"Strukturprobleme können nicht mit der Notenpresse gelöst werden"
Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat angesichts des jüngsten Programms des Eurosystems zum Kauf von Staatsanleihen ("Quantitative Easing", QE) davor gewarnt, dass damit der politische Druck auf die Notenbanken steigen könne. Schließlich würden die nationalen Notenbanken durch die Käufe zu den wichtigsten Gläubigern ihrer Regierungen, sagte er bei einer Rede vor Vertretern der City of London.
"Strukturprobleme können mit Sicherheit nicht mit der Notenpresse gelöst werden"
, sagte Weidmann. Wenn der Eindruck entstehe, dass Zentralbanken immer wieder an die Stelle wirksamer politischer Maßnahmen träten, sei er besorgt, dass Staatsanleihekäufe nötige Strukturreformen und Haushaltskonsolidierung in den Euro-Mitgliedstaaten verzögern könnten. Weidmann begrüßte die Beteuerung einiger europäischer Regierungschefs, dass das QE-Programm Strukturreformen nicht ersetzen dürfe. Zugleich äußerte er allerdings seine Skepsis mit Goethes Worten: "Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube"
.
"Staatsanleihekäufe kein Instrument wie jedes andere"
In seiner Rede unterstrich der Bundesbankpräsident seine Zweifel hinsichtlich der Notwendigkeit des QE-Programms. "Alle Wachstumsprognosen gehen davon aus, dass die Inflationsraten auf mittlerer Sicht, wenn auch nur langsam, steigen"
, sagte er. Die meisten Mitglieder im EZB-Rat seien mit ihm der Auffassung, dass das Risiko einer selbstverstärkenden Deflation weiterhin sehr gering sei, so Weidmann. Auch wenn die Wirkungen eines QE-Programms auf die Inflation schwer abschätzbar seien, muss nach Weidmanns Einschätzung wohl davon ausgegangen werden, dass sie in Europa schwächer ausfallen als beispielsweise in den USA. Das liege an den aktuell bereits deutlich niedrigeren Zinssätzen in Europa als zur Einführung des QE-Programms in den USA, sagte der Bundesbankpräsident. Darüber hinaus finanzierten sich US-Unternehmen deutlich stärker über den Kapitalmarkt, als dies in Europa üblich sei. Auch Vermögenseffekte fielen generell geringer aus.
Außerdem seien Staatsanleihekäufe in einer Währungsunion mit einer gemeinsamen Geldpolitik und 19 unabhängigen Finanzpolitiken kein Instrument wie jedes andere. Denn über die Bilanz der Zentralbanken könnte grundsätzlich "eine Gemeinschaftshaftung durch die Hintertür eingeführt werden"
, sagte Weidmann. Es sei jedoch Aufgabe gewählter Regierungen und Parlamente, solch weitreichende Entscheidungen zu fällen. In diesem Zusammenhang wies er aber auch darauf hin, dass der EZB-Rat Maßnahmen beschlossen habe, die Bedenken gegenüber früheren Staatsanleihekaufprogrammen Rechnung tragen – wie etwa die Begrenzung der Verlustteilung nur auf einen kleinen Teil des Programms und die Obergrenzen für die Käufe einzelner Emissionen und der jeweiligen Staaten.
Schritte zur Lösung der Krise
Die anhaltende Krise im Euro-Raum offenbart Weidmann zufolge Mängel in der Konstruktion der Währungsunion. Um diese Krise ein für alle Mal zu lösen, müssten mehrere Schritte unternommen werden. So müssten die wirtschaftlichen Anpassungsprozesse auf nationaler Ebene fortgeführt werden. Trotz erster erfolgreicher Schritte sei die Arbeit hier noch nicht erledigt. Umso wichtiger sei, dass bisherige Erfolge nicht gefährdet würden. "Das Risiko eines Rückschlags ist insbesondere in Griechenland hoch"
, warnte Weidmann. Er sei jedoch absolut sicher, dass die Bewältigung von Strukturreformen und fiskalischen Problemen auch im eigenen Interesse Griechenlands sei.
Darüber hinaus regte Weidmann an, das Rahmenwerk der Währungsunion weiter zu reformieren. Vorrangiges Ziel müsse sein, größere Anreize für gute und verantwortungsvolle Entscheidungen im Euro-Raum zu schaffen. Dazu sei es wichtig, Haftung und Kontrolle in Einklang zu bringen. Da der Weg einer Fiskalunion, die zwangsläufig mit einer weitreichenden Abgabe fiskalpolitischer Souveränität auf die europäische Ebene einhergehen müsse, auf absehbare Zeit verschlossen sei, wie die jüngsten Reaktionen der griechischen Regierung eindrucksvoll zeigten, bliebe letztlich nur die Option, das Haftungsprinzip zu stärken. "Nationale Eigenverantwortung heißt am Ende, dass es auch möglich sein muss, dass Staaten finanziell scheitern",
unterstrich Weidmann.
Angesichts der engen Verflechtung von Banken und Staaten wäre eine Staatsinsolvenz nach Weidmanns Worten natürlich eine Herausforderung. Um den Euro-Raum wieder in die Spur zu bringen, müsse daher das Finanzsystem widerstandsfähiger und Banken weniger angreifbar werden. Das setze unter anderem voraus, dass Banken in Zukunft Ausleihungen an Staaten mit hinreichen Eigenkapital unterlegen und Obergrenzen beachten müssten.