Bundesbank fordert Reform europäischer Haushaltsregeln
Die gemeinsamen europäischen Haushaltsregeln seien „immer weniger nachvollziehbar und vorhersehbar“, kritisieren Fachleute im aktuellen Monatsbericht der Bundesbank. „Ihre Anwendung ergibt sich im politischen Verhandlungsprozess und anstelle verbindlicher quantitativer Vorgaben gibt es bewegliche Ziele“, schreiben sie. So sei es möglich, den Abbau sehr hoher Schuldenquoten entgegen ursprünglich vereinbarter Regeln immer weiter aufzuschieben. Zwar seien die grundlegenden quantitativen Ziele prinzipiell sinnvoll und geeignet und müssten nicht neu ausgerichtet werden. Veränderungen seien jedoch notwendig, um die Bindungswirkung der Regeln zu stärken.
Haushaltüberwachung auf unpolitischere Institution übertragen
Die Expertinnen und Experten der Bundesbank regen an, die quantitativen Ziele wieder verbindlicher zu machen. Dazu müssten die Vorgaben transparent gestaltet und vorhersehbar umgesetzt werden. Die zahlreichen Ausnahmen, warum etwa eine quantitative Vorgabe nicht eingehalten werden muss, und Ermessensspielräume, beispielsweise bei der abschließenden Gesamtbeurteilung, sollten reduziert werden.
Zudem sollte die Überwachung der Haushalte der europäischen Staaten von der Europäischen Kommission auf eine unabhängige, weniger politische Institution übertragen werden. Eine Haushaltsüberwachung durch politiknahe Gremien ist laut den Fachleuten deshalb so ungünstig, weil die Regeln dem starken politischen Anreiz zu einer übermäßigen Verschuldung entgegenwirken sollen. Die Europäische Kommission verstehe sich aber als politische Institution, die neben der Haushaltsüberwachung zahlreiche weitere Aufgaben und Ziele habe. „Gerade auch aufgrund der sehr hohen Flexibilität und der weiten Ermessensspielräumen besteht die Gefahr, dass die Ziele der Fiskalregeln in den Hintergrund treten“, heißt es in dem Bericht. Die Behörde, auf die die Haushaltsüberwachung übertragen werden könnte, sollte ein klares und enges Mandat haben und keine konkurrierenden Ziele verfolgen, empfehlen die Ökonominnen und Ökonomen.
Ausgabenregeln: Es kommt auf die Ausgestaltung an
Als eine weitere mögliche Reform diskutiert der Aufsatz die Option, Defizitgrenzen mit Ausgabengrenzen zu verbinden. „Dies könnte die Regeln tatsächlich an manchen Stellen vereinfachen“, schreiben die Fachleute. Doch müsse bei der Ausgestaltung darauf geachtet werden, dass keine neuen Möglichkeiten geschaffen werden, die Obergrenzen zu umgehen. Entsprechend lautet der Rat, dass mögliche Ausgabengrenzen von den grundlegenden Vorgaben für die länderspezifischen mittelfristigen Haushaltsziele abgeleitet werden sollten. So sieht der Stabilitäts- und Wachstumspakt vor, dass die Mitgliedstaaten einen strukturell nahezu ausgeglichenen Haushalt erreichen, damit Schuldenquoten zügig sinken.
Zudem empfehlen die Bundesbank-Fachleute, die Ausgabenziele immer nur für das kommende Haushaltsjahr und nicht für mehrere Jahre festzulegen. Der in Fachkreisen diskutierte Vorschlag, Ausgabenziele für eine Legislaturperiode festzulegen, sei in dieser Hinsicht problematisch. „Denn damit dürften gegebenenfalls die Defizite über diese Zeit ohne ein Gegensteuern steigen“, so das Argument der Bundesbank-Expertinnen und -Experten. In jedem Fall wäre es sinnvoll, auf Kontrollkonten festzuhalten, inwieweit Haushaltsziele über- oder untererfüllt werden. Sofern sich ein hoher Fehlbetrag aufbaut, wäre dieser regelgebunden wieder abzubauen. Ein unerwünschter Schuldenanstieg könnte somit vermieden werden.
In guten Zeiten für schlechte vorsorgen
Darüber hinaus diskutiert der Aufsatz, sogenannte „Rainy-Day-Funds“ in die Fiskalregeln aufzunehmen. Die Grundidee solcher Fonds ist, Geld in guten Zeiten anzusparen, um für schlechte Zeiten vorzusorgen. Die Fonds sollten zunächst durch eine Übererfüllung der Regelvorgaben befüllt werden können. Im weiteren Verlauf könnten dann Mittel entnommen werden, um die Ziele einfacher einzuhalten. „Empfehlenswert wäre, solche Puffer nur regelgebunden für unerwartete Belastungen zu verwenden“, schreiben die Ökonominnen und Ökonomen. In Fachkreisen diskutierte Vorschläge, einen europäischen Rainy-Day-Fund einzuführen, überzeugen die Expertinnen und Experten hingegen nicht. „Nationale Lösungen scheinen grundsätzlich im aktuellen Ordnungsrahmen der Währungsunion naheliegender, da die Mitgliedstaaten für ihre Finanzpolitik selbst verantwortlich sind“, schreiben sie.
Vorsicht bei Defizitfinanzierung für Investitionen
Ein weiteres Thema des Aufsatzes sind die so genannten „Goldenen Regeln“. Diese lassen zu, dass Staaten sich verschulden können, um zu investieren. Die europäischen Fiskalregeln sehen dies nicht vor. Vergleichbare Haushaltregeln, die in Deutschland jahrelang gegolten haben, hätten sich nicht bewährt, schreiben die Expertinnen und Experten der Bundesbank. Würde eine Goldene Regel trotz der damit verbundenen Probleme für die europäischen Vorgaben erwogen, sollten die Risiken möglichst klein gehalten werden. Dazu fordern die Bundesbank-Fachleute, dass Investitionen nicht unbegrenzt zusätzliche Defizite gestatten sollten. Auch sollte der Abbau hoher Schuldenquoten nicht weniger ambitioniert verlaufen als derzeit vorgesehen.