Innenseite aus dem Bildband - Vergangenheit wird Zukunft ©Nils Thies

Bildband zur Architektur der Bundesbank

Mitten in der Planungsphase für ihren neuen Campus in Frankfurt am Main widmet die Deutsche Bundesbank ihrem Hauptgebäude einen eindrucksvollen und facettenreichen Bildband. „Vergangenheit wird Zukunft – Die Zentrale der Deutschen Bundesbank in Frankfurt am Main“ setzt sich intensiv mit der Architektur des Gebäudes auseinander und ordnet seine Entstehung in den historischen Kontext ein. Neue, ausdrucksstarke Fotografien eröffnen dem Betrachter vielfältige Perspektiven von innen wie von außen.

Für einen umfangreichen Essay konnte die Bundesbank den Architekten und Architekturhistoriker Werner Durth gewinnen. Durth lehrte von 1981 bis 2014 als Professor an verschiedenen Universitäten, ist Autor zahlreicher Publikationen und als Gutachter sowie Preisrichter tätig. In der Publikation der Bundesbank stellt Durth die Geschichte des Gebäudes in den Kontext der Frankfurter Stadtentwicklung und der Architekturentwicklungen im 20. Jahrhundert. Er veranschaulicht, vor welchem historischen Hintergrund das Gebäude zu verstehen ist und wie es das Stadtbild von Frankfurt bereichert. Es wird noch einmal mehr deutlich, wie richtig die Entscheidung war, dieses prägende Zeugnis der deutschen Nachkriegsarchitektur zu erhalten und durch eine grundlegende Sanierung neu zu beleben, schreibt Bundesbankpräsident Jens Weidmann im Vorwort der Publikation.

Ein Wahrzeichen für Frankfurt

Schon früh sei das Haupthaus der Bundesbank zu einem Wahrzeichen Frankfurts als Finanzmetropole geworden, schreibt Durth. Jedoch sowohl in Bezug auf den Standort als auch in der architektonischen Form stets zurückhaltend und in Distanz zu den Hochhäusern im Zentrum der Stadt. Die klare Kontur und solitäre Lage des Hauses im Stadtgefüge könne als Zeichen der Eigenständigkeit der Bundesbank gedeutet werden – unabhängig von politischen Stimmungslagen, kurzfristigen Entscheidungsprozessen und Weisungen der Regierung.

Besonderes Augenmerk legt Durth in seinem Aufsatz auch auf die im Süden neben dem Grüneburgpark benachbarten Neubauten auf dem Campus der Goethe-Universität. Der aus dem Hauptgebäude der I.G.Farben hervorgegangene Gebäudekomplex bilde im stadträumlichen Zusammenhang das Gegenstück zur schmalen Scheibe des Bundesbankgebäudes im Norden. Zudem füge er sich durch die klaren Volumen der Neubauten mit wohlproportioniertem Abstand zu einem einprägsamen Bild eines innerstädtischen Campus von bemerkenswerter urbaner Qualität zusammen. Der Campus Westend mit seiner großzügigen Weite und ausgezeichneten Architektur erziele eine Vorbildwirkung für Bildungsbauten anderenorts.

Ein zukunftsgerichteter Standort

Angefangen bei der Reichsbank erörtert Durth detailliert die Architekturgeschichte der Bundesbank bis zur Entstehung des heutigen Gebäudekomplexes der Zentrale auf dem Campus in Frankfurt, Ergebnis eines Wettbewerbs 1961. Er zeigt Parallelen auf zu verschiedenen Gebäuden der damaligen Zeit und grenzt die einzigartige Architektur der Bundesbankzentrale zu anderen Stilrichtungen ab. Darüber hinaus geht er ausführlich auf die Wahl des Standortes und die mit ihr einhergehenden Restriktionen für das Gebäudeensemble ein. Im Rückblick erscheine der Standort auf der Anhöhe vor den Hängen des Taunus wie eine glückliche Fügung mit weit in die Zukunft reichendem Entwicklungspotenzial.

