Deutsche Wirtschaft im Winter spürbar gewachsen

Die deutsche Wirtschaft ist gut in das Jahr 2019 gestartet, nachdem die Wirtschaftsleistung im zwei­ten Halbjahr 2018 noch weitgehend stagniert hatte. Der Schnellmeldung des Statistischen Bundesamtes zufolge expandierte das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) im ersten Quartal saison- und kalenderbereinigt um 0,4 Prozent gegenüber dem Vor­quartal. Allerdings spielten für die merkliche Zunahme vorübergehende Einmaleffekte eine wichtige Rolle, schreiben die Ökonominnen und Ökonomen der Bundesbank im aktuellen Monatsbericht Mai.

Einmaleffekte sorgen für Auftrieb

Ihrer Einschätzung nach verliehen die nach der Jahreswende in Kraft getretenen expansiven Fiskalmaßnahmen dem privaten Konsum zusätzlichen Schub. Auch nachgeholte Pkw-Käufe gaben zusätzliche Impulse, heißt es im Monatsbericht. Im zweiten Halb­jahr 2018 waren Autokäufe aufgrund von Angebotsengpässen infolge der Einführung des neuen Abgastestverfahrens WLTP (Worldwide harmonized Light-duty vehicles Test Procedure) zu einem erheblichen Teil aufgeschoben wor­den. Nicht zuletzt ermöglichte laut Bundesbank die günstige Wit­terung im Februar und März 2019 eine lebhafte Bautätigkeit während des ersten Quartals. „Die konjunkturelle Grundten­denz ohne diese Sondereinflüsse blieb aller­dings wie schon seit der Mitte des vergangenen Jahres insgesamt schwach“, schreiben die Autorinnen und Autoren.

Privater Konsum und Bauinvestitionen geben Impulse

Unterstützt von den Sondereffekten sorgten neben dem Baugewerbe das Gastgewerbe und der Einzelhandel für konjunkturellen Auftrieb. Auch die unternehmensnahen Dienstleistungen dürften nach Ansicht der Bundesbank spürbar zugelegt haben. Der breit angelegte Abschwung der Industrie hielt hingegen an. Auf der Nachfrageseite fungierte der private Konsum den Ökonominnen und Ökonomen zufolge vermutlich als wichtigste Wachstumskraft. Er überwand damit die Flaute des zweiten Halbjahres 2018. Trotz der kraftlosen Industriekonjunktur stiegen die gewerblichen Investitionen in neue Ausrüstungen und Anlagen spürbar an. Die Bauinvestitionen wurden ebenfalls erheblich ausgeweitet. Zudem konnten auch die Exporte zulegen.

Exporte steigen auf breiter Basis

Nach Ansicht der Fachleute expandierte das Auslandsgeschäft der deutschen Unternehmen im Winterquartal 2019 in realer Rechnung merklich. Regional betrachtet stiegen die Ausfuhren auf recht breiter Basis an, vor allem in die Länder des Euro-Währungsgebiets. Etwas geringer fiel laut Bericht der Anstieg der Ausfuhren in Drittstaaten außerhalb des Euroraums aus. Die Exporte in das Vereinigte Königreich legten hingegen stark zu. Hier könnten der Bundesbank zufolge Einmaleffekte wegen des ursprünglich für März geplanten Austritts aus der EU eine Rolle gespielt haben. In China und in den Vereinigten Staaten wurden deutsche Produkte ebenfalls stärker nachgefragt. Ein kräftiges Umsatzplus vermeldeten die deutschen Exporteure darüber hinaus in Russland und in Japan. Die wertmäßigen Lieferungen in die Türkei nahmen nach den drastischen Rückgängen zuvor besonders stark zu. (Nähere Analysen zur Finanz- und Wirtschaftskrise in der Türkei und deren Einfluss auf die deutschen Exporte im Monatsbericht auf den Seiten 50 und 51.)

Arbeitsmarkt verbessert sich weiter

Trotz der seit Mitte 2018 langsameren konjunkturellen Grundtendenz verbesserte sich laut Monatsbericht der deutsche Arbeitsmarkt im Winterquartal 2019 weiter. Die Erwerbstätigkeit stieg wie zuvor in erster Linie dank der guten Entwicklung der sozialversicherungspflichtigen Stellen. Die Zahl der Beschäftigten im Inland erhöhte sich von Januar bis März 2019 saisonbereinigt um 149.000 Personen beziehungsweise 0,3 Prozent und damit etwas stärker als in den drei Quartalen zuvor. Dagegen verringerte sich die Zahl der Selbständigen und ausschließlich geringfügig Beschäftigten weiter. Dennoch ging die Zahl der Arbeitslosen – wenn auch nur leicht – zurück.

Die Fachleute weisen im Monatsbericht darauf hin, dass bei sektoraler Analyse vor allem im Baugewerbe die Beschäftigtenzahlen nun mit höherer Rate anstiegen. „Die im letzten Jahr deutlich aufgebesserten Entgelte im Baugewerbe könnten die relative Attraktivität des Sektors gesteigert haben“, schreiben sie. 2018 hatte das an der Kapazitätsgrenze operierende Baugewerbe kaum zusätzliches Personal gefunden.

Insgesamt betrachtet stieg die Arbeitsnachfrage zuletzt deutlich schneller als das inlän­dische Arbeitskräfteangebot. Trotz sinkender Arbeitslosigkeit und steigender Erwerbsbetei­ligung der Einheimischen konnte gemäß Monatsbericht rechnerisch nur knapp die Hälfte der neuen Stellen von Per­sonen mit deutscher Staatsbürgerschaft besetzt werden. Die Zuwanderung aus dem Ausland sei zwar nach wie vor erheblich, nehme allerdings im Trend leicht ab. Etwa jede fünfte der zusätzlich geschaffenen Stellen konnte durch eine Person aus den seit 2004 der EU beigetretenen Ländern besetzt werden, stellen die Fachleute fest. Außerdem schreite die Integration der Flüchtlinge in den Arbeits­markt zügig voran.

Kräftige Lohnsteigerungen

Die Tarifverdienste stiegen auch im Winter 2019 kräftig. Maßgeblich führen die Ökonominnen und Ökonomen dies auf die Lohnabschlüsse des vergangenen Jahres zurück. Sie waren aufgrund der ausgeprägten Knappheiten am Arbeitsmarkt stärker als zuvor ausgefallen. Die Tarifvergütungen inklusive Nebenvereinbarungen erhöhten sich wie im Herbst 2018 um 2,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die in der Tarifrunde 2019 bereits neu abgeschlos­senen Vereinbarungen sehen nach Angaben des Berichts gleichfalls meist kräftigere Lohnanhebungen als in den Jahren 2015 bis 2017 vor.

Weiter schwache Grundtendenz erwartet

Die Bundesbank geht davon aus, dass das Muster einer zweigeteilten Konjunktur, welches das Wirtschaftsgeschehen in Deutsch­land seit dem Sommer 2018 prägt, im Frühjahr 2019 voraussichtlich erhalten bleiben wird: „Einerseits wird sich der Abschwung in der Industrie fortsetzen, andererseits sind die Auftriebskräfte der stärker binnenwirtschaftlich orientierten Branchen weiterhin intakt.“ Die deutsche Wirtschaftsleistung werde nach Einschätzung der Fachleute das durch Sondereffekte begünstigte Niveau vom Winter im zweiten Quartal wohl kaum überschreiten. Sie gehen davon aus, dass die Sondereffekte auslaufen oder sich sogar umkehren könnten. So seien die Nachholprozesse bei den Pkw-Käufen wohl weitgehend abgeschlossen. „Vor diesem Hinter­grund ist eine allmähliche Belebung der Wirt­schaftstätigkeit erst im Einklang mit einer Erho­lung der globalen Konjunktur in der zweiten Jahreshälfte zu erwarten“, heißt es im Bericht.