Bundesbank rechnet mit Rezession im Winterhalbjahr
Entgegen den Erwartungen habe sich die Wirtschaftsaktivität in Deutschland im Sommer 2022 erhöht, schreibt die Bundesbank im aktuellen Monatsbericht. Trotz hoher Inflation und Unsicherheit über die zukünftige Energieversorgung, wuchs das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) laut Schnellmeldung des Statistischen Bundesamtes gegenüber dem Vorquartal saisonbereinigt um 0,3 Prozent. „Damit übertraf es erstmals wieder seinen Stand von vor der Corona-Pandemie“
, heißt es in dem Bericht.
In den kommenden Monaten dürften die Abwärtskräfte nach Einschätzung der Fachleute jedoch deutlich überwiegen: Die Teuerungsrate dürfte hoch und die Lage auf den Energiemärkten angespannt bleiben. Zusätzlich sei damit zu rechnen, dass die schwächere globale Konjunktur die exportorientierte Industrie belastet, auch wenn der hohe Auftragsbestand und nachlassende Lieferengpässe in der Industrie die geringere Nachfrage etwas abfedern. Die hohe Inflation dämpfe den privaten Konsum und damit die Aktivität in den konsumnahen Dienstleistungsbereichen. Zudem liefen die Aufholeffekte nach Aufhebung der meisten Corona-Schutzmaßnahmen aus, und auch die pandemiebedingt erhöhten staatlichen Konsumausgaben dürften sich nach und nach normalisieren. „Damit ist insgesamt – trotz der höher als erwarteten wirtschaftlichen Aktivität im Sommerquartal – im Winterhalbjahr weiterhin eine Rezession der deutschen Wirtschaft zu erwarten“
, so die Fachleute. Deren Ausmaß sei allerdings äußerst unsicher. Eine Gasmangellage könne nach derzeitigem Stand wohl vermieden werden. Sollte es doch dazu kommen, fiele der Rückgang des realen BIP stärker aus.
Arbeitslosigkeit nur geringfügig erhöht
Der Arbeitsmarkt befinde sich derzeit in einem Spannungsfeld aus unterschiedlichen Einflüssen, schreiben die Expertinnen und Experten. Einerseits seien in vielen Branchen die Belegschaften noch knapp besetzt, die Zahl der offenen Stellen hoch und die Stellenbesetzungszeiten lang. Andererseits gehe die Arbeitsnachfrage vor allem in den besonders von Kostensteigerungen betroffenen Bereichen zurück. Laut Bundesagentur für Arbeit waren im Oktober 2,52 Millionen Personen als arbeitslos registriert, die Quote betrug 5,5 Prozent. Trotz der kräftigen Erhöhung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro je Stunde im Oktober, sei die Arbeitslosigkeit auch im Oktober nur geringfügig gestiegen.
In den laufenden Verhandlungen fordern die Gewerkschaften angesichts der hohen Inflation außergewöhnlich hohe Lohnzuwächse. Es sei laut Bundesbank jedoch nicht damit zu rechnen, dass diese Forderungen zu tatsächlichen Lohnabschlüssen in gleicher Größenordnung führten. „Auch wenn das nicht auf eine von der Lohnseite beschleunigte Inflationsentwicklung hindeutet, hat das Risiko von Zweitrundeneffekten zugenommen“
, heißt es im Monatsbericht. Diese würden die Gefahr steigern, dass die Inflationsrate länger deutlich über dem mittelfristigen Ziel von 2 % im Euroraum bleibt.
Inflationsrate seit September zweistellig
Die Verbraucherpreise seien im Sommer, gemessen am Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI), saisonbereinigt weiter überaus kräftig gestiegen, schreibt die Bundesbank. Die bereits in den Vorquartalen sehr hohe Preisdynamik bei Nahrungsmitteln habe sich noch einmal verstärkt. Auch die Verbraucherpreise für Energie seien trotz entlastender Faktoren, wie der Abs.haffung der Umlage für Erneuerbare Energien (EEG-Umlage), dem Tankrabatt und dem Rückgang des Rohölpreises, weiter spürbar angestiegen. Im September habe die Teuerung in Deutschland mit 10,9 Prozent erstmals seit Anfang der 1950er Jahre einen zweistelligen Wert erreicht. Im Oktober seien die Preise saisonbereinigt gegenüber dem Vormonat erneut sehr kräftig um 1,1 Prozent gestiegen. Gegenüber dem Vorjahr habe die Teuerungsrate 11,6 Prozent betragen. Ohne Energie und Nahrungsmittel gerechnet, sei sie auf 5,1 Prozent nach zuletzt 4,7 Prozent gestiegen.
Inflationsrate wohl auch Anfang 2023 weiter sehr hoch
„Die Inflationsrate könnte auch über den Jahreswechsel hinaus zweistellig bleiben“,
schreiben die Fachleute. Nach wie vor herrsche vor allem bei Industrieerzeugnissen auf den vorgelagerten Stufen starker Kostendruck. Die Preise für Rohöl und andere Energieträger seien zwar zuletzt rückläufig gewesen. Sie befänden sich aber weiterhin auf sehr hohem Niveau, und die Weitergabe der zuvor gestiegenen Rohstoffpreise in die Endkundentarife für Strom und Gas sei noch nicht abgeschlossen.
Allerdings seien die Auswirkungen der angekündigten Gaspreisbremse auf die Inflationsrate schwer einzuschätzen. In einer ersten Stufe übernimmt der Staat im Dezember die Gasabschlagszahlungen der Konsumenten. Ihre zweite Stufe, bei der wohl für ein Grundkontingent von 80 % des Gasverbrauchs der privaten Haushalte aus dem Vorjahr ein Garantiepreis von 12 ct/kWh veranschlagt werden soll, könne die Inflationsrate möglicherweise um fast 1 Prozentpunkt dämpfen. Allerdings gebe es für beide Stufen noch Unklarheiten bezüglich der Erfassung durch die amtliche Preismessung und auch die Gaspreisentwicklung ohne Gaspreisbremse sei von hoher Unsicherheit geprägt. Dies gelte gleichermaßen für die zum Jahresanfang angekündigte Strompreisbremse.