Auch mit dem Innenausbau des Gebäudes setzt sich der Architekt facettenreich auseinander. Dabei lenkt er die Aufmerksamkeit auf die Beschaffenheit und Entstehung einzelner Räume, wie der Eingangshalle oder dem Vasarely-Saal, und erklärt die Hintergründe einzelner architektonischer Elemente, wie der Wendeltreppe in den Direktoriumsetagen oder dem System von Einbauschränken in den Büroräumen.

Paradigmenwechsel in der Baukultur

Das bis 1972 errichtete Hauptgebäude der Bundesbank gelte inzwischen als bedeutendes Zeugnis der kurzen Epoche des Brutalismus in der Architektur, bemerkt Durth. Charakteristische Merkmale wie das Betonskelett und das Fassadenrelief begründeten die Zuordnung des Bauwerks zu diesem Begriff, in Anklang an den „béton brut“ als Bezeichnung des roh belassenen Sichtbetons. Gleichwohl sei hier auf das sonst im Brutalismus übliche Pathos des Ungehobelten und Unfertigen verzichtet worden, um damit dem Anspruch auf Präzision und Seriosität einer Zentralbank zu entsprechen. Insofern greife die eindimensionale Zuordnung des Gebäudes zur Kategorie des Brutalismus zu kurz, weil dadurch andere Aspekte in den Hintergrund rückten, die in ihrer Vielfalt die Besonderheit und Einmaligkeit dieses Projektes ausmachten. Das Gebäude sei „nicht nur ein herausragendes Dokument der Architekturgeschichte, sondern vor allem auch Zeugnis einer kurzen Phase der Geschichte der Bundesrepublik, die um 1970 durch einen tiefgreifenden politischen und ökonomischen Umbruch beendet wurde.“ Es folgte ein Paradigmenwechsel in der Baukultur – angesichts der „Grenzen des Wachstums“ und zunehmender Wertschätzung des überkommenen Baubestands verflüchtigte sich der fortschrittsgläubige Optimismus der 60er Jahre. Dem Lob der Kleinteiligkeit unter dem Slogan „small is beautiful“ folgte eine neue Phase historisch und ökologisch reflektierter Umweltgestaltung.

Im Blick auf das kulturelle Erbe der oft geschmähten Nachkriegsmoderne wachse inzwischen besonders in der jüngeren Generation das Interesse an jener Architektur, die mit dem Anspruch auf Originalität und Wahrhaftigkeit im Bauen die Energie und Phantasie der Entwerfenden bewegte. Wie gut, dass in diesem Ringen um Anerkennung das Hauptgebäude der Deutschen Bundesbank Maßstäbe setzt für die Einschätzung der Qualität von Bauten aus dieser Epoche – und auf Dauer erhalten bleibt, schreibt Durth. In der weiteren Entwicklung des Campus der Bundesbank werde das Bauwerk Bezugspunkt und Rückgrat sein, im Dialog mit der Architektur unserer Zeit.

Neue Ansichten und Perspektiven

Der zweite Teil der Publikation ist der visuellen Auseinandersetzung mit dem Hauptgebäude in seiner heutigen Gestalt gewidmet. Die Fotografien von Nils Thies zeigen, welche interessanten Ansichten und Perspektiven sich dem Betrachter von außen und von innen eröffnen. Das Haupthaus der Bundesbankzentrale offenbart seine Schönheit nicht sofort. Aus der Ferne ist es schwer auszumachen, und aus der Nähe ist es kaum als Ganzes zu erfassen. Das Innere bleibt den meisten ganz verborgen, schreibt Thies, Bildredakteur der Bundesbank.

Mehr als 1.000 Fotos sind während der Beschäftigung des Fotografen mit dem Haupthaus der Zentrale und den umliegenden Gebäuden auf dem Campus in den vergangenen drei Jahren entstanden. Ein Teil der Arbeiten ist nun in dem Bildband zu sehen. Für Präsident Weidmann ist der Bildband damit auch ein zeitgeschichtliches Dokument: Weil nach der Sanierung nicht mehr alles exakt so sein wird, wie es heute ist, sind seine Fotografien auch ein bleibendes Zeugnis der Gebäude, so wie wir sie kennen und liebgewonnen haben.