Banken-Symposium: Steigende Zinsen und Herausforderungen für Banken

Bundesbankpräsident Joachim Nagel hält einen weiteren Zinsanstieg für erforderlich. Wie weit die Zinsen noch steigen müssen, lässt sich aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht beantworten, so Nagel in einer Videobotschaft anlässlich des Bundesbank-Symposiums „Bankenaufsicht im Dialog“. Wir können auch nicht sagen, wie lange sie hoch bleiben und wie sie sich danach entwickeln werden. Die Inflationsentwicklung sei derzeit hochgradig unsicher. Vor dem Hintergrund dieser Unsicherheit verzichten wir aktuell auch auf einen exakten „Zinsausblick“ oder Forward Guidance bei unserer geldpolitischen Kommunikation, sagte Nagel. 

Dabei betreffe die hohe Unsicherheit aus seiner Sicht nicht nur die kurze, sondern auch die lange Frist. Kurzfristig könnten Nagel zufolge beispielsweise die Löhne stärker ansteigen als erwartet. Dies würde die Inflationswelle über sogenannte Zweitrundeneffekte verlängern. Unter Zweitrundeneffekten versteht man die Reaktion von Preisen, Löhnen oder Inflationserwartungen auf bereits gestiegene Preise oder Kosten. 

Die hohen Preise für Energie, Rohstoffe und andere Vorprodukte könnten laut Nagel ebenfalls stärker an Endkundinnen und -kunden weitergegeben werden als in den aktuellen Prognosen angelegt. Zudem könnten einige Entwicklungen die Inflation auf lange Frist erhöhen. So beobachte man derzeit eine geopolitische Transformation, wie sie in diesem Jahrhundert vermutlich ohne Beispiel sei. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine sei hierbei ein bedeutender Faktor. Darüber hinaus gebe es weitere geopolitische Spannungen und insgesamt das Risiko einer Fragmentierung. Zudem erfordere der Klimawandel und die zum Schutz des Klimas notwendige Dekarbonisierung der Wirtschaft umfassende Anpassungsmaßnahmen. 

Buch: Banken und Aufseher müssen eine detaillierte Perspektive einnehmen

Bundesbankvizepräsidentin Claudia Buch spricht während des Bundesbank-Symposiums 2023 in Frankfurt ©Nils Thies
Claudia Buch

Die Auswirkungen des Strukturwandels – bestehend aus den Trends Digitalisierung, Demografie, Dekarbonisierung und Deglobalisierung – auf die Banken hierzulande war das zentrale Thema der Ausführungen von Bundesbankvizepräsidentin Claudia Buch, die im Anschluss an den Präsidenten sprach. „Banken haben eine wichtige Funktion für die Finanzierung des Wandels und müssen gleichzeitig die damit einhergehenden Risiken gut managen, sagte Buch. Im Vorstand der Bundesbank ist sie unter anderem für die Bereiche Finanzstabilität sowie Banken und Finanzaufsicht verantwortlich. Umfangreiche wirtschaftspolitische Maßnahmen seien etwa ein Grund dafür, dass sich der Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und Kreditrisiken gelockert habe, so Buch. Hinzu komme, dass die Risikomodelle der Banken nicht „trainiert“ worden seien, um in einem Szenario gestiegener Zinsen, sektoraler Anpassungen und hoher makroökonomischer Unsicherheit Auskunft über künftige Risiken zu geben. Banken sollten deshalb künftige Kreditrisiken auf Basis möglichst adverser Szenarien berechnen und Ermessensspielräume so nutzen, dass wenig aussagekräftige Daten der Vergangenheit die Ergebnisse der Modelle nicht verzerrten, so Buch. 

Für die Banken komme erschwerend hinzu, dass sich strukturell notwendige Anpassungen nicht einfach auf Ebene einer Verschiebung zwischen den Sektoren zeigten. Unternehmen in demselben Sektor werden es unterschiedlich gut schaffen, mit den neuen Rahmenbedingungen umzugehen, sagte Buch. Um die Risiken der Transformation abzuschätzen, müssten Banken und Aufseher daher eine detaillierte Perspektive einnehmen. Als Beispiel nannte sie die Auswirkungen von Klimarisiken. Ein Kredit an eine Glasmanufaktur gehe mit unterschiedlichen Klimarisiken einher, je nachdem, ob die Glasschmelze mit regenerativ erzeugtem Strom erfolge oder unter Einsatz von Erdgas. Standardisierte Offenlegungspflichten sind daher wichtig, damit Kreditrisiken belastbar eingeschätzt und eine entsprechende Risikovorsorge getroffen werden kann", sagte sie. Des Weiteren riet Buch den Banken dazu, über Methoden und Prozesse zu verfügen, um Nachhaltigkeitsrisiken zu bestimmen und in das Risikomanagement einbeziehen zu können. Zwei Drittel der Institute stehe mit der Umsetzung aufsichtlicher Empfehlungen zu Nachhaltigkeitsrisiken erst am Anfang. 

Abschließend plädierte die Vizepräsidentin für einen breiten gesellschaftlichen Dialog zur Rolle der Banken in der Transformation und dem Umgang mit Risiken. Die Antworten auf die Fragen nach dem Umgang mit neuen Technologien und neuen Risiken kann nicht die Aufsicht alleine geben“, sagte sie. Die Aufsicht handele im Auftrag der Gesellschaft – und damit stecke die Politik den Rahmen ab, in dem sie agiere. 

Zentrale Veranstaltung zu Bank- und Aufsichtsthemen

Mark Branson (BaFin) spricht während des Bundesbank-Symposiums 2023 in Frankfurt ©Nils Thies
Mark Branson

Auch Mark Branson, Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), betonte bei dem Symposium, dass es robuste Institute brauche, die langfristig ihre volkswirtschaftliche Rolle wahrnehmen können. Dafür müssten sie ihre umweltbezogenen Risiken im Griff haben. Branson warnte außerdem davor, dass Produkte und Dienstleistungen als nachhaltig verkauft würden, die es in Wirklichkeit gar nicht seien: Greenwashing zerstört Vertrauen. Das ist eines der größten Risiken der Transformationsfinanzierung“, sagte er. Als Greenwashing bezeichnen Expertinnen und Experten eine irreführende Vermarktung von Technologien als klimafreundlich oder nachhaltig. 

Das Symposium der Bundesbank ist seit vielen Jahren eine der zentralen Veranstaltungen zu Bank- und Aufsichtsthemen in Deutschland und bietet einen Austausch zwischen Vertreterinnen und Vertretern der Aufsicht, der Kreditwirtschaft und der Wissenschaft. Auch in diesem Jahr standen hochaktuelle aufsichtliche Themen im Fokus. So ging es in weiteren Diskussionsrunden und Vorträgen unter anderem um die Auswirkungen der Zinswende auf die Kreditwirtschaft sowie Klimarisiken und Ergebnisse des Klimastresstests.