Abschaffung des Bargelds löst Wachstums­schwächen nicht

Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat sich beim diesjährigen Zahlungsverkehrssymposium der Bundesbank deutlich gegen die Abschaffung des Bargelds ausgesprochen. Damit widersprach er Bargeld-Kritikern, die in der Abschaffung des Bargelds eine Möglichkeit sehen, die Wirkung negativer Leitzinsen zu verschärfen. Hintergrund der Argumentation der Kritiker ist, dass Sparer Geld von ihren Konten abziehen und stattdessen Bargeld halten, um so negative Zinsen auf ihre Einlagen zu umgehen. Gäbe es kein Bargeld, so die Ratio, würden die Verbraucher ihr Geld nicht halten, sondern investieren und konsumieren. Die Wirtschaft würde angekurbelt. Diese Diskussion sei schon im Kern fehlgeleitet, betonte der Bundesbankpräsident vor rund 250 Gästen aus der Finanz- und Kreditwirtschaft.

Anstatt kühne Akrobatik in der Form zu betreiben, das Bargeld abschaffen zu wollen, sei es vielmehr entscheidend, die wirtschaftliche Wachstumsschwäche in den Ländern des Euro-Raums anzugehen, sagte Weidmann. Die flauen Wachstumsaussichten vieler Volkswirtschaften seien schließlich eine der wesentlichen Ursachen des momentanen Niedrigzinsumfeldes. Der demografische Wandel, die hohe Staatsverschuldung und die damit einhergehende hohe Steuerbelastung gehören laut Weidmann zu den Ursachen dieser Wachstumsschwäche und werden für die Volkswirtschaften auch künftig enorme Herausforderungen darstellen. Hinzu komme in vielen Ländern die private Verschuldung. Zudem sei keineswegs sicher, betonte Weidmann, dass ein moderater Negativzins zwangsläufig zu einer "Flucht ins Bargeld" führe.

"Jeder sollte bezahlen können, wie er will"

Aus Sicht des Bundesbankpräsidenten spricht noch ein weiterer Grund gegen eine Abschaffung des Bargelds: "Jeder Bürger solle weiterhin so bezahlen können, wie er will – also bar oder unbar", sagte Weidmann. Bei den Bürgern seien Münzen und Scheine als Zahlungsmittel weiterhin beliebt. Wie eine aktuelle Studie der Bundesbank zeigt, wurden hierzulande im Jahr 2014 immer noch mehr als die Hälfte aller Umsätze für Waren und Dienstleistungen (53 Prozent) mit Bargeld beglichen, bei 29 Prozent der Umsätze wurde die Girokarte genutzt, 5 Prozent wurden per Überweisung gezahlt, bei 4 Prozent zückten die Verbraucher die Kreditkarte, bei 3 Prozent nutzten sie das Lastschriftverfahren.

Sicherheit gewährleisten, ohne Innovation zu unterdrücken

Das Internet, soziale Netzwerke und Smartphones prägten heute die Kommunikation. Die rasante Entwicklung der Kommunikationstechnologie habe zudem zahlreiche Abläufe und Wirtschaft und Gesellschaft erheblich verändert. "Diese Entwicklung hat sich bislang jedoch kaum im deutschen Zahlungsverkehrsverhalten niedergeschlagen", so Bundesbankpräsident Weidmann. Doch in jüngerer Zeit sei auf dem traditionell konservativen deutschen Markt für Zahlungsdienste zunehmend mehr Dynamik zu verspüren, sagte Weidmann. Leistungsfähigere Mobiltelefone ermöglichten inzwischen das kontaktlose Bezahlen, sofern dies vom Einzelhandel unterstützt würde. Gestützt würden diese neuen Entwicklungen durch das Heranwachsen einer neuen Generation von Konsumenten, für die das Smartphone ganz selbstverständlich ein ständiger Begleiter sei.

Konkurrenz durch Nicht-Banken

Mit Blick auf die neuen Trends im Zahlungsverkehr wies Bundesbank-Vorstand Carl-Ludwig Thiele die Vertreter der Kreditwirtschaft bei dem Zahlungsverkehrssymposium auf die Konkurrenz durch Nicht-Banken hin. Viele Anbieter außerhalb der Bankenbranche entwickelten inzwischen beispielsweise eigene Bezahl-Apps. "Die Banken wissen: Wer nicht mit der Zeit geht, muss mit der Zeit gehen", sagte Thiele. Er betonte, dass die Abwicklung des Zahlungsverkehrs bei Inanspruchnahme solcher neuen Angebote immer über Bankkonten erfolge. "Auch Apple Pay, Paypal und Co. müssen letztlich die Zahlung von einem Konto eines Kunden erhalten", so Thiele. Bei diesen neuen Bezahlmethoden sei es wichtig, das notwendige Maß an Sicherheit zu gewährleisten, ohne den Wettbewerb und die Innovationskraft im Zahlungsverkehr zu unterdrücken, sagte Weidmann.

Bei der Veranstaltung diskutierten die Experten zudem über die künftig vom Eurosystem betriebene Plattform für die harmonisierte und zentrale Wertpapierabwicklung in Zentralbankgeld: TARGET2-Securities (T2S). Mit T2S sollen insbesondere die grenzüberschreitende Abwicklung in Zentralbankgeld verbessert werden. Bislang ist der europäische Abwicklungsmarkt noch überwiegend national geprägt und deshalb stark fragmentiert. Am 22. Juni wird T2S in Betrieb gehen.