Bundesbankpräsident Joachim Nagel beim der Pressekonferenz der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) ©Picture Alliance/Reuters

Bundesbankpräsident Nagel für weiteren “robusten” Zinsschritt

Bundesbankpräsident Joachim Nagel hat sich für weitere deutliche Zinsschritte stark gemacht. Im Vorfeld der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington sagte Nagel bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundesfinanzminister Christian Lindner, dass die aktuellen Inflationsdaten für einen weiteren “robusten” Zinsschritt durch das Eurosystem bei seiner nächsten geldpolitischen Sitzung sprächen.

Der Prozess der Normalisierung der Geldpolitik sei dann aber noch lange nicht abgeschlossen, so der Bundesbankpräsident. „Die Inflation in den Griff zu bekommen, hat jetzt höchste Priorität.“ Im September hatte die am Harmonisierten Verbraucherpreisindex gemessene Inflation 10,9 Prozent in Deutschland und 10 Prozent im gesamten Euroraum betragen. Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) ist es, mittelfristig eine Rate von 2 Prozent zu erreichen.

Straffung der Geldpolitik notwendig

Nagel verwies darauf, dass die Geldpolitik im Euroraum nach den ersten beiden Zinsschritten “noch ein deutliches Stück weg vom neutralen Zinssatz, wo immer er auch sein werde“ liege. Die laufenden Diskussionen darüber, wo der gegenwärtig viel diskutierte neutrale Zinssatz liege, bezeichnete der Bundesbankpräsident als wenig zielführend. Ökonomen bezeichnen mit dem neutralen Zins jenen Zinssatz, bei dem die Wirtschaft weder beschleunigt noch gebremst wird. Die EZB hat seit Juli die Leitzinsen in zwei Schritten um 125 Basispunkte erhöht, die Leitzinsen liegen damit wieder alle im positiven Bereich.

Grundsätzlich betonte Nagel, dass die Straffung der Geldpolitik erforderlich sei, um ein Entankern der Inflationserwartungen zu verhindern. Letztlich sei, so der Bundesbankpräsident, eine dauerhaft hohe Inflation für die Wirtschaft „die größte Wachstumsbremse und der größte Wohlstandsvernichter“. Als weitere notwendige geldpolitische Maßnahme verwies Nagel zudem darauf, dass das Eurosystem seine hohen Bestände an Anleihen, die im Zuge verschiedener Programme gekauft waren, zurückführen müsse. Nagel sagte, er setze sich im EZB-Rat dafür ein, diesen Abbau zeitnah anzugehen. Nach seiner Auffassung kann der Abbau im kommenden Jahr beginnen. „Die hohe Bilanz passt nicht zum Prozess der Zinserhöhungen“, unterstrich er.

Preisauftrieb bleibt hoch

Vor dem Hintergrund seiner geldpolitischen Einschätzung gab Nagel zu bedenken, dass der Preisauftrieb in Deutschland wie auch im gesamten Euroraum nicht nur in diesem Jahr hoch sei, sondern auch im kommenden Jahr hoch bleiben werden. Er halte es diesbezüglich auch für wahrscheinlicher, dass im Jahresdurchschnitt 2023 „eine Sieben vor dem Komma stehen wird als eine Sechs“, nach einer Inflation von über 8 Prozent im laufenden Jahr. Und angesichts der Anspannungen auf den Energiemärkten bestünden für die Inflationsrate auch weiterhin deutliche Aufwärtsrisiken. Die Inflation könnte noch länger erhöht bleiben“, so Nagel.

Mit Blick auf die realwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland sprach der Bundesbankpräsident von einer deutlichen Verschlechterung der Wachstumsaussichten. Zunehmend lasteten die Unsicherheit über die Energieversorgung und ihre Kosten auf Investitionen und Konsum. Alles in allem sei für Deutschland vor diesem Hintergrund mit einer „milden Rezession“ zu rechnen. Diesbezüglich verwies er auch auf die neuen Prognosen des IWF, der für das nächste Jahr einen Rückgang der deutschen Wirtschaftsleistung um 0,3 Prozent erwartet. Nagel erklärte, dass diese Entwicklung helfen werde, die Inflation in Deutschland nach unten zu bringen.