenannte Smart Contracts, entfallen Abstimmungskosten und schlussendlich Back-Office-Kosten“, sagt Martin Diehl, Payment-Experte und Mitautor des Monatsberichtsaufsatzes. Um das volle Potenzial der DLT auszuschöpfen, müsse sich aber die geldseitige Abwicklung in die entsprechenden Prozesse integrieren lassen. 

CBDC, Stablecoins oder tokenisierte Einlagen

Für Finanz-Markttransaktionen in größeren Beträgen wird daher vor allem über digitales Zentralbankgeld (CBDC, Central Bank Digital Currency), tokenisierte Einlagen oder Stablecoins nachgedacht. Allerdings scheint es fraglich, ob Stablecoins aufgrund ihrer Governance-Struktur und der Qualität der hinterlegten Sicherheiten für Transaktionen im Finanzsektor breite Akzeptanz finden würden, so Diehl. Einige Banken würden an tokenisierten Einlagen arbeiten, was einer Weiterentwicklung des heutigen Geschäftsbankengeldes auf Basis der DLT entsprechen würde. Aber auch bei tokenisierten Einlagen seien zahlreiche rechtliche und praktische Fragestellungen noch ungeklärt und es gebe einen hohen Koordinationsaufwand zwischen Banken. Außerdem bestehe wie bei jedem Geschäftsbankengeld auch die Gefahr eines Ausfalls, so Diehl. 

Wholesale-CBDC als Lösung?

Aus diesem Grund beschäftigen sich viele Zentralbanken weltweit mit Wholesale-CBCD, also digitalem Zentralbankgeld für einen eingeschränkten Nutzerkreis des Finanzsektors zur Abwicklung DLT-basierter Transaktionen. Sollten neue Technologien wie DLT Marktreife und Marktdurchdringung erreichen, müsse sichergestellt werden, dass Zentralbankgeld auch für diese neuen Arten der Abwicklung genutzt werden kann, schreiben die Autorinnen und Autoren. Zwar dürften Innovation oder funktionale Weiterentwicklungen der Abwicklungsinfrastruktur keinesfalls zulasten von Stabilität und Sicherheit des Zentralbankgeldes gehen, gleichzeitig müsse aber ein Bedeutungsverlust von Zentralbankgeld durch nicht mehr marktgerechte Abwicklungsstrukturen verhindert werden. 

Zentralbankgeld sollte in der Abwicklung für Großbeträge immer erste Wahl sein, sagt Martin Diehl. Allein aus Finanzstabilitätsgründen sei es wichtig, dass bei der Abwicklung von Großbeträgen nichts anderes verwendet werde als Zentralbankgeld. Aus diesem Grund bestünde bei den Zentralbanken die Notwendigkeit, über neue digitale Abwicklungsoptionen nachzudenken. Zwar sei es auch möglich, dass Dritte eine DLT-Infrastruktur zur Abwicklung von digitalem Zentralbankgeld betreiben würden. Aus Zentralbanksicht müsse aber in jedem Fall sichergestellt werden, dass die Kontrolle über das Zentralbankgeld gewährleistet bliebe. „Wenn wir nicht selbst das DLT-Netzwerk betreiben und es auf einem anderen Netzwerk läuft, bräuchten wir Eingriffsrechte, so Diehl. „Wir können das materielle Risiko nicht outsourcen.“ Aufgrund dessen scheint es unwahrscheinlich, dass Zentralbanken öffentliche DLT-Netzwerke nutzen werden. Selbst wenn eine Abwägung der Argumente eine Auslagerung von Zentralbankgeld in von anderen betriebene Netzwerke möglich scheinen ließe, verblieben zumindest Reputationsrisiken für die Zentralbank im Falle von Problemen, heißt es im Monatsbericht. 

 

Vor diesem Hintergrund konzentriert man sich im Eurosystem auf sogenannte Interoperationslösungen. Das könnte zum Beispiel tokenisiertes Zentralbankgeld auf einer eigenen Eurosystem-DLT sein. Alternativ könnte das Eurosystem auch Schnittstellen zwischen externen DLT-Netzwerken und einem vorhandenen Abwicklungssystem, wie beispielsweise T2, bereitstellen, so Diehl. Der Vorteil dieser Schnittstellen oder Trigger-Lösungen wäre, dass sich damit die Möglichkeiten der DLT-basierten Abwicklung nutzen lassen, ohne Abstriche bei Sicherheit und Stabilität machen zu müssen. Negativen Implikationen für die geldpolitische Implementierung oder das Liquiditätsmanagement von Banken, die sich durch die Einführung von Wholesale-CBDC ergeben könnten, würden so vermieden.

Zukunft von DLT und tokenisierter Abwicklung offen

Die Autorinnen und Autoren um Martin Diehl kommen in ihrem Monatsberichtsbeitrag zu dem Schluss, dass die weitere Entwicklung von DLT und tokenisierter Abwicklung von Geld kaum vorhersehbar sei. Zwar würde sich ein Großteil der Finanzbranche mit DLT als Abwicklungstechnologie befassen und auch eine Zunahme der Einsatzmöglichkeiten erwarten, aber viele Initiativen seien bislang noch nicht über den Prototyp-Status hinausgegangen. Sofern DLT-Anwendungen am Markt Akzeptanz und Verbreitung finden, dürften zunehmend Lösungen entwickelt werden, um diese Anwendungen geldseitig abzuwickeln, folgern die Autorinnen und Autoren. Für die weitere Entwicklung des digitalen Geldes sei die enge Abstimmung und Kooperation von Marktakteuren, Banken und Zentralbanken unverzichtbar, um im künftigen System digitaler Geldformen Fragmentierungen und Insellösungen zu verhindern. Auch wir müssen uns überlegen, wie wir die Zentralbank fit für die Zukunft machen, sagt Diehl. 

Distributed-Ledger-Technologie 

DLT gewinnt seit einigen Jahren zunehmend an Bedeutung. Bei DLT-basierter Abwicklung können Werte und Geld in Form von „Token“ dargestellt werden. Über ein verteiltes Kontenbuch werden Transaktionsdaten erfasst und gespeichert, wodurch der Übertrag von digitalen oder digital repräsentierten Vermögenswerten ermöglicht wird.