Die Rolle des IWF darf nicht überdehnt werden Bundesbankvorstand Dr. Andreas Dombret zieht zum 60-jährigen Jubiläum des deutschen Beitritts zum Internationalen Währungsfonds Bilanz und würdigt die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem IWF

Andreas Dombret und Christine Lagarde beim 60-jährigen Jubiläum des deutschen Beitritts zum Internationalen Währ
Dr. Andreas Dombret und Christine Lagarde
Heute vor sechzig Jahren wurde Deutschland Mitglied im Internationalen Währungsfonds (IWF). Nach dem bereits zuvor erfolgten Beitritt zu internationalen Organisationen wie der OEEC und dem GATT stellte dies – neben dem Beitritt zur Weltbank – einen weiteren wichtigen Schritt zur Reintegration Nachkriegs-Deutschlands in die Weltgemeinschaft dar. Seither pflegen der IWF und Deutschland eine sehr enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Für die Deutsche Bundesbank ist dabei bedeutsam, dass der Bundesbank-Präsident der IWF-Gouverneur für Deutschland ist, und dass sie aktiv an der geschäftspolitischen Diskussion im Fonds beteiligt ist. Die Beiträge Deutschlands an den IWF, die von der Bundesbank geleistet werden, zählen zu den größten unter den IWF-Mitgliedern. Gemeinsam mit anderen Mitgliedern wurden im Laufe der Jahre viele Herausforderungen, von der Auflösung des Bretton-Woods-Systems bis zur gegenwärtigen globalen Finanzmarktkrise, angegangen. 

Andreas Dombret und Christine Lagarde beim 60-jährigen Jubiläum des deutschen Beitritts zum Internationalen Währ
Dr. Andreas Dombret und Christine Lagarde
Die globale Finanzmarktkrise gab Anlass dazu, auch unkonventionelle Maßnahmen zu ergreifen. Von Zeit zu Zeit muss man allerdings einen Schritt zurückmachen, um das Vorgehen aus einer größeren Perspektive zu begutachten. Dies gilt auch für die Politik des IWF, bei der stets der monetäre Charakter dieser Institution zu berücksichtigen ist. Bei der Bewertung stellt sich die Frage, ob die ergriffenen Maßnahmen dazu geeignet sind, einen glaubwürdigen, dauerhaften und stabilen Rahmen zu bilden, der Vertrauen schafft. Oder konzentrieren sie sich zu stark auf die kurze Frist, ohne die längerfristigen Auswirkungen angemessen im Blick zu behalten? 

In diesem Kontext möchte ich auf zwei miteinander verbundene Aspekte bezüglich der Entwicklung des IWF eingehen. Der erste Punkt betrifft dessen Kreditvergabepolitik. Wie viele andere Institutionen hat auch der IWF auf die außergewöhnlichen Entwicklungen mit außergewöhnlichen Maßnahmen reagiert. In Zuge dessen wurden sein monetäres Mandat gedehnt und der Spielraum und Umfang seiner Geschäfte ausgeweitet. Hierzu zählen eine deutliche Zunahme der direkten Haushaltsfinanzierung und die erhebliche Ausweitung der Grenzen für Finanzhilfen, die Mitgliedsländer in Anspruch nehmen können. Vor diesem Hintergrund ist es wichtiger denn je, dass der IWF eine strikte und stärker fokussierte Konditionalität anwendet, um die Risiken für seine Ressourcen zu begrenzen. 

Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass der Finanzierungsmechanismus des IWF nicht dafür angelegt ist, in ungebührlicher Weise Risiken einzugehen. Die finanzielle Integrität des Fonds sowie die Wirksamkeit und Tragfähigkeit seiner Politikinstrumente hängen entscheidend von der Güte seiner Kreditvergabepolitik ab. Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass der IWF der notwendigen Stärke seiner Zugangspolitik für IWF-Kredite, seiner Konditionalität und dem Programmdesign hinreichend Beachtung schenkt, da sie seine primären Mittel zur Risikobegrenzung darstellen. Jüngste Anzeichen einer gestiegenen Sensibilität für die Notwendigkeit einer strikteren Kreditvergabepolitik und eines entsprechenden Programmdesigns sind daher hochwillkommen. 

Zweitens war die Bereitstellung von IWF-Finanzhilfen als katalytische Finanzierung eine wichtige Funktion von IWF-Programmen. Durch die Vergabe von begrenzten Finanzmitteln zur Unterstützung von Anpassungsprogrammen signalisierte der IWF den Märkten, dass das betreffende Land sich wieder auf dem Weg zur wirtschaftlichen Gesundung befindet. Dies löste dann weitere Investitionen des privaten Sektors aus. Die heute in einem erheblichen Umfang gewährten Finanzhilfen können aber in Verbindung mit dem Status des IWF als bevorzugter Gläubiger eine Anreizstruktur schaffen, die zu einem geringeren finanziellen Engagement des privaten Sektors führt. Dies kann dann wiederum zu einem immer höheren Bedarf an Finanzhilfen des öffentlichen Sektors führen und entsprechende finanzielle Risiken mit sich bringen. 

Natürlich wird sich auch der IWF immer an das sich wandelnde Weltgeschehen anpassen müssen und er hat in der Vergangenheit wiederholt unter Beweis gestellt, dass er dies auch kann. Zudem braucht der IWF stets eine angemessene Ressourcenausstattung, um seine systemische Rolle im internationalen Währungssystem erfüllen zu können. Die Bundesbank wird dem Fonds bei der Bereitstellung dieser Ressourcen wie bisher auch zukünftig ein verlässlicher Partner sein. Bei der Inanspruchnahme von IWF-Ressourcen darf das politisch Wünschenswerte jedoch nicht auf Kosten des ökonomisch Unvermeidlichen gehen. Mit Geld lässt sich zwar Zeit gewinnen, aber dies kann niemals ein Ersatz für solide makroökonomische Politik und strukturelle Reformen sein. Die gewonnene Zeit muss sinnvoll genutzt werden. 

Der IWF hat unlängst seine wirtschaftspolitische Überwachung hinsichtlich Finanzsektorfragen und makrofinanzieller Verflechtungen verstärkt. Angesichts der oben beschriebenen Entwicklung unterstütze ich diesen Schritt ausdrücklich und ermutige den IWF, in diesem Sinne fortzufahren. Ich begrüße außerdem, dass der IWF sich stärker mit der gewachsenen Vernetzung der Weltwirtschaft befasst und dabei gleichzeitig die große Bedeutung der binnenwirtschaftlichen Stabilität hervorhebt. Grundsätzlich ist diesen Themen vor der Krise nicht genug Beachtung geschenkt worden. In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass der Fonds rasch die möglichen Lehren aus der Krise gezogen hat; hierzu gehörte auch die eingehende Überprüfung seiner eigenen wirtschaftspolitischen Überwachung. Als Folge dieser Überprüfung wurden der Schwerpunkt der wirtschaftspolitischen Überwachung des Fonds neu ausgerichtet und seine Analysen ausgedehnt. Dies sind begrüßenswerte Schritte in die richtige Richtung. 

Auch zukünftig kann der Fonds mit seinen spezifischen Kompetenzen außerordentlich hilfreich sein, wenn es darum geht, verbleibende Lücken im Verständnis und bei der Analyse weltwirtschaftlicher Fragen zu schließen. Ich begrüße zudem die beschlossenen Reformen zur IWF-Leitungsstruktur, die die Stimmrechte und die Repräsentanz der dynamischen Schwellenländer stärken und damit die relative Position der IWF-Mitglieder in der Weltwirtschaft besser widerspiegeln. Es ist jedoch nicht an der Tatsache zu rütteln, dass Repräsentanz und finanzielle Pflichten immer in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen müssen, um die Legitimität des IWF und seine erfolgreiche Rolle im internationalen Währungssystem zu gewährleisten.