Dauerhaft niedrige Zinsen belasten deutsche Kreditinstitute
Dauerhaft niedrige Zinsen machen kleinen und mittelgroßen Kreditinstituten in Deutschland zu schaffen. "Die Kreditinstitute werden ihre Geschäftsmodelle unter die Lupe nehmen und an ihrer Profitabilität arbeiten müssen"
, sagte Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret bei der gemeinsamen Vorstellung der Ergebnisse einer Umfrage der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und der Deutschen Bundesbank unter rund 1 500 deutschen Instituten, darunter Kreditbanken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Die teilnehmenden Banken stehen gemessen an der Bilanzsumme für etwa ein Viertel des deutschen Bankenmarktes und unterliegen der direkten Aufsicht von BaFin und Bundesbank. Es ist die bisher umfassendste Umfrage dieser Art. Die Studie befragte nicht die 21 deutschen Großbanken, die unter der direkten Aufsicht der Europäischen Zentralbank stehen, sowie deren Tochtergesellschaften.
Die Institute waren von den Aufsehern im Frühjahr 2015 dazu aufgefordert worden, neben ihren eigenen Planszenarien auch die Wirkung von vier verschiedenen hypothetischen Szenarien auf ihre Bilanzen und ihre Gewinn- und Verlustrechnung bis zum Jahr 2019 zu simulieren. Letztere wurden von den Aufsehern vorgegeben, um die Ergebnisse über alle Banken hinweg vergleichen zu können. Mit Blick auf ihre eigenen Berechnungen und Prognosen meldeten die Institute im Aggregat einem Gewinnrückgang vor Steuern um ein Viertel bis zum Jahr 2019. "Das entspricht durchschnittlich gut zwei Milliarden Euro in jedem Jahr"
, sagte Bundesbank-Vorstand Dombret. Sollte die Phase niedriger Zinsen auf dem derzeitigen Niveau bis 2019 bleiben, würde das Ergebnis bei einer im Szenario angenommenen konstanten Bilanzsumme um 50 Prozent einbrechen. In einem Extremszenario, in dem die Zinsen bis zum Jahr 2019 noch weiter sinken würden, erwarten die Institute sogar Einbußen von 50 bis 75 Prozent, wie aus den Modellrechnungen hervorgeht.
Banken leiden unter niedrigen Zinsen, weil durch sie ihre Margen im Zinsgeschäft zurückgehen. Laufen beispielsweise hoch verzinste Anlagen aus, können Banken und Sparkassen diese nur zu erheblich geringeren Zinsen erneut anlegen. Das drückt auf ihre Erträge.
"Durchtauchen ist eine brandgefährliche Herangehensweise"
Angesichts der Ergebnisse der Umfrage warnte Dombret die Institute vehement vor einem Aussitzen der derzeitigen Lage. "Ein Durchtauchen durch die Niedrigzinsphase ist eine brandgefährliche Herangehensweise"
, sagte er. Die Einflüsse des Niedrigzinsumfelds seien struktureller Natur und werden auch noch nach Jahren Spuren in den Bankbilanzen hinterlassen, so Dombret. Die Institute seien deshalb gefordert, an der Profitabilität ihrer Geschäftsmodelle zu arbeiten, forderte er gemeinsam mit Raimund Röseler, Exekutivdirektor der Bankenaufsicht der BaFin. Sie müssten dazu insbesondere ihre Abhängigkeit von den Zinsgeschäften verringern, sagte Dombret. Chancen bestünden beispielsweise in der Digitalisierung, durch die sich Kosten einsparen ließen. Auch sollten Banken ihre Filialstrukturen überdenken. "Manche Banken werden kleiner werden müssen, manche werden fusionieren"
, sagte Röseler. Wie sich die Institute den Gefahren niedriger Zinsen stellten, liege Dombret zufolge aber in dem eigenen Ermessen der Institute. "Wir können nur Vorschläge machen"
, betonte er.
Widerstandsfähigkeit ist noch gegeben
Die gute Nachricht sei, dass sich die Institute auf die kommenden Gefahren einstellten, so Dombret. "Die meisten deutschen Kreditinstitute haben die vergangenen Jahre dazu genutzt, ihr Eigenkapital und ihre Kapitalpuffer aufzustocken."
Diese Mittel könnten die Institute vorerst einsetzen, um Einbußen im Zinsgeschäft abzufedern. Deshalb stellten auch anhaltend niedrige Zinsen keine unlösbare Herausforderung für die deutschen Banken dar. "Die Ertragslage ist ernst, aber die Widerstandsfähigkeit noch gegeben"
, pflichtete Röseler bei. Auch im härtesten Szenario der Studie sei nicht mit dem Ausfall eines Instituts zu rechnen, sagte Dombret. Die Widerstandsfähigkeit der Institute basiere jedoch auf positiven Annahmen, die aus der gegenwärtig guten wirtschaftlichen Lage rührten. Röseler kündigte an, ein Abschmelzen der aufgebauten Reserven verhindern zu wollen. "Sie werden für das Niedrigzinsumfeld benötigt"
, sagte Röseler. Besonders gefährdete Banken würden deshalb künftig verstärkt beobachtet, denkbar seien auch Verbote von Ausschüttungen oder Boni.