Karl Blessing sitzt am Schreibtisch ©Bundesbildstelle

Aus unserem Archiv: Der „Blessing-Brief"

Der sogenannte „Blessing-Brief“, datiert auf den 30. März 1967[1], entstammt einem Schriftwechsel des damaligen Präsidenten der Deutschen Bundesbank, Karl Blessing, mit William Martin, früherer Vorsitzender des Federal Reserve Board der US-amerikanischen Zentralbank. In diesem geht Blessing auf die Sorgen der Amerikaner ein, die Deutsche Bundesbank könne massenhaft US-Dollar in Gold eintauschen.

Hintergrund dieser amerikanischen Befürchtungen beruhen auf dem in dieser Zeit gültigen Bretton-Woods Abkommen, welches eine Golddeckung des Dollars vorsah. Die Amerikaner hatten sich im Rahmen dieses Abkommens dazu verpflichtet, Dollar jederzeit in Gold umzutauschen.[2] Seit Ende der 1950er Jahre fürchteten sich die Amerikaner jedoch vor einem umfangreichen internationalen Gebrauch dieses Umtauschrechts, insbesondere durch die Europäer, wo sich aufgrund der hohen militärischen  Präsenz und der expandierenden Investitionen der amerikanischen Industrie Dollarüberschüsse angesammelt hatten.[3] Ein massenhafter Umtausch hätte die amerikanischen Goldreserven aufbrauchen und den Glauben an eine tatsächliche Golddeckung des Dollars aufheben können. Mitte der 60er Jahre wurde diese Gefahr besonders akut – Grund hierfür war die damalige wirtschaftliche Situation der Vereinigten Staaten, die im Zuge des Vietnamkrieges und den damit verbundenen Aufrüstungskosten bereits ein hohes Zahlungsbilanzdefizit verzeichneten. [4]Verstärkt wurde der Druck durch die höhere Inflation in den Vereinigten Staaten, die sich aufgrund des im Bretton-Wood System festgelegten Festkurssystems auch auf die europäischen Länder zu übertragen drohte.[5]

Ein tatsächlicher Abbau des amerikanischen Defizits hätte die US-Regierung jedoch zu einer restriktiveren Handelspolitik, weniger Investitionen oder einen Abzug amerikanischer Truppen aus Europa bewegen können. Konsequenzen, die in Europa nur wenige Politiker  tragen wollten. Die Amerikaner bauten daher, um das Vertrauen in den Dollar stabil zu halten, auf eine Politik der gegenseitigen Abmachungen auf beiden Seiten des Atlantiks - diese zielte auf eine fortwährende Haltung von Dollarüberschüssen in Europa ab, was die Haltung des eigenen Zahlungsbilanzdefizits ermöglichte.[6]

Vor diesem historischen Hintergrund ist auch der sogenannte „Blessing-Brief“ einzuordnen. In diesem verspricht Karl Blessing sinngemäß, von einem massenhaften Umtausch von Dollar in Gold Abstand zu nehmen. Er betont, dass diese Zurückhaltung der deutsche Beitrag zur internationalen monetären Kooperation sei und der Prävention jeglicher störender Effekte auf den internationalen Währungsreserven- und Goldmärkten diene.[7] Im Zusammenhang mit dem „Blessing-Brief“ wird in der historischen Forschung oftmals Bezug auf ein Blessings Interview mit der Zeitschrift „Der Spiegel“ aus dem Jahr 1971 genommen, in welchem Karl Blessing seine damaligen Zugeständnisse selbst in Frage stellt – „Ich erkläre Ihnen heute, daß ich mich selber persönlich schuldig fühle auf dem Gebiet. Ich hätte damals rigoroser sein müssen gegenüber Amerika. Die Dollar, die bei uns anfielen, die hätte man einfach rigoros in Gold umtauschen müssen.“[8] Er habe jedoch damals unter anderem die außenpolitischen Konsequenzen, die der Abzug amerikanischer Truppen aus Deutschland nach sich gezogen hätte, gefürchtet und dem Drängen der Amerikaner nachgegeben.[9]

Fußnoten:

  1. Siehe „Der Blessing-Brief”, 30. März 1967 (Fundort der Quelle: Historisches Archiv der Deutschen Bundesbank, Frankfurt am Main,  Signatur: HA BBK B 330/10799.)
  2. Heise, Arne: Grundlagen der Europäischen Währungsunion. Theorie, Institutionen, Politik, Düsseldorf 1997, S.41.
  3. Vergleiche: Zimmermann, Hubert : Western Europe and the American Challenge: Conflict and Cooperation in Technology and Monetary Policy, 1965-73, in: Journal of European Integration History 6:2 (2000), S. 85-110, S. 88.
  4. Ebd. S. 89-90. Die möglichen Konsequenzen des US-amerikanischen Zahlungsbilanzdefizits auf die Stabilität der Leitwährung „Dollar“ im Bretton-Woods System bestimmtem daher die finanzpolitische Diskussion in den 1960er Jahren. Vergleiche hierzu: Heide-Irene Schmidt: „The Embarassment of Strength“: Die deutsche Position im „International Monetary System“ 1958-1968, in: Deutschland, Großbritannien, Amerika. Politik, Gesellschaft und Internationale Geschichte im 20.Jahrhundert (hrsg. von Ursula Lehmkuhl; Clemens A. Wurm und Hubert Zimmermann), Stuttgart 2003, S. 155-194, S.164.
  5. Vergleiche hierzu: Zimmermann, Hubert: Western Europe and the American Challenge: Conflict and Cooperation in Technology and Monetary Policy, 1965-73, in: Journal of European Integration History 6:2 (2000), S. 85-110, S. 89.
  6. Ebd. S. 88.
  7. Siehe Schriftwechsel „Der Blessing-Brief” In der historischen Forschung ist die genaue Einordnung des Briefs umstritten: Während beispielsweise Hubert Zimmermann den Brief als einen Autonomieverzicht der Bundesbank interpretiert „the Bundesbank (with the Blessing letter) deprived itself of an important aspect of monetary autonomy“ (zitiert nach: Hubert Zimmermann:  Money and Security. Troops, Monetary Policy, and West Germany´s relations with the United States and Britain 1950-1971, Cambridge University Press, Cambridge 2002, S. 227), widerspricht Heide-Irene Schmidt einer solchen Interpretation mit dem Hinweis auf die deutschen Interessen:  „Der Blessing Brief beschreibt vielmehr die bisherigen Maßnahmen der Bundesbank und die zugrunde liegenden Intentionen internationaler monetärer Kooperation; er betont die Absicht, diese Politik fortzusetzen. Ein Autonomieverzicht kann daraus umso weniger abgeleitet werden, als die Bundesbank vor und nach diesem Brief Ansätze ablehnte, die USA über devisenpolitische Maßnahmen (d.h. Verkauf von Dollar gegen Gold) zu einer „vernünftigeren“ Zahlungsbilanzpolitik zu zwingen. Die damit verbundene Destabilisierung des Wirtschafts- und Währungssystems lag nicht im deutschen Interesse.“ (zitiert nach: Heide-Irene Schmidt: „The Embarassment of Strength“: Die deutsche Position im „International Monetary System“ 1958-1968, in: Deutschland, Großbritannien, Amerika. Politik, Gesellschaft und Internationale Geschichte im 20. Jahrhundert (hrsg. von Ursula Lehmkuhl; Clemens A.Wurm und Hubert Zimmermann), Stuttgart 2003, S. 155-194, S.164.

  8. Siehe: Der Spiegel (19). 1971: „Der Brief gilt leider noch heute,” erschienen am 3. Mai 1971, online im Internet unter: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-43257718.html (aufgerufen am 11.1.2013)
  9. Zimmermann, Hubert: Western Europe and the American Challenge: Conflict and Cooperation in Technology and Monetary Policy, 1965-73, in: Journal of European Integration History 6:2 (2000), S. 85-110, S. 89-91. Zitat von Karl Blessing aus seiner eigenen Erinnerung an ein Telefongespräch mit dem damaligen US-amerikanischen Unterhändler in den trilateralen Verhandlungen, John McCloy: „ Und ich habe ihm gesagt: Mein lieber McCloy, Ihre Situation ist klar, das ist ein Zahlungsbilanzproblem bei Ihnen, nichts weiter. Sie haben gesehen, daß wir vernünftig sind und unsere Dollar nicht in Gold konvertieren.“ Und zur Einschätzung der damaligen außenwirtschaftlichen Situation: „Ich habe damals eingesehen, wenn die Amerikaner abziehen würden, dann hätten wir natürlich außenpolitisch unter Umständen eine Malaise riskiert. Ich habe die Dinge immer ernster gesehen als sogar die Bonner Regierung, mit Ausnahme von Schröder. Der hat mich immer gebeten, den Amerikanern zu helfen.“(zitiert nach: Brawand, Leo: “Wohin steuert die deutsche Wirtschaft?”, München 1971, S. 61-62).