"Einige Regierungen haben die Zeit nicht genutzt"

Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat in einem Interview mit der Wochenzeitung "Die Zeit" gesagt, dass die Regierungen des Euro-Raums in den Verhandlungen mit Griechenland zu Recht auf die Einhaltung der getroffenen Verabredungen bestanden hätten. "Entscheidend ist aber die Umsetzung", sagte Weidmann. Es sei allerdings zentral, dass die Politik die Probleme löse und diese nicht auf die Notenbanken abschiebe. "Das Eurosystem ist weder für die Solvenzsicherung von Banken noch von Staaten zuständig", sagte Weidmann.

Insgesamt hätten die Maßnahmen des Eurosystems zur Eindämmung der Krise für eine gewisse Ruhe an den Finanzmärkten gesorgt und der Politik Zeit verschafft. Dies habe aber auch immer wieder neue Rufe nach der Geldpolitik geweckt. "Einige Regierungen, gerade auch größerer Mitgliedstaaten der Währungsunion, haben diese Zeit auch nicht genutzt", kritisierte Weidmann. In Frankreich und Italien hätten die Regierungen zuletzt anerkannt, dass Reformen zu lange hintangestellt wurden. Dieses Versäumnis zeige sich auch an deren niedrigen Wachstumsraten, sagte Weidmann. Bei allen Reformplänen komme es zudem auf die Umsetzung an. "Ich hoffe sehr, dass wir hier einen Erfolg sehen", so der Bundesbankpräsident. Denn beide Länder seien enorm wichtig für die Stabilität des gemeinsamen Währungsraumes.

In der Währungsunion sei die disziplinierende Wirkung der Kapitalmärkte auf die Staatshaushalte überschätzt worden, sagte Weidmann. Es sei die Idee gewesen, dass die Kapitalmärkte dafür sorgen, dass einzelne Mitgliedstaaten nicht über die Stränge schlagen. "Das hat nicht funktioniert", so Weidmann. Griechenland beispielsweise habe sich bis zum Ausbruch der Krise günstig Geld leihen können, obwohl die Defizite bereits damals schon sehr hoch gewesen seien.

Vergemeinschaftung eingeschränkt

Weidmann erneuerte im Interview seine Bedenken im Hinblick auf das Ankaufprogramm von Staatsanleihen. "Insgesamt wiegen die Risiken und Probleme hier für mich stärker als die Chancen", so Weidmann. Der Bundesbankpräsident bekräftigte aber, dass seine Kritik im EZB-Rat nicht ungehört geblieben sei: "Das Staatsanleihekaufprogramm enthält durchaus Elemente, welche die von mir und anderen vorgetragenen Bedenken aufnehmen."

International werde Gemeinschaftshaftung oft als Problemlöser gesehen. "Das ist aber keine Perspektive, die wir als Verantwortliche in Europa einnehmen können", sagte Weidmann. Aus seiner Sicht ist Deutschland in der wirtschaftspolitischen Debatte trotzdem nicht isoliert: "Den Eindruck habe ich nicht, weder im EZB-Rat, noch in der Eurogruppe oder anderen internationalen Foren", sagte Weidmann. Manche Ökonomen gerade in den USA würden jedoch die Besonderheiten der europäischen Währungsunion nicht mit all ihren Facetten berücksichtigen. "So wird hier schnell eine Gemeinschaftshaftung oder eine monetäre Staatsfinanzierung befürwortet, was in den europäischen Verträgen ausgeschlossen wurde", sagte er. Im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten sei der Euro-Raum keine politische Union mit einem zentralen Bundeshaushalt, sondern eine Gemeinschaft von 19 Mitgliedstaaten mit einer eigenverantwortlichen Fiskalpolitik. Um die Verschuldungsanreize der Regierungen zu begrenzen sei deshalb festgelegt worden, dass keine gemeinschaftliche Haftungsübernahme erfolgen soll, auch nicht durch die Geldpolitik. "Das bedeutet, dass das Eurosystem unter anderen Voraussetzungen operiert als die amerikanische Notenbank Fed", sagte Weidmann.