Buch: Mögliche Risiken nicht unterschätzen
Bundesbank-Vizepräsidentin Claudia Buch hat davor gewarnt, mögliche Risiken für die Stabilität des Finanzsystems zu unterschätzen. Die Weltwirtschaft befinde sich seit der globalen Finanzkrise im Aufschwung, sagte Buch bei der Frühjahrskonferenz der Bundesbank in Frankfurt am Main vor etwa 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmern von Notenbanken und aus der Wissenschaft. Dies berge die Gefahr, dass zu optimistische Erwartungen über die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung den Aufbau von Risiken im Finanzsystem begünstigen.
Erwartungsbildung spielt wichtige Rolle beim Aufbau von Risiken
Insbesondere die deutsche Wirtschaft erlebe derzeit einen sehr langen Aufschwung, sagte die Vizepräsidentin bei einer Podiumsdiskussion. Obwohl sich das Wachstum jüngst verlangsamt habe, dürfte die Eintrübung nur temporär sein. Abwärtsrisiken für die weitere konjunkturelle Entwicklung bestünden dennoch: Geopolitische Spannungen haben zugenommen, Handelskonflikte sind ausgebrochen und drohten zu eskalieren. Zudem sei unklar, unter welchen Umständen das Vereinigte Königreich die EU verlassen werde. Zwischenzeitlich habe sich durch die ansteigende Verschuldung Verwundbarkeiten im globalen Finanzsystem aufgebaut, sagte die Vizepräsidentin.
In langen Phasen niedriger Zinsen, günstiger Finanzierungsbedingungen und anhaltender Hochkonjunktur bestehe die Gefahr, dass Abwärtsszenarien zunehmend aus dem Blick gerieten und deren Auswirkungen nur unzureichend berücksichtigt werden. Dass sich Finanzkrisen wiederholen, liege auch an der menschlichen Eigenschaft in guten Zeiten zu optimistisch zu sein, sagte die Vizepräsidentin. Erwartungen haben deswegen eine große Bedeutung für die Finanzstabilität. Überoptimismus könne nicht gemessen werden, betonte sie. Jedoch ließen sich Hinweise darauf sammeln. So könnten sehr niedrige Ausfallraten und eine sehr niedrige Risikovorsorge in den Bilanzen deutscher Banken Anzeichen für eine Unterschätzung von Kreditrisiken liefern. Ebenso könne die aktuelle Entwicklung der Immobilienpreise zu einer Überschätzung der Kreditsicherheiten führen.
Die Unterschätzung von Kreditrisiken und die Überbewertung bei Immobilienpreisen deuteten auf erhöhte zyklische Risiken im deutschen Finanzsystem hin. Eine unerwartete starke Eintrübung der Konjunktur, erläuterte die Vizepräsidentin, könnte dann mehrere Teile des Finanzsystems gleichzeitig treffen. Die Risiken könnten einzeln oder in Kombination eintreten und sich aufgrund der engen Vernetzung im Finanzsystem gegenseitig verstärken.
Um eine Verstärkung der Risiken durch das Finanzsystem zu vermeiden, müssten ausreichend Puffer im System vorhanden sein. Hierbei sei der antizyklische Puffer ein wichtiges Instrument, um zyklische Risiken zu adressieren. Eine breit angelegte makroprudenzielle Überwachung berücksichtigt nicht nur Finanzmarktentwicklungen, sondern bezieht die realwirtschaftliche Entwicklung mit ein, betonte Buch.
Indikatoren und Modelle weiter verbessern
Neben der Bundesbank-Vizepräsidentin nahmen an der Podiumsdiskussion Donald L Kohn und Boštjan Jazbec teil. Kohn war Vizepräsident des Board of Governors der Federal Reserve und ist derzeit als Senior Fellow bei Brookings Institution tätig. Jazbec ist Mitglied des Einheitlichen Abwicklungsausschusses (SRB) und war bis März 2018 Präsident der slowenischen Notenbank. Unter der Leitung des ehemaligen EZB-Vizepräsidenten, Vitor Constâncio, diskutierten sie unter anderem die Frage, ob die derzeitig etablierten Instrumente ausreichten, um eine neue Finanzkrise zu verhindern. Diese sogenannten makroprudenziellen Instrumente zielen darauf ab, die Widerstandsfähigkeit des Finanzsystems als Ganzes zu erhöhen. Ein Beispiel für makroprudenzielle Instrumente sind beispielsweise Kapitalpuffer, die systemrelevante Banken vorhalten müssen.
Aus Sicht von Constâncio ist die makroprudenzielle Politik insgesamt ein Erfolg. „Allerdings gibt es immer noch viel zu tun“
, merkte er an. Um in diesem Bereich Fortschritte zu erzielen, müssten die Indikatoren und Modelle, mit denen systemische Risiken gemessen werden, weiter verbessert werden, forderte er.
Donald L Kohn betonte, es gebe viele Gründe, skeptisch gegenüber den derzeitigen makroprudenziellen Instrumenten zu sein. Bisher habe man noch nicht viele Erfahrungen sammeln können, da die Instrumente noch nicht in einer Krise getestet worden sein. „Im Gegensatz zu den Geldpolitikern haben wir keinen direkten Feedback-Indikator, der uns sagt, ob unser Handeln erfolgreich war“
, sagte Kohn. Aus seiner Sicht sei es deshalb wichtig, Bankenstresstests noch stärker makroprudenziell aufzubauen und vor allem antizyklische Szenarien zu untersuchen. Zudem müsse die Liste der Indikatoren auf Basis von neuen Forschungsergebnissen und Erfahrungen weiter verfeinert werden. „Diese Indikatoren können eine wichtige Rolle dabei spielen, unser Handeln systematischer und transparenter zu machen“,
so Kohn.
Die Frühjahrskonferenz der Bundesbank findet jährlich statt. In diesem Jahr hat die deutsche Notenbank sie gemeinsam mit der Europäischen Zentralbank (EZB) ausgerichtet.