"Auf einem Berg von Schulden kann kein nachhaltiges Wachstum entstehen"

Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat den nachlassenden Sparwillen in vielen Ländern des Euro-Raums und die aus seiner Sicht zu flexible Anwendung der Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts kritisiert. "Regeln helfen nicht, wenn nicht der Wille da ist, sie strikt umzusetzen", sagte Weidmann bei der Veranstaltung "Politisches Forum Ruhr" in Essen.

Weidmann warnte davor, dass die Geldpolitik in die Rolle eines Ausputzers gedrängt werden könnte. "Es besteht aber immer wieder die Gefahr, dass andere Politikbereiche  unangenehme Maßnahmen scheuen und dabei darauf setzen, dass die Geldpolitik es schon richten werde", sagte Weidmann. Die Geldpolitik dürfe nicht dazu missbraucht werden, Solvenzprobleme von Staaten oder Banken zu verdecken. Die Bewährungsprobe für die Geldpolitik werde dann kommen, wenn die Preisaussichten eine Normalisierung der Zinsen nahelegen, sagte der Bundesbankpräsident.

Kein "deutsches Spardiktat"

Die ultra-expansive Geldpolitik des Eurosystems  habe die Disziplinierung  der Finanzpolitik durch die Finanzmärkte erheblich geschwächt, die Budgets würden durch die sinkenden Zinskosten stark entlastet. "Dementsprechend ist es kaum verwunderlich, dass der Konsolidierungs- und Reformeifer in einigen europäischen Hauptstädten seit dem Höhepunkt der Staatsschuldenkrise nachgelassen hat", sagte Weidmann. Der Bundesbankpräsident wies darauf hin, dass die europäischen Krisenländer ohne die Anpassungsprogramme und die damit verbundenen Finanzhilfen einen deutlich schnelleren und abrupteren Anpassungsprozess hätten vollziehen müssen. Den Ländern sei so Zeit gekauft worden, ihre Finanzen in Ordnung zu bringen, nachdem Finanzmärkte das Vertrauen in sie verloren hätten. "Das sollten diejenigen bedenken, die die vereinbarten Programmbedingungen als ´deutsches Spardiktat` oder als ´Austeritätspolitik` verunglimpfen", sagte Weidmann.

Die von der Krise besonders stark betroffenen Mitgliedsländer hätten bereits einiges erreicht: Portugal und Spanien hätten ihre strukturellen Haushaltssalden seit 2009 um etwa sieben Prozentpunkte verbessert, Griechenland sogar um 16 Prozentpunkte. "Das sind beachtliche Konsolidierungsleistungen, die Respekt verdienen", sagte Weidmann.

In Griechenland allerdings ist die Lage aus Sicht des Bundesbankpräsidenten weiterhin prekär. So sei die griechische Schuldenquote inzwischen auf über 170 Prozent gestiegen. Weidmann rief dazu auf, den eingeschlagenen Reformkurs weiter zu verfolgen: "Entscheidend ist in Griechenland, dass an einer funktionsfähigen Verwaltung gearbeitet wird, die Wirtschaft und die Staatsfinanzen perspektivisch auf einen tragfähigen Kurs einschwenken und vor allem dass Vertrauen in einen verlässlichen Reformkurs entsteht." Die neue griechische Regierung habe hier allerdings erste Hoffnungen wieder zunichte gemacht. In den vergangenen fünf Jahren habe Griechenland zu zögerlich an den Strukturreformen in verschiedenen Bereichen gearbeitet. Insbesondere nannte Weidmann die Eintreibung von Steuern, die Korruptionsbekämpfung und die Verbesserung der Arbeit der öffentlichen Verwaltung.

Solide Staatsfinanzen zentrale Voraussetzung für Stabilität

Das Beispiel Spanien zeige, dass sich die Spar- und Reformmaßnahmen auszahlen würden. "Die spanische Wirtschaft hat die Rezession längst hinter sich gelassen und wird Prognosen zufolge kräftig wachsen", sagte Weidmann. Auch die "bedrückend hohe Arbeitslosigkeit" gehe allmählich zurück. Der Bundesbankpräsident machte deutlich, dass solide Staatsfinanzen für die Stabilität der gemeinsamen Währung eine zentrale Voraussetzung seien. Solide Finanzen stehen aus der Sicht von Weidmann auch nicht im Gegensatz zu Wirtschaftswachstum: "Auf einem Berg von Schulden kann kein nachhaltiges Wachstum entstehen", sagte der Bundesbankpräsident.

Kritik übte Weidmann an der aus seiner Sicht zu flexiblen Anwendung der Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Durch die Änderungen seien die Regeln zudem wesentlich komplexer geworden, welche ihre Bindungswirkung beeinträchtigen würden. "Es sind nämlich erhebliche Interpretations- und Ermessenspielräume entstanden, so dass inzwischen kaum mehr beurteilt werden kann, ob die Regeln überhaupt eingehalten werden", sagte Weidmann. Er sprach sich für eine strikte Umsetzung der Fiskalregeln aus. Eine Währungsunion souveräner Staaten könne nur über Regeln funktionieren, die klar sein müssten, sagte Weidmann. Diese Regeln müssten von allen Mitgliedern befolgt werden.

"Für ausgesprochen problematisch halte ich im Hinblick auf die Bindungswirkung der Regeln den Umgang mit den französischen Haushaltsdefiziten", so der Bundesbankpräsident. Frankreich habe als zweitgrößte Volkswirtschaft des Euro-Raums eine wichtige Vorbildrolle zu erfüllen.