Bundesbankpräsident Weidmann betont Notenbank­unabhängigkeit

Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank (EZB) und ihrer Geldpolitik unterstrichen. "Es ist nicht unüblich für Politiker, Meinungen zur Geldpolitik zu haben, aber wir sind unabhängig", sagte Weidmann der britischen Zeitung "Financial Times". Aus Sicht des Bundesbankpräsidenten ist die Debatte in Deutschland um die volkswirtschaftlichen Folgen der gegenwärtigen Geldpolitik zu einseitig: "Bürger sind nicht nur Sparer: Sie sind auch Arbeitnehmer, Steuerzahler und Schuldner, und als solche profitieren sie von den niedrigen Zinsen", so Weidmann.

In den vergangenen Tagen war in Deutschland die Kritik an der sehr lockeren Geldpolitik des Eurosystems lauter geworden. Dabei hatte es auch Stimmen gegeben, die die Bundesregierung zu mehr Druck auf die EZB aufgefordert hatten.

Die EZB sei ihrem Mandat verpflichtet, für Preisstabilität zu sorgen, sagte der Bundesbankpräsident. "Deshalb ist eine expansive Geldpolitik zu diesem Zeitpunkt angemessen, trotz unterschiedlicher Ansichten über einzelne Maßnahmen", so Weidmann.

Aus der Sicht des Bundesbankpräsidenten hätten die jüngsten Beschlüsse des EZB-Rats allerdings nicht so weitreichend sein müssen. In diesem Zusammenhang wiederholte er seine grundsätzliche Kritik an Staatsanleiheankäufen durch die Notenbanken des Eurosystems, da diese zu einer Vermischung von Geld- und Fiskalpolitik führten. Er erkannte allerdings an, dass das aktuelle Ankaufprogramm weniger problematisch sei als vorherige, weil es in geringerem Maße zu einer Vergemeinschaftung von nationalen fiskalischen Risiken führe: "Jede nationale Notenbank kauft die Staatsanleihen des eigenen Landes auf eigene Rechnung", so Weidmann. Gleichwohl sei es aus seiner Sicht wichtig, das geldpolitische Mandat eng auszulegen um die Unabhängigkeit des Eurosystems zu gewährleisten – denn die sei schließlich entscheidend, um Preisstabilität zu gewährleisten.

Gemeinsame Lösungen suchen

Weidmann äußerte sich in dem Gespräch mit der "Financial Times" auch zu den Folgen eines möglichen Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union. Allein die Debatte im Vorfeld des britischen Referendums im Juni 2016 habe den Grad an Unsicherheit erhöht und belaste damit die Investitionsbereitschaft der Unternehmen. "Diese Unsicherheit kann dazu führen, Pläne erst einmal aufzuschieben", sagte Weidmann. Der sogenannte "Brexit" könne zudem mehr Menschen dazu bringen, eine aus Sicht des Bundesbankpräsidenten grundlegende Einsicht zu ignorieren: Nämlich dass in einer globalisierten Welt die Antwort auf ökonomische und politische Herausforderungen nicht ein Mehr an nationalstaatlichem Handeln sein könne. "Das bedeutet aber nicht, dass man alles zentralisieren muss", sagte Weidmann. Vielmehr müsse es darum gehen, nach gemeinsamen Lösungen zu suchen und dem Haftungsprinzip Geltung zu verschaffen.

Zu welchem Ergebnis Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und Großbritannien nach einem potenziellen Austritt führen könnten, sei nicht leicht zu prognostizieren, sagte er. Der Bundesbankpräsident betonte aber, dass es kein kluger Schachzug der EU sein würde, nach einem möglichen Austritt als Retourkutsche Handelsbarrieren zu errichten.

Programmauflagen umsetzen

In der Debatte um einen Schuldenschnitt für Griechenland äußerte sich Weidmann skeptisch: "Die Schuldenlast ist weniger das Thema als die Frage, ob Griechenland in der Lage ist, einen hinreichenden Haushaltsüberschuss zu erzielen oder die Strukturreformen umzusetzen, die für Wachstum notwendig sind". Solange die Programmauflagen nicht umgesetzt würden, sei ein Schuldenschnitt von geringem Nutzen: "In einigen Jahren würden wir uns sonst wieder der gleichen Situation gegenüber sehen", sagte der Bundesbankpräsident